Wärmepumpe vor einem Einfamilienhaus (Symbolbild)
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Heizungsgesetz: Streit zwischen Grünen und FDP spitzt sich zu

Wirtschaftsminister Habeck erwartet Vertragstreue, aber die FDP kritisiert das geplante Heizungsgesetz immer schärfer. Ob der Entwurf in dieser Woche im Bundestag diskutiert wird, ist fraglicher denn je. Kanzler Scholz fordert schnelle Beratungen.

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Der Streit innerhalb der Ampel-Koalition über das geplante Heizungsgesetz spitzt sich zu: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Koalitionspartner FDP zur Vertragstreue aufgefordert. Er will das Gesetz aus seinem Ministerium, wie bisher vorgesehen, noch vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen.

"Alle werden sich daran erinnern, was da verabredet wurde", sagte Habeck mit Blick auf den Koalitionsausschuss der Ampel-Spitzen von Ende März. Im damaligen Abschlusspapier ist der Termin vor der Sommerpause genannt. Zudem sei der Entwurf im Bundeskabinett von der gesamten Regierung einschließlich der FDP-Minister gebilligt, betonte Habeck. "Das heißt Fraktion, Partei und Regierung – jeweils durch ihre Vertreter – haben das festgelegt", sagte der Grünen-Politiker. "So wie von uns Vertragstreue erwartet wird, erwarte ich das natürlich auch von den Koalitionspartnern."

Heizungsgesetz: Regierungssprecher fordert "Schnelligkeit"

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dringt bei dem in der Koalition umstrittenen Heizungsgesetz aufs Tempo. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, der Kanzler habe die Erwartung, "dass der Bundestag mit der nötigen Gründlichkeit, aber auch Schnelligkeit den Gesetzentwurf jetzt diskutiert". Scholz habe seine Zuversicht ausgedrückt, dass die Kernbestandteile des Gebäudeenergiegesetzes verabschiedet werden.

FDP: "Brauchen im Prinzip ein neues Gesetz"

Zuvor hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erneut massive Zweifel am Gesetzentwurf geäußert. Derzeit werde über "punktuelle Reparaturmaßnahmen" geredet. Solche "kosmetischen" Änderungen seien aber nicht ausreichend. Es gebe im Entwurf unfassbar viele Fehler, sagte Djir-Sarai. "Hier brauchen wir ein neues Gesetz im Prinzip." Die Fokussierung auf Wärmepumpen sei aus Sicht der FDP falsch, es brauche vielmehr Technologieoffenheit, und die sei "in der jetzigen Form nicht gegeben".

Forderungen nach einer raschen Verabschiedung des Gesetzes wies Djir-Sarai zurück. Er könne sich nicht vorstellen, dass vor Sommerpause eine Einigung erzielt werden könne. Für die FDP gelte: "Unter Druck lassen wir uns an dieser Stelle nicht setzen."

Auch der Münchner FDP-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Lukas Köhler, sieht keine Eile. Wichtiger als ein schnelles Gesetz sei ein gutes Gesetz, sagte er bei BR24 im BR Fernsehen. "Ein gutes Gesetz muss Klimaschutz und Bezahlbarkeit miteinander verbinden." Noch brauche es einige Verhandlungsschritte, damit das Heizungsgesetz gut werde.

Neue Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien

Der jetzige, bereits vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht im Kern vor, dass neue und ausgetauschte Heizungen ab 2024 mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energie betrieben werden müssen. Das soll für alle Eigentümer bis zum Alter von 80 Jahren gelten. Begleitet werden soll der Umstieg mit finanziellen Hilfen, Übergangsfristen und Ausnahmen für Härtefälle. Habeck sagte, hier könne man großzügiger, weitreichender und flexibler sein. Eines müsse aber bleiben: "Den Einstieg in den Ausstieg aus der Verbrennung von Öl und Gas, der sollte jetzt gegangen werden."

Der Gesetzentwurf liegt beim Bundestag und könnte eigentlich noch in dieser Woche in erster Lesung beraten werden. Wann das Parlament sich genau mit dem Gesetzentwurf befasst, liegt in den Händen des Ältestenrats, der am Dienstag tagt. Das Gesetz gilt als wichtiger Baustein des Vorhabens, Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen.

Auch SPD-Fraktionschef Mützenich von FDP genervt

Nicht nur die Grünen, sondern auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte derweil das aus seiner Sicht bremsende Verhalten der FDP. "Das bedauere ich, und das nervt mich auch", sagte Mützenich im ARD-"Morgenmagazin". Es bringe stundenlange Diskussionen nicht nur zwischen den Fachabgeordneten mit sich, "sondern es nervt auch die Fraktionsspitzen".

SPD-Co-Chefin Saskia Esken sprach sich ebenfalls gegen eine Verzögerung aus. Es gehe darum, die Wärmewende jetzt ambitioniert einzuleiten, sagte Esken dem Fernsehsender Phoenix. Sie verwies darauf, dass die Wärmepumpe in dem Gesetz nicht vorgeschrieben werde. Sie sei nur eine Möglichkeit, "die sehr mächtig" sei, um die gesetzlichen Vorgaben zu erreichen, die Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Der Königsweg in den Städten sei dagegen eine "kommunale Wärmeversorgung", etwa mit Nah- und Fernwärme.

Verband für Wohnungswesen: "Druck rausnehmen"

Dagegen fordert auch der Deutsche Verband für Wohnungswesen und Städtebau einen weniger ambitionierten Zeitplan. "Wir plädieren dafür, jetzt den Druck rauszunehmen", sagte Verbandspräsident Mike Groschek der Zeitung "Neue Westfälische". Das 65-Prozent-Ziel könne nicht sozial verträglich ab 2024 realisiert werden. "Es sollte in unseren Augen frühestens 2025 kommen." Groschek war in Nordrhein-Westfalen einige Jahre lang Bauminister und zeitweise Vorsitzender der Landes-SPD.

AfD: "Verarmungsfeldzug gegen die deutschen Bürger"

Massive Kritik an den Heizungsplänen des Wirtschaftsministeriums kommt von der AfD im Bundestag. Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel teilte mit: "Die sogenannte Wärmewende der von grünen Ideologen und Lobbyisten getriebenen Ampel ist ein nie dagewesener Enteignungs- und Verarmungsfeldzug gegen die deutschen Bürger, insbesondere die Mittelschicht." Wenn die FDP das Gesetz nicht zur Koalitionsfrage mache, sondern wie schon den Ausstieg aus der Kernenergie am Ende mittrage, habe sie endgültig jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

Klimaforscher Latif: "Blockade des Wegs in die Klimaneutralität"

Der Klimaforscher Mojib Latif kritisierte unterdessen die Debatte über das Gebäudeenergiegesetz. "Aus meiner Sicht versuchen manche Politiker, die Geschichte um den inzwischen abgelösten Staatssekretär Patrick Graichen zu nutzen, um die gesamte Wärmewende auszuhebeln", sagte Latif dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".

Latif beklagte, Ängste der Bevölkerung vor finanzieller Überforderung würden teilweise bewusst geschürt oder existierende Ängste "nur benutzt, um die Wärmewende zu blockieren. Und am Ende des Tages blockiert man den Weg in die Klimaneutralität." Werde das Gebäudeenergiegesetz verschoben oder komme es gar nicht, dann laufe Deutschland Gefahr, seine Klimaziele krachend zu verfehlen. "Das wäre ein Desaster für die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf der internationalen Bühne", sagte der Kieler Wissenschaftler.

Mit Informationen von dpa, AFP, epd und Reuters

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