Das Europaparlament in Brüssel.
Bildrechte: European Union 2021 - Source : EP / Alain Rolland

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Europaparlament fordert Aussetzung von Impfstoff-Patenten

Die weltweite Versorgung mit Corona-Vakzinen soll verbessert werden – aber wie? Nun fordert auch das Europaparlament Verhandlungen über die Aussetzung von Patenten. Ein Streit zwischen Politik und Industrie, der am Wochenende auch die G7 beschäftigt.

Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben sich mehrheitlich für die Aussetzung von Impfstoff-Patenten ausgesprochen. Mit 355 zu 263 Stimmen bei 71 Enthaltungen votierte eine knappe Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen über die vorübergehende Außerkraftsetzung des sogenannten "TRIPS-Abkommens".

Dieses Abkommen regelt zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) den Schutz geistigen Eigentums, dazu zählen auch Markenrechte oder Urheberrechte. Zudem soll es sicherstellen, dass diese Rechte den internationalen Handel nicht zu sehr einschränken.

Weltweite Versorgung soll verbessert werden

Die Aussetzung der Patente sei aus Sicht der Abgeordneten notwendig, um den weltweiten Zugang zu erschwinglichen Impfstoffen zu verbessern. Globalen Produktionseinschränkungen und Versorgungsengpässen könne so entgegengewirkt werden.

Entscheidend seien freiwillige Lizenzvereinbarungen und der freiwillige Transfer von Wissen und Technologie in Länder, die bereits über die passende Infrastruktur zur Herstellung von Impfstoffen verfügen. Aus Sicht der Abgeordneten könne nur so die weltweite Impfstoffproduktion langfristig ausgeweitet werden.

Abgeordnete fordern Aufhebung der Ausfuhrverbote – auch von der EU

Das Parlament fordert außerdem die Aufhebung von Ausfuhrverboten von Impfstoffen und Rohstoffen, die zu deren Herstellung benötigt werden. Mit dieser Forderung richten sich die Parlamentarier nicht nur an die USA und das Vereinigte Königreich – sondern auch an die EU selbst: Ausfuhrbeschränkungen seien rasch zu beseitigen, es müsse mehr Transparenz geschaffen werden.

Ausbau von COVAX soll ärmeren Ländern helfen

Weil nach wie vor ein Großteil der hergestellten Impfstoffdosen in wohlhabenden Ländern – Industrienationen und Ländern mit eigener Impfstoffproduktion – verabreicht werden, müsse außerdem der Verteilungsmechanismus COVAX ausgebaut werden. Damit sollen einkommensschwache Länder gezielt unterstützt werden. Weniger als ein Prozent aller Impfstoffdosen ging an die 29 ärmsten Länder. Deswegen sei auch ein Ausbau der Produktion in Afrika erforderlich.

Entscheidung über Impfstoff-Patente liegt bei der WTO

Der Verzicht auf Rechte des geistigen Eigentums kann nur durch ein Gremium der Welthandelsorganisation getroffen werden. Dort hatte die EU-Kommission bereits einen Vorschlag zur Verbesserung der Impfstoffversorgung eingereicht, dieser enthielt allerdings keine Aussetzung von Patenten.

Pharmaindustrie fürchtet Zäsur

Vertreter der Pharmaindustrie sprechen sich ebenfalls gegen eine solche Aussetzung aus. Weil sich die Herstellung nicht nur um Lizenzen dreht, sondern auch um Produktionsstätten und Lieferketten, könne die Versorgungslage mit Impfstoffen nicht kurzfristig erhöht werden. Zudem seien langfristige, negative Folgen für den gesamten Industriezweig nicht auszuschließen – denn mit dem Wegfall des Patentschutzes gingen auch Anreize für Wissenschaft und Forschung verloren.

Impfstoff-Patente beschäftigen auch die G7-Länder

Der Streit über die Impfstoff-Patente wird auch auf dem G7-Gipfel im englischen Cornwall Thema sein. Die USA sprechen sich für eine Aussetzung der Patente aus, Deutschland und Frankreich hielten bislang dagegen.

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