Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung beschlossen
Bildrechte: pa/dpa/Detlef Heese

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung beschlossen

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Kabinett gibt grünes Licht für Kindergrundsicherung

Monatelang haben vor allem FDP und Grüne über die Ausgestaltung und Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung gestritten. Nun hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf beschlossen – während Verbände weiter Nachbesserungen fordern.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Neben der Einführung des Bürgergeldes gehört die Kindergrundsicherung zu den großen sozialpolitischen Vorhaben der Ampel. Sie soll sicherstellen, dass von Armut bedrohte Familien und ihre Kinder die staatlichen Leistungen schneller, einfacher und direkter erhalten. Nun hat die Bundesregierung den Startschuss für die Gesetzgebung gegeben: Nach langem, zähem Streit innerhalb der Koalition hat das Bundeskabinett das Projekt beschlossen.

Verschiedene Leistungen sollen gebündelt werden

Das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sieht vor, ab 2025 verschiedene staatliche Leistungen für Kinder zu bündeln: das heutige Kindergeld, den Kinderzuschlag für Familien mit wenig Einkommen, den Kinder-Anteil des Bürgergelds und Unterstützung für Schulbedarf. So sollen mehr Familien Zugang zu Hilfen erhalten.

Paus: "Regierung hat Antwort auf Kinderarmut gefunden"

"Nach Jahrzehnten der politischen Diskussion hat diese Bundesregierung eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland gefunden", erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen. Bis zu 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche sollten davon profitieren – unter ihnen auch die 1,9 Millionen Kinder, die aktuell Bürgergeld beziehen.

Die Bundesregierung knüpfe damit "ein wirksames Sicherheitsnetz für alle Kinder und ihre Familien", erklärte die Ministerin: "Verdeckte Armut in Deutschland reduzieren wir, indem mehr Familien und Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht werden als bisher."

Paus hob hervor, dass der Kindergarantiebetrag künftig für alle Kinder automatisch an die Preisentwicklung angepasst werde. "Das ist ein großer Fortschritt gegenüber dem Status Quo", erklärte sie.

Zugänglichkeit soll vereinfacht werden

Ziel der Kindergrundsicherung ist nicht zuletzt, mehr Familien, die Anspruch auf Leistungen haben, durch mehr Übersichtlichkeit und einfachere Antragswege tatsächlich mit Hilfen zu erreichen. "Die Unterstützung von Familien wird einfacher, gerechter und zugänglicher", sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann der Deutschen Presse-Agentur. Sie erhielten mit der Kindergrundsicherung endlich die Leistung, die ihnen zustehe. Gerade Familien mit geringem Einkommen beantragten häufig aus Unkenntnis keine Unterstützung.

So erreicht etwa der heutige Kinderzuschlag in Höhe von maximal 250 Euro im Monat nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums etwa jedes dritte anspruchsberechtigte Kind nicht. Familienministerin Lisa Paus spricht im Zusammenhang mit der Kindergrundsicherung daher auch vom "Einstieg in die Bekämpfung strukturell verfestigter Kinderarmut".

Garantiebetrag plus X vom "Familienservice"

Im Rahmen der Kindergrundsicherung soll künftig ein sogenannter Garantiebetrag für alle Kinder ausgezahlt werden. Er löst das heutige Kindergeld - aktuell 250 Euro pro Monat - ab. Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, sollen diesen Garantiebetrag direkt bekommen – anders als das Kindergeld heute, das in der Regel an die Eltern geht.

Zu diesem Garantiebetrag kommt je nach Bedürftigkeit ein Zusatzbeitrag hinzu, nach Alter gestaffelt und je nach Einkommenssituation der Eltern. Je weniger sie verdienen, desto höher soll er ausfallen.

Als zentrale Anlaufstellen für die Auszahlung zuständig sein sollen die heutigen Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die schon für das Kindergeld zuständig sind. Sie sollen künftig "Familienservice" heißen und Eltern künftig auch aktiv auf Leistungen hinweisen, die ihnen zustehen. Die Beantragung soll vollständig online möglich sein.

Genaue Kosten des Projekts noch unklar

Den Grünen war und ist neben einer Zusammenlegung von Leistungen besonders wichtig, dass die Familien auch mehr Geld bekommen. Die FDP ist eher in Sorge um die Staatsfinanzen und immer höhere Ausgaben und verweist darauf, dass es beim Bürgergeld und Kindergeld bereits deutliche Anhebungen gab. Paus hatte zuerst zwölf Milliarden Euro im Jahr für die Kindergrundsicherung gefordert, Lindner hatte hingegen nur zwei Milliarden Euro veranschlagt.

Geeinigt hat man sich nun laut Gesetzentwurf auf folgenden Finanzrahmen: Für das Startjahr 2025 werden wegen der Kindergrundsicherung Mehrausgaben von etwa 2,4 Milliarden Euro eingeplant. Bei steigender Inanspruchnahme durch die geplante bessere Übersichtlichkeit könnten die jährlichen Mehrkosten auf bis zu sechs Milliarden Euro im Jahr 2028 anwachsen.

Wie beim Bürgergeld soll es zudem automatische Anpassungen entsprechend der Preisentwicklung geben. Daher sind die Mehrausgaben und die genaue Höhe der Kindergrundsicherung heute noch nicht genau zu beziffern. Paus hatte im August Schätzwerte zwischen 530 Euro (für Kinder bis sechs Jahre) und bis zu 636 Euro (für die ältesten Kinder) genannt. Die genauen Beträge hängen von der Inflationsrate bis zur Einführung der Leistung ab – und vom Einzelfall, je nach Einkommenssituation der Familie.

Sozialverbände sprechen von "Schmalspurvariante"

Wohlfahrts- und Kinderschutzverbände zeigten sich unzufrieden mit den Gesetzesplänen. Sie hätten sich deutlich mehr Geld gewünscht. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Die sogenannte Kindergrundsicherung der Ampel ist schon vor ihrem Beginn an ihrem wichtigsten Ziel, der Bekämpfung von Kinderarmut, gescheitert." Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte der dpa, mit der "Schmalspurvariante der Kindergrundsicherung" werde es nicht gelingen, Kinderarmut ausreichend zu reduzieren.

Die internationale Kinderrechtsorganisation "terre des hommes" und weitere Organisationen haben außerdem gefordert, auch Kinder von Asylbewerbern müssten die Kindergrundsicherung erhalten. Dass dies bisher nicht vorgesehen sei, stelle einen "erheblichen Mangel" des Gesetzentwurfs dar. Die Bundesregierung müsse den Vorgaben aus der UN-Kinderrechtskonvention gerecht werden und "alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendliche in die Kindergrundsicherung aufnehmen".

Einige Hürden sind noch zu nehmen

Bis zur geplanten Einführung der Kindergrundsicherung 2025 sind zudem noch einige Hürden zu nehmen. Das Vorhaben ist komplex: Die Zusammenlegung der verschiedenen Leistungen zieht Änderungen in unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung, Sozial- und Steuergesetzgebung nach sich. Die Bundesagentur für Arbeit hatte in einer Stellungnahme eine Einführung Anfang 2025 zuletzt als "unrealistisch" eingeschätzt.

Nach dem Kabinett müssen Bundestag und Bundesrat zudem der Einführung erst noch zustimmen. Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, äußerte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe die Befürchtung, dass die Kindergrundsicherung im weiteren Verfahren in Bundestag und Bundesrat nochmals "zusammengestrichen" werden könnte.

Mit Informationen von dpa

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!