Veterinärmedizinische Untersuchung in einem modernen Kuhstall in Isen, Bayern
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Veterinärmedizinische Untersuchung in einem modernen Kuhstall in Isen, Bayern

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#Faktenfuchs: Braucht es eine Männerquote für den Tierarztberuf?

Hund und Katze wird geholfen, für Kuh, Schaf und Schwein gibt es aber immer weniger Tierärzte. Sollten deshalb Männer auch mit schlechterem Abi einen Studienplatz für Tiermedizin bekommen? Der #Faktenfuchs erklärt, warum die Forderung zu kurz greift.

"Eine Männerquote fürs Tiermedizin-Studium!" Diese Forderung kommt immer wieder auf, wenn vom Mangel an Landtierärzten die Rede ist, wie kürzlich in einem Beitrag der Abendschau.

Denn in das Veterinär-Studium treten vor allem Frauen ein. Und Frauen werden eher Kleintierärztinnen. Landtierärzte werden dagegen eher Männer. Wenn Landtierärzte fehlen, lautet dann oft die Schlussfolgerung, brauche es mehr Männer im Studium. Da aber deren Noten im Durchschnitt schlechter sind, schaffen es vor allem Frauen auf die begrenzten Studienplätze. Her also mit der Männerquote fürs Tierarzt-Studium?

In Reaktion auf den Abendschau-Beitrag auf der BR24-Facebook-Seite brachte die Idee ein Nutzer ins Spiel.

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Kommentare zum Abendschau-Beitrag auf BR24-Facebook und die Idee einer Männerquote im Tierarzt-Studium

Gibt es einen Landtierarzt-Mangel?

Laut dem Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) und der Bundestierärztekammer (BTK) ist der Landtierarztmangel bereits Realität. "Die BTK ist sich der Problematik bewusst", so eine Sprecherin.

Die Statistik der Kammer verzeichnet einen deutlichen Rückgang der Nutztierärzte. Die Zahlen aus dem vergangenen Jahr veröffentlichte die Kammer bislang nicht, die aktuellsten stammen aus 2017: Da zählte die Kammer bundesweit 1.125 Nutztierärzte. Weniger gab es nur im Jahr davor (2016: 1.010). Bis dahin jedoch sank die Zahl kontinuierlich - und massiv. Denn 2006 hatte die Kammer noch 2631 Nutztierpraktiker gezählt.

Zwar nahm auch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in den vergangenen Jahren ab. Dennoch: Nutztierhalter müssten bald um die tierärztliche Versorgung ihrer Bestände bangen, wenn sich bei tierärztlichen Berufsanfängern der Trend zur Kleintiermedizin fortsetzt, heißt es beim bpt.

Der Verband brachte das Thema vor Kurzem auf der Grünen Woche noch einmal an die Oberfläche - und dessen Präsident Siegfried Moder warnte im BR-Beitrag vor einer Verschlechterung der Situation, sollten bestimmte Tierkrankheiten auch in Deutschland auftauchen und sich verbreiten.

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Entwicklung der Zahl von Nutztierärzten in Deutschland

Wie viele Frauen studieren Tiermedizin?

Er sprach dabei auch davon, dass vor allem Frauen Tiermedizin studierten - und etwa ein Viertel aller Studierenden des Fachs gar nicht auf dem Arbeitsmarkt auftauchten, weil sie eine Familie gründeten.

Von bundesweit 1072 Studienanfängern im Wintersemester 2017/18 waren der Bundestierärztekammer zufolge 961 Frauen. Das sind fast 90 Prozent.

Zudem gehen Frauen deutlich seltener in den Beruf der Großtierärzte, sie versorgen laut BTK-Statistik häufiger Kleintiere. Von allen niedergelassenen Tierärzten, die 2017 angaben, Kleintiere zu versorgen, waren sowohl im Bund als auch in Bayern fast zwei Drittel Frauen (rund 65 Prozent im Bund, rund 69 Prozent in Bayern). Von den Nutztierärzten waren bundesweit weniger als ein Drittel weiblich (knapp 29 Prozent), im Freistaat nur jede fünfte (21,6 Prozent).

Eine Untersuchung an der Freien Universität Berlin zeigte 2010 ebenfalls, dass männliche Studierende (23,4 Prozent) eher zu einer Karriere in der Nutztiermedizin tendieren als weibliche (12 Prozent). Wer außerdem aus einer ländlichen Gegend stammte, orientierte sich eher in Richtung Nutztierpraxis (55,6 Prozent) als Studierende aus der Stadt (18,1 Prozent). Und wessen Familie Nutztiere hatte, zeigte auch eher eine Vorliebe für die Tätigkeit in der Nutztierpraxis. Die Erhebung wies aber auch darauf hin, dass die Bedingungen in der Nutztierpraxis für junge Tierärzte unattraktiv seien. Warum eher Männer als Frauen zu den Nutztieren tendierten, beantwortete die Studie nicht.

Der Vorschlag einer Männerquote, um Absolventen in die Großtierpraxen zu bekommen, kursiert seit Jahren. Das thematisiert auch die Bundestierärztekammer (BTK) oder Experten im Fachmagazin "top agrar".

Aber ist eine Männerquote aus Sicht von Experten der Weg, der zum Ziel führt? Zu mehr Tierärzten für Kühe, Schweine und Co?

Wäre eine Männerquote fürs Tiermedizin-Studium möglich?

Zunächst: Universitäten reservieren nicht die Hälfte der Plätze für Männer, weil sie es nicht dürfen.

Eine Männer- oder Frauenquote dürfen Hochschulen für die Zulassung zu einem Studiengang nicht festlegen, wie das bayerische Kultusministerium erklärte. Die Auswahl der Studentinnen und Studenten muss sich grundsätzlich am Kriterium der Eignung orientieren. Aber selbst wenn eine Quote erlaubt wäre, könnte sie den Landtierarzt-Mangel wohl nicht beheben.

Gäbe es mit einer Männerquote für Tierärzte mehr Großtierpraktiker?

"Landtierarztmangel auf den Frauenanteil herunterzubrechen, ist ein bisschen zu einfach", schrieb die Sprecherin der Bundestierärztekammer. "Eine Männerquote löst das Problem sicherlich nicht - Männer werden ja nicht automatisch Nutztierpraktiker auf dem Land." Darin sind sich die Experten einig. Das Problem des Mangels ist also komplexer - viele Faktoren spielen eine Rolle.

Zwar behaupten einige, Frauen wollten lieber keine Großtiere - also Kühe, Schweine und Schafe – behandeln, hätten eher nicht die Körperkraft dafür und wollten weder Stallgeruch noch -dreck an sich haben.

Im Abendschau-Beitrag sagte etwa die Kleintierärztin Dagmar Moder, Siegfried Moders Frau, die physischen Anforderungen im Umgang mit Nutztieren schreckten Frauen ab: der Geruch, das Schubsen der Rinder. "Da braucht man schon die entsprechende Statur." Das rief nicht nur auf Facebook Kritik hervor - schließlich arbeiteten auf den Höfen auch Bäuerinnen mit den Tieren.

"Frauen für den Beruf genauso geeignet wie Männer"

Auch Iris Fuchs - wie auch andere Funktionäre und Praktiker - sieht das anders. Die Vizepräsidentin und Frauenbeauftragte der Bayerischen Landestierärztekammer hält Frauen für genauso geeignet wie Männer für den Beruf. "Wir haben sehr taffe Frauen", sagte sie gegenüber BR24. "Der Duft ist nicht das Problem, es gibt Hygienekleidung - und auch der Amtstierarzt riecht nach seiner Arbeit." Zwar könne eine schwangere Ärztin nicht in den Stall - aber dann könnten Vertretungen einspringen. Wenn es sie denn gibt.

Hier liegt aus Sicht von Fuchs ein Grund des Landtierarzt-Mangels: unzureichende Organisation in Praxen und fehlende Infrastruktur auf dem Land. Denn die Bedürfnisse junger Menschen seien heute andere als früher. Viele Experten – darunter bpt-Präsident Moder – sind sich einig, dass es schwierig ist, junge Leute zum Arbeiten in strukturschwachen ländlichen Regionen zu gewinnen.

"Die Einzelkämpfer-Nutztierpraxis auf dem Land schaffe ich als Frau mit Familie nicht", sagte Fuchs. Wichtig sei, dass es Internet, Kinderkrippe und Kindergarten, Busse und ein soziales Netz gebe - und Jobmöglichkeiten für den Partner. Gleiches gilt allerdings für Männer, die mit Partnerin aufs Land ziehen wollen. Auch für sie spielt eine Rolle, welche Lebens- und Arbeitsbedingungen dort geboten sind.

Flexible Arbeitszeiten und Teilzeit notwendig

Gerade die Anforderungen für Nutztierärzte passen nicht gut zu dem, was junge Berufstätige heute erwarten. Notfälle nachts und am Wochenende sind gerade bei Rindern häufig. Der Nachwuchs bleibt also auch aus, weil junge Tierärzte geregelte Arbeitszeiten und Teilzeitbeschäftigungen vorziehen und sich eher nicht selbstständig machen wollten, wie ein Arbeitskreis der BTK kürzlich feststellte. In größeren Praxen ist es leichter, eine Vertretung zu finden. So stellte auch bpt-Präsident Moder Frauen ein - mit flexiblen Arbeitszeiten. Ein weiterer Faktor ist das Image der Nutztiermedizin. "Nicht zuletzt haben unsinnige Eingriffe während der letzten Jahre mit dazu beigetragen, dass uns der Nachwuchs ausbleibt", heißt es in den Sitzungsunterlagen der Nutztierpraktiker vom Deutschen Tierärztetag im vergangenen Jahr in Dresden.

Einen Ausweg sieht Iris Fuchs darin, dass die Universitäten ihre vorhandenen Spielräume besser ausnutzen: Nicht nur den NC zählen lassen, sondern etwa individuelle Auswahlkriterien - wo dann auch Männer punkten könnten.

Fazit

Eine Männerquote an den Unis ist nicht zulässig. Nach Einschätzung von Experten würde sie allein auch nicht zum Ziel führen. Wichtiger wären demnach bessere Arbeits- und Lebensbedingungen auf dem Land und individuelle Auswahlgespräche an den Hochschulen.

Tierarztmangel auf dem Land
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Tierarztmangel auf dem Land