Corona, Krieg, Klima: Manche Themen sind anfälliger für Desinformation als andere.
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Corona, Krieg, Klima: Manche Themen sind anfälliger für Desinformation als andere.

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#Faktenfuchs: Welche Themen sind anfällig für Desinformation?

Corona, Krieg, Klima: Zu einigen Themen kursieren mehr Unwahrheiten und Desinformation als zu anderen. Woran liegt das und was macht ein Thema besonders anfällig? Ein #Faktenfuchs.

Die Corona-Pandemie sowie der russische Angriff auf die Ukraine kosten viele Menschen das Leben, viele weitere bekommen die Auswirkungen zu spüren. Nebenbei gefährdet der Klimawandel die Lebensgrundlagen der Menschen und begünstigt verheerende Naturkatastrophen, wie die Flut im Ahrtal im Sommer 2021. All diese Ereignisse sind begleitet von einer Fülle an Desinformation, also bewusst gestreuten Falschinformationen oder Fakes. Das ist typisch für Krisen.

Dass in den vergangenen beiden Jahren vor allem Falschbehauptungen rund um den Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie im Fokus standen, zeigt auch eine Auswertung des Grimme-Instituts. Das Institut hat deutsche Faktenchecks untersucht, darunter auch die des #Faktenfuchs.

Anfällig für Desinformation: Große, komplexe, undurchsichtige Themen

Grundsätzlich können Falschbehauptungen und Desinformation an jedes Thema und Ereignis anknüpfen - und die Verbreiter versuchen, einzelne Menschen oder die gesamte Öffentlichkeit zu manipulieren.

Doch was macht ein Thema oder ein Ereignis grundsätzlich anfälliger für Desinformation? Warum werden einige eher von Falschbehauptungen und Fakes begleitet als andere?

"Je größer ein Thema oder Ereignis ist, desto anfälliger ist es für Desinformation", sagt Kommunikationswissenschaftler Michael Harnischmacher von der Universität Passau. Durch diese Größe werde ein Sachverhalt meist komplexer, dynamischer und undurchsichtiger.

Als Beispiel dient die Corona-Pandemie: Sie betrifft viele Menschen direkt und indirekt, gefährdet sie gesundheitlich, schränkt sie in ihren Freiheiten ein und verändert ihr Leben. Sie hat Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Umgang mit der Pandemie sind zahlreiche Forscher, Wissenschaftler, Politiker, Mediziner und Juristen beschäftigt. Es gibt eigene Gesetze und Verordnungen, neue Maßnahmen und Regeln - und neue Virusvarianten. Neue Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten können den Umgang mit der Pandemie rasant verändern.

Eine solche Fülle an einzelnen Akteuren und Aspekten bietet viele Ansatzpunkte, an denen Zweifel oder Falschbehauptungen andocken können.

Anfällig sind emotionale Themen: Desinformation bedient negative Gefühle

Neben der Größe können auch andere Faktoren es den Verbreitern von Desinformation leichter machen, ihre Falschbehauptungen bei einer größeren Anzahl von Menschen zu platzieren. Karolin Schwarz ist Senior Policy and Research Manager beim ISD Germany, der deutschen Dependance des Londoner Think-Tanks "Institute for Strategic Dialogue". Das Institut befasst sich auch mit Desinformation. Schwarz sagt, anfällig für die Verbreitung von Desinformation seien Themen, die polarisieren.

"Dazu gehören im deutschen Kontext die Themenfelder Migration und Flucht, der Klimawandel, Gesundheit und Medizin sowie Geschlechtergerechtigkeit. Dazu kommt insbesondere im letzten Jahr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine." Karolin Schwarz, ISD Germany

Desinformation bedient laut Karolin Schwarz häufig negative Emotionen, löst Wut, Angst oder Hass aus. Kommunikationswissenschaftler Michael Harnischmacher sieht das ähnlich: Wenn ein Thema bereits emotional aufgeladen ist, ist es anfällig für Desinformation. Denn diese kann bestehende Vorurteile bedienen.

Dabei kommt ein nachgewiesener psychologischer Effekt ins Spiel: Hat eine Person zu einem gewissen Thema eine starke Meinung, glaubt sie mit höherer Wahrscheinlichkeit Desinformation, die ihre Haltung bestätigt. Die Rolle des sogenannten "confirmation bias" zeigen zahlreiche Studien wie diese.

Unbekannte und neue Themenfelder bieten Angriffspunkte

Laut Karolin Schwarz vom ISD Germany spielt es auch eine Rolle, ob es gesicherte Informationen zu einem Thema oder einem Ereignis gibt. "Ist das nicht der Fall, füllt Desinformation häufig eine Wissenslücke." Das sei zum Beispiel während der Corona-Pandemie und in Bezug auf die Corona-Impfungen zu beobachten gewesen.

Diese ersten Lückenfüller können sich verfestigen. "Selbst als wir im Verlauf der Pandemie mehr Informationen über die Krankheit und Schutzmaßnahmen hatten, haben sich Falschbehauptungen in einigen Kreisen weiter hartnäckig gehalten", sagt Schwarz.

Immer wieder ist Desinformation rund um Themen zu beobachten, die neue Technologien oder Innovationen beinhalten, wie etwa die mRNA-Impfung oder die 5G-Mobilfunktechnik. Da es noch keine langjährige Praxiserfahrung damit gibt, bildet sich aufgrund der Wissenslücken ein Nährboden für Gerüchte und Behauptungen.

Informationslücken und fehlendes Bildmaterial: Problematisch bei Katastrophenereignissen

Dass vorhandene Informations- oder Wissenslücken ein Thema anfällig machen, zeige sich auch im Kontext von Ereignissen wie Anschlägen, Gewaltakten sowie Naturkatastrophen, sagt Schwarz: "Da wird die allgemeine Verunsicherung und der Wunsch der Öffentlichkeit nach Informationen ausgenutzt, um Chaos auszulösen, zum Beispiel durch falsche Angaben zu Tatorten, möglichen Tätern oder Betroffenen."

In solchen Situationen verbreiten sich auch häufig Falschbehauptungen, die bestimmte Ressentiments bekräftigen oder einer politischen Agenda dienen.

Manchmal spiele dabei eine Rolle, dass kein Foto- oder Videomaterial vorhanden ist. "Häufig werden dann Inhalte verbreitet, die aus einem völlig anderen Kontext stammen", sagt Schwarz.

Doch selbst wenn es Bildmaterial gibt, wie etwa im Ukraine-Krieg oder nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar, werden Fotos und Videos aus ihrem Kontext gerissen und mit falschen Infos verbreitet.

Desinformation rankt sich oft um mächtige Personen oder Institutionen

Auch wenn bestimmte mächtige Personen oder Institutionen involviert sind, nutzen das Akteure häufig für Desinformation. Wenn das Weltwirtschaftsforum in Davos stattfindet; wenn die Weltgesundheitsorganisation WHO sich in der Corona-Pandemie einschaltet; wenn Bill Gates oder George Soros etwas unterstützen oder sich äußern - kurze Zeit später kursiert oft Desinformation, die sich in bekannte Verschwörungsmythen zu diesen Personen oder Institutionen einfügt.

Häufig reicht es schon, dass Bill Gates ein Interview gibt - schon werden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, Verknüpfungen konstruiert oder Aussagen als angeblicher Beleg für Verschwörungserzählungen gesehen. Die Behauptungen und angeblichen Verknüpfungen sind teils völlig willkürlich und manchmal sogar erfunden.

Fazit

Grundsätzlich kann sich rund um jedes Thema oder Ereignis Desinformation verbreiten. Besonders anfällig sind aber große, komplexe und nicht leicht durchschaubare Themen oder Ereignisse, die polarisieren und emotionalisieren. Ein weiterer Faktor kann sein, ob es Wissens- und Informationslücken bei Menschen gibt, in denen sich Falschbehauptungen festsetzen können.

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