Landwirte protestierten im Vorfeld des politischen Aschermittwochs der Grünen vor der Stadthalle in Biberach.
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Landwirte protestierten im Vorfeld des politischen Aschermittwochs der Grünen vor der Stadthalle in Biberach.

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Wegen Protesten: Grüne sagen Polit-Aschermittwoch in Biberach ab

Die Grünen haben ihre Veranstaltung zum politischen Aschermittwoch im baden-württembergischen Biberach abgesagt. Als Grund nannte die Partei massive Proteste von Landwirten. Politiker mehrerer Parteien kritisierten die Proteste scharf.

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Wegen massiver Proteste haben die Grünen in Baden-Württemberg ihre Veranstaltung zum politischen Aschermittwoch in Biberach abgesagt. Der Vorsitzende des Kreisverbands Biberach, Michael Gross, sagte, vor der Stadthalle hätten sich Demonstranten versammelt, die zum Teil "verbal aggressiv" aufgetreten seien. "Wir sehen nicht, dass wir eine ordnungsgemäße Veranstaltung durchführen können", ergänzte er. In Absprache mit den Sicherheitsbehörden habe man die Veranstaltung daher abgesagt. Politiker mehrerer Parteien kritisierten die Proteste scharf. Sie warnten vor Gewalt und nannten das Verhalten der Bauern "völlig inakzeptabel".

Polizei spricht von "aggressiven Protestaktionen"

Die Polizei war nach eigenen Angaben mit "starken Kräften" vor Ort in Biberach. Sie berichtete von "Blockadeaktionen einiger Demonstranten", es sei zu "aggressiven Protestaktionen" gekommen. Polizisten und Polizeifahrzeuge seien mit Gegenständen beworfen worden. Dabei seien mehrere Polizisten leicht verletzt und ein Polizeiwagen beschädigt worden, ein Tatverdächtiger sei festgenommen worden.

Straßenblockaden mit Traktoren

Im Vorfeld der Grünen-Veranstaltungen waren nach Polizeiangaben zwei Protestveranstaltungen angemeldet worden. Bereits seit dem Morgen hatten Bauern und auch Fuhrunternehmer in Biberach protestiert und Straßen mit Pflastersteinen und Sandsäcken blockiert. Auf den Zufahrtsstraßen zur Stadthalle standen Dutzende Traktoren, mehrere hundert Demonstranten hatten sich versammelt. Vor der Halle wurde ein großer Misthaufen abgeladen. Zu hören waren lautes Gehupe und Musik.

Bei den Protesten kam es auch zu einem Zwischenfall, bei dem die Polizei Pfefferspray gegen Demonstrierende einsetzte, um den Weg für zwei Fahrzeuge freizuräumen. Die beiden Fahrzeuge fuhren danach von der Stadthalle weg. An einem Pkw, der offenbar zum Begleittross von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gehörte, war eine Scheibe eingeschlagen.

Protestaufrufe verschiedener Gruppen

Der Vorstand des Kreisbauernverbands, Karl Endriß, sagte, an die Stadthalle sei kein Herankommen, da überall Demonstranten stünden. Zu den Protesten hatten laut Endriß verschiedene Gruppierungen aufgerufen. Unter den Demonstrierenden seien hauptsächlich Bauern, aber auch Fuhrunternehmer beteiligt. Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg hat nach eigener Auskunft nicht zu den Protesten aufgerufen oder diese im Vorfeld unterstützt.  

Ähnliche Proteste gab es am Wochenende bereits beim Neujahrsempfang der Grünen in Hof. Dort kam es im Rahmen einer angeblichen Spontan-Demo zu massiven Störungen.

Oberbürgermeister: Feuer absichtlich gelegt und Bengalos gezündet

Nach den Tumulten hat Biberachs Oberbürgermeister Norbert Zeidler einen Einblick in den Ablauf der teils gewaltsamen Proteste gegeben. Bereits am frühen Morgen um 3.30 Uhr hätten die Hupkonzerte der Demonstranten, darunter auch viele Bauern, begonnen, immer wieder seien auch Böllerschüsse zu hören gewesen, sagte der parteilose Oberbürgermeister der Stadt. Die Aktionen seien immer weiter eskaliert. Die Feuerwehr sei zu zehn Brandeinsätzen gerufen worden, die Feuer seien gezielt gelegt worden, sage Zeidler. Bengalos seien abgebrannt, Pflastersteine aus dem Gehweg genommen und eine Autoscheibe eingeschlagen worden. Außerdem seien Einsatzkräfte an der Durchfahrt gehindert und Helfer angepöbelt worden.  "Die Stimmung war sehr aufgebracht, feindselig und aggressiv. Ich kann die Absage der Grünen komplett nachvollziehen", sagte Zeidler. "Da ging es nicht um Diskussion oder Protest, da ging es nur um Tumult."

Özdemir und Lang sollten sprechen

Die Grünen treffen sich seit Jahren in Biberach, wo in diesem Jahr wieder viel Bundesprominenz erwartet wurde. Neben Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir, der als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gilt, sollten die Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Urgestein Jürgen Trittin ans Rednerpult treten. Auch Kretschmann sollte dabei sein. 

Grüne wollen Dialog mit den Bauern suchen

Özdemir, der wegen der geplanten Kürzung von Agrarsubventionen seit Wochen das Ziel scharfer Kritik von Bauernverbänden ist, habe mit Teilnehmern der Landwirte-Demo gesprochen "und den Dialog gesucht", erklärte eine Sprecherin der baden-württembergischen Grünen. "Wir haben bereits im Vorfeld der Veranstaltung Gesprächsangebote unterbreitet und werden den Austausch in kleiner Runde fortführen", sagte sie. Auch in Zukunft wolle die Partei einen Dialog führen "mit all denjenigen, die an einem konstruktiven Austausch interessiert sind". Der Grünen-Kreisvorsitzende Michael Gross sagte, er hoffe, "dass wir nach diesem Aschermittwoch wieder zu einem konstruktiven Dialog zurückfinden".

Özdemir nimmt Landwirte in Schutz

Özdemir hat nach der kurzfristigen Absage des politischen Aschermittwochs Landwirtinnen und Landwirte in Schutz genommen. "Die, die da jetzt über die Stränge geschlagen haben, das ist nicht die deutsche Landwirtschaft. Das waren Einzelne, die sich da so benommen haben", sagte der Grünen-Politiker in Biberach. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten der Landwirtschaft und den Anliegen der Landwirtschaft so keinen Gefallen getan, so Özdemir.

Grünen-Chefin Lang warnt vor Gewalt bei Protesten

Die Bundesvorsitzende Lang warnte nach der Absage der Veranstaltung vor Gewalt. "Wenn Menschen eingeschüchtert, das Stadtleben massiv gestört und Einsatzkräfte der Polizei angegriffen werden, wird eine Grenze überschritten", erklärte Lang. "Wer gewalttätig wird, verlässt den Rahmen des demokratischen Diskurses. Mein Dank gilt allen, die dabei geholfen haben, die Situation zu deeskalieren, insbesondere den Polizistinnen und Polizisten."

SPD-Landeschef: "Dem müssen wir entschieden entgegentreten"

Der baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch erklärte, dass die Grünen die Veranstaltung wegen der Proteste absagen mussten, sei ein "absolutes No-Go". "Dissens gehört zu unserer Demokratie, Diskussion auch - nur wer keine Argumente hat, wirft mit Steinen." Dies sei die Sprache derer, die demokratische Prinzipien missachteten. "Dem müssen wir entschieden entgegentreten", erklärte Stoch.

Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sprach auf der Mitteilungsplattform X von "gewaltvollen Aktionen", mit denen der Boden des demokratischen Gemeinwesens verlassen werde. "Eine politische Veranstaltung einer Partei, die den Ministerpräsidenten und einen Bundesminister stellt, kann nicht stattfinden, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist", erklärte er: "Wo soll das eigentlich enden?"

CDU-Innenminister Strobl: Verhalten der Bauern "völlig inakzeptabel"

Auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte die Proteste scharf. "Das aggressive Verhalten von Protestierenden in Biberach ist völlig inakzeptabel", sagte Stobl in Stuttgart. "Diese Demonstranten haben der Sache der Bauern einen Bärendienst erwiesen."

"Wer Polizeibeamte und Einsatzfahrzeuge bewirft und eine demokratische Partei in der Ausübung ihrer Grundrechte behindert, überschreitet ganz klar eine Grenze", so der Innenminister weiter. Straftaten in diesem Zusammenhang würden "konsequent verfolgt und die Straftäter zügig und rückstandlos zur Rechenschaft gezogen".

Mit Informationen von dpa und AFP

Im Audio: Bauernproteste auch bei Aschermittwoch-Kundgebungen in Bayern

Landwirte demonstrieren in Landshut vor dem politischen Aschermittwoch der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Bayern
Bildrechte: pa/dpa/Daniel Vogl
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Landwirte demonstrierten in Landshut vor dem politischen Aschermittwoch der Grünen in Bayern.

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