Blaue Tafeln mit der Aufschrift "NUTZE DEINE STIMME", zur anstehenden Europawahl.
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Blaue Tafeln mit der Aufschrift "NUTZE DEINE STIMME", zur anstehenden Europawahl.

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Europas Grenzen: Was darf die EU?

Viele Menschen fühlen sich im Lebensbereich ihrer Regionen von der EU-Bürokratie gegängelt. Sie fragen sich: Wer ist zuständig? Europa oder die Nationalstaaten? Was darf die EU und wo sind ihre Grenzen? Eine Analyse.

Europa betrifft uns alle und Europa sind wir alle. Das war zu spüren, als die Regensburger Domspatzen im historischen Reichsaal zu Regensburg die Europahymne gesungen haben. "Alle Menschen werden Brüder", wie es im Text heißt. Dies sollte am Bayerischen Europatag die moderne Botschaft transportieren, dass die EU das verbindende Element für Europa ist. Damit sich der Kontinent gegenüber den USA und Asien behaupten kann: wirtschaftlich, die Menschenrechte achtend und – wenn es sein muss – auch wehrhaft.

Gleichzeitig aber schwelt überall in Europa die Sorge, die EU könne mit ihren Regeln und ihrer übergeordneten Macht den Kontinent überfluten und den Ländern der Gemeinschaft, sowie den Regionen, zu denen auch Bayern zählt, ihre Identität rauben. Dabei ist alles ganz klar geregelt.

Allgemeiner Grundsatz: Subsidiarität

Das Subsidiaritätsprinzip im EU-Vertrag besagt schon mal grundsätzlich, dass sich die Gemeinschaft nicht einmischen darf, wenn eine Angelegenheit national, regional oder lokal geregelt werden kann. Das nennt man Subsidiarität. Genauso eindeutig steht geschrieben, wo die EU alleine und ausschließlich zuständig ist. Das gilt für die Währungspolitik rund um den Euro, für die Zollunion, für Wettbewerbsregeln, für den Handel und für internationale Abkommen.

Der bayerische Europaminister Eric Beißwenger ist an diesem Europatag in Regensburg. Er sagt, die EU habe vor allem Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft. Mehr als die Hälfte aller bayerischen Exporte gehen in die Länder der EU. Das verkündet die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) alljährlich. Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sagt aber auch, "wir brauchen eine EU, die sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentriert. Mehr Europa im Großen und weniger Europa im Kleinen."

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Europatag in Regensburg

Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) spricht beim Festakt von den Sorgen und Ängsten der Menschen, die die EU vor allem als Bürokratiemonster wahrnähmen und durch das Dickicht von Vorschriften gar nicht mehr erkennen würden, dass Europa weit mehr ist als Behörden, Gesetze und Bürokratie.

Das alles sorgt auch draußen für Gespräche. An diesem sonnigen Tag in der Regensburger Altstadt. Aneinandergereiht wie Perlen präsentieren sich in der mit Kopfsteinen gepflasterten Fußgängerzone die Institutionen der EU, Verbände, Parteien und Europavereine. Drei Botschaften sind dort herauszuhören: Geht zur Wahl, denn Europa betrifft uns alle. Die EU-Gemeinschaft steht für Demokratie und Freiheit. Aber die EU hat auch ihre Grenzen.

Bis hierher und nicht weiter

Es gibt laut EU-Vertrag auch geteilte Zuständigkeiten: die Sozialpolitik zum Beispiel, Umwelt, Verbraucherschutz, Verkehr, sowie Landwirtschaft und Forsten. Bei diesen Themen teilt sich die EU die Verantwortung mit den Mitgliedsstaaten. Das macht die Sache nicht einfacher. "Das haben sie im Sommer bei den Bauernprotesten gemerkt", sagt Bayerns Europaminister Eric Beißwenger.

"Auslöser war die Steuergesetzgebung beim Diesel. Aber dann gab es einen Flächenbrand in Europa. Das war ein Zeichen, wo man gesehen hat, bis hierher und nicht weiter. Wenn mehr als die Hälfte der Gesetzgebung zu Landwirtschaft und Umwelt aus Brüssel kommt, dann ist das zu viel. Und dann müssen wir einfach wieder klarmachen, dass in der Region entschieden werden muss, was man in der Region entscheiden kann." Eric Beißwenger (CSU), Bayerischer Europaminister

Wo die EU nur ganz wenig zu sagen hat

Es gibt auch Politikfelder, bei denen der EU-Vertrag nur unterstützende Tätigkeit zulässt. Dazu gehören unter anderem der Tourismus, der Katastrophenschutz, die Kultur und der Gesundheitsschutz. Letzteres wurde in der Corona-Pandemie deutlich. Die EU musste zunächst hilflos zusehen, wie die Nationalstaaten, die Regionen und als letztes Glied in der Kette die Kommunen irgendwie versucht haben, mit dieser Jahrhundertkatastrophe fertig zu werden.

"Aber dann hatten wir eine Ausnahmesituation", sagt der Leiter der Regionalvertretung der EU-Kommission in München, Wolfgang Büchel. "Plötzlich war es notwendig, auf europäischer Ebene zu handeln. Da haben die Mitgliedstaaten dann zusammen mit der Europäischen Kommission bei der Beschaffung von Impfstoffen geholfen. Ganz ähnlich beim digitalen europäischen Covid-Zertifikat für die Reisenden."

"Lebendiger Prozess"

Wolfgang Büchel ist an diesem Europatag ebenfalls im historischen Reichssaal von Regensburg. Von einem Machtkampf zwischen EU-Kommission und den regionalen Interessen will er allerdings nichts wissen. Klar sei aber auch, dass das mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten ein lebendiger Prozess sei. "Wir können heute nicht vorhersehen", sagt Büchel, "ob wir in 10 oder 20 Jahren in bestimmten Politikfeldern mehr oder weniger Europa haben werden."

Auch an der Bildungspolitik entzünden sich immer wieder Diskussionen. In Deutschland ist Bildungspolitik Sache der Bundesländer. Schon da gibt es immer wieder Gerangel mit der Bundesregierung. Es gibt aber auch den Blick in die europäischen Nachbarländer. Da ist die EU dann ganz schnell nicht mehr Abgrenzung, sondern eine Gemeinschaft, in der intensiver Austausch gegenseitiges Lernen ermöglicht und am Ende zu besseren Ergebnissen führt.

Wolfgang Büchel von der EU-Kommission bringt dann noch seine Chefin ins Spiel. Präsidentin Ursula von der Leyen habe sich neulich zum Zukunftsthema "Kernfusion" mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) getroffen. Und bei diesem Termin sei wieder einmal klar geworden, dass das Zusammenspiel von Regionen, Nationalstaat und EU mehr Erfolg verspreche, als wenn alle nur misstrauisch ihr eigenes Süppchen kochten.

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