Gazastreifen: Eine Inspektionstour von Politikern.
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Gazastreifen: Eine Inspektionstour von Politikern.

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In Gaza wird wieder gebaut - Israel öffnet Grenzen

Fünf Monate nach den schweren Kämpfen mit der Hamas lässt Israel wieder Lieferungen von Baumaterial in den Gazastreifen zu. Doch der Wiederaufbau in Gaza kommt nur mühsam voran. Das liegt nicht nur am Geld.

Monatelang war die Grenze in Kerem Shalom zwischen Israel und dem Gazastreifen geschlossen. Jetzt rollen wieder die Lastwagen. 400 bis 500 seien es am Tag, sagen die Leute hier. Obst und Gemüse, Rinder, Baumaterial - alles aus Israel.

UN-Hilfen nach Grenzöffnung von Israel möglich

Der zuständige Regierungsvertreter will seinen Namen nicht nennen. Aber er beantwortet ein paar Fragen. "Nach dem Krieg war der Grenzübergang dicht. In den letzten paar Tagen hat Israel aufgemacht. Aber was hier reinkommt, deckt den Bedarf nicht", sagt er.

Ob diese Aussage stimmt, wissen sie am besten bei der UNRWA, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten. Die UN-Organisation ist seit Jahren der größte Arbeitgeber im Gazastreifen, kümmert sich um Schulen, das Gesundheitssystem. 70 Prozent der Bevölkerung hier gelten als Flüchtlinge - jeden Tag verteilt die UNRWA 600 Tonnen Lebensmittel.

Gazastreifen wirtschaftlich von Außenwelt abgeschnitten

Das Elend im Gazastreifen sei auch deshalb so groß, sagt Thomas White, der Direktor in Gaza, weil der Gazastreifen wirtschaftlich weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten sei. Immerhin lässt Israel inzwischen Waren rein.

"In den letzten Wochen wurden die Restriktionen, die es gab, gelockert. Jetzt kommt viel mehr Ware als vorher, vor allem Baumaterial", berichtet White. "Da gab es ja immer das Argument, dass dieses von militanten Gruppen in Gaza zum Bau von Tunneln genutzt würde. Tatsächlich brauchen die Menschen das, um Häuser wiederaufzubauen. Und für uns bedeutet das jetzt, dass wir den Menschen helfen können, sich selbst zu helfen."

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Tausende Unterkünfte im Mai zerstört oder beschädigt

Zement, Stahl, Holz kommt zurzeit relativ ungehindert an. Die Angaben zur Zahl der Häuser und Wohnungen, die im Mai zerstört wurden, als die Hamas elf Tage lang mit Raketen auf Ziele in Israel schoss und die israelische Luftwaffe mit Angriffen auf den Gazastreifen reagierte, sind unterschiedlich - je nachdem, wen man fragt. Bei der UNRWA gehen sie von mehr als 1.300 Wohnungen aus, die seitdem unbewohnbar sind. Dazu kommen mehr als 7.000 beschädigte Unterkünfte.

Die Zahlen, die Mohamed Abbood hat, sind höher. Er arbeitet als leitender Angestellter für das Wohnungsbau- und Infrastrukturministerium. Und während die UNRWA damit begonnen hat, Geld an Privatleute zu zahlen, damit sie ihre Wohnungen wiederaufbauen können, sorgt man sich im Ministerium von Mohamed Abood um die Infrastruktur.

Richtig voran kommt er nicht. Denn der Gazastreifen, der von der Hamas kontrolliert wird, ist auch vom internationalen Finanzverkehr abgehängt. "Wie kommt das Geld nach Gaza, und auch die Waren? Ich hoffe, dass sich in den kommenden Wochen noch etwas ändert", sagt Abood. "Wir haben die Erfahrung. Geld und Waren müssen nur leicht hier reinkommen. Wir haben Arbeiter und Ingenieure, die Gaza ohne Probleme wiederaufbauen können, so Gott will. Gebt mir nur das Geld."

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Trümmer waren schnell nach dem Krieg verschwunden

Trümmer sieht man in Gaza nur noch wenig - sie wurden nach dem Krieg im Mai schnell beseitigt. Auch weil sich die Hamas, die unter anderem von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, als Siegerin präsentieren wollte. Da passte die Zerstörung schlecht ins Bild.

Weil man jetzt hier Baumaterial aus Israel und auch aus Ägypten inzwischen wie auf einem freien Markt kaufen kann, hat auch Zaed Zidija wieder angefangen: Er baut ein sechsstöckiges Haus in Gaza-Stadt. Die 24 Wohnungen, die hier entstehen, werden sich nur sehr wenige leisten können.

Viele Menschen in Gaza können sich nicht selbst versorgen

Vier Monate stand die Baustelle still. Jetzt läuft der Betrieb wieder. "Vorher war das Bauen schwierig - aus Mangel an Material. Seitdem die Israelis die Blockade gelockert haben, kommen mehr Baustoffe rein", sagt Zidija. "Die Bauwirtschaft rollt an. Aber die Schwierigkeit ist jetzt: Es gibt keine Käufer. Denn die Wirtschaftslage der Menschen ist nicht gut."

Weil es keine Arbeit gibt, kaum Export und nur sehr beschränkte Beziehungen nach außen, kann sich ein Großteil der Menschen im Gazastreifen nicht selbst versorgen - Tendenz steigend. Vor 2007, als Israel das Gebiet abriegelte, versorgten die Vereinten Nationen rund 100.000 Menschen täglich mit Lebensmitteln. Heute sind es jeden Tag 1,1 Millionen, die auf diese Hilfe angewiesen sind. Der Wiederaufbau ist also nur eines der Probleme, das die Menschen hier haben.

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