EU-Staaten einigen sich auf Asylkompromiss (Symbolbild)
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EU-Staaten einigen sich auf Asylkompromiss

Im Streit um die europäische Asylreform haben sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Die Mitgliedsländer machten den Weg für die Krisenverordnung zur Eindämmung illegaler Migration frei, die als entscheidender Baustein der Reform gilt.

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Die EU-Staaten haben sich mehrheitlich auf einen Krisenmechanismus zur Eindämmung illegaler Migration nach Europa verständigt. Das teilte die amtierende spanische EU-Ratspräsidentschaft via Nachrichtenplattform X mit. Damit ist der Weg frei für weitere Verhandlungen der Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Parlament über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems GEAS.

Krisenverordnung ist zentrales Element der Asylreform

Die sogenannte Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform. Mit dem Krisenmechanismus sollen von Migration besonders betroffene EU-Staaten wie etwa Italien vorübergehend mehr Menschen in die sogenannten Grenzverfahren schicken können als sonst vorgesehen. Andererseits sollen die betroffenen Länder die Menschen auch ohne größere Hürden weiter in andere EU-Staaten leiten können.

Der Krisenmechanismus ist Teil des GEAS, das vorsieht, dass Menschen mit geringen Bleibechancen direkt an der EU-Außengrenze einem beschleunigten Asylverfahren unterzogen und bei Ablehnung direkt abgewiesen werden.

Streit zwischen Berlin und Rom geklärt

Dass über die Pläne für den Krisenmechanismus wochenlang keine Einigung erzielt werden konnte, hatte insbesondere an humanitären Bedenken der Bundesregierung gelegen. Nachdem der Druck von Partnerländern gestiegen war, gab Berlin allerdings in der vergangenen Woche den Widerstand auf, nachdem es kleinere Zugeständnisse gegeben hatte.

Zuletzt sperrte sich dann noch Italien, das nun aber ebenfalls im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten einem Kompromiss zustimmte. Dabei hat sich nun Italien offenbar weitgehend durchgesetzt: Auf Drängen der ultrarechten Regierung in Rom wurde nach Diplomatenangaben ein Absatz aus dem Gesetzestext genommen, der sich auf die Einsätze der Seenotretter bezog. Er besagte, dass die Folgen dieser Rettungseinsätze nicht für die Feststellung des Krisenfalls herhalten dürften. Der Absatz steht nun nur noch als Zusatzklausel in dem Entwurf.

Bundesregierung fürchtete um Schutzstandards

In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung damit erklärt, dass EU-Staaten das Regelwerk nutzen könnten, um Schutzstandards für Migranten auf ein zweifelhaft niedriges Niveau abzusenken. Letztlich konnte sie aber nur noch wenige Verbesserungen durchsetzen. Nach Angaben aus Regierungskreisen hatte am Mittwoch vergangener Woche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) informell von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat und angeordnet, den Widerstand gegen die Krisenverordnung aufzugeben.

Politiker begrüßen Einigung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock begrüßte die Einigung und betonte: "Wir haben in Brüssel bis zur letzten Minute hart und erfolgreich darum gerungen, dass es nicht zu einer Aufweichung von humanitären Mindeststandards wie dem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung kommt." Die Regelungen für das Feststellen einer Krise könnten zudem "nur in sehr stichhaltig begründeten Fällen überhaupt gezogen werden".

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich erfreut über die Verständigung der EU-Staaten. Das sei ein echter "Gamechanger", teilte von der Leyen auf der Plattform X mit. Nun sei es möglich, noch in dieser Legislaturperiode, also vor der Europawahl im Juni 2024, eine Lösung zu präsentieren.

Europaparlament soll zügig entscheiden

Nach der Einigung auf Ebene der Regierungen der EU-Staaten soll nun schnellstmöglich auch mit dem Europaparlament eine Verständigung über das Reformprojekt erzielt werden. Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.

Härtere Regelungen geplant

Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform unter anderem einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Mit Informationen von AFP und dpa

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