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Fahnen wehen vor dem EU-Hauptquartier

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EU-Sondertreffen zu Flüchtlingsstreit startet

Noch nie zuvor schien das Schicksal der deutschen Kanzlerin so eng verwoben mit dem der EU wie gerade jetzt: Beide gleichzeitig stehen unter gewaltigem Druck. Von Kai Küstner

So viel stand selten auf dem Spiel bei einer EU-Krisensitzung: Es ist der Beginn einer Schicksalswoche für die deutsche Kanzlerin, aber auch für die Europäische Union als Ganzes. Ohne eine ebenso zügige wie europäische Lösung des Flüchtlingsstreits droht der Zusammenbuch der Koalitionsregierung hierzulande ebenso wie das Ende des Schengen-Systems offener Grenzen in der EU.

"Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für nationalen Kummer, jetzt ist der Zeitpunkt für einen europäischen Ansatz."

Jean-Claude Juncker

Mahnte Kommissionschef Juncker, der zu dem Sondertreffen eingeladen hatte. Bei dem es für die deutsche Kanzlerin in erster Linie darum gehen dürfte, Abkommen mit anderen EU-Staaten zu schmieden – und zwar genau jenes Thema betreffend, um das der Streit zwischen CDU und CSU tobt.

CSU will Grenzschließungen notfalls im Alleingang

Ziel beider ist die schnellere Rückführung von Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind. Nur will die bayrische Schwesterpartei dies notfalls im Alleingang mit Grenzschließungen erreichen:

"Bei allem was wir tun, so unsere Überzeugung in der CDU, müssen wir deutsche und europäische Interessen gemeinsam vertreten."

Angela Merkel

Wird Kanzlerin Merkel nicht müde zu betonen. Doch das Verlangen, mit Deutschland zügige Vereinbarungen zu treffen, ist – milde ausgedrückt – bei den anderen begrenzt.

Italien will keine Flüchtlinge zurücknehmen

Das von Rechtspopulisten regierte Italien hat bereits angekündigt, keinen einzigen Flüchtling zurück zu nehmen. Und drohte zwischendurch gar, den Gipfel vor dem Gipfel ganz platzen zu lassen.

"Wenn wir keinen Ausweg finden, begeben wir uns in eine Phase gigantischer Probleme, die das europäische Projekt insgesamt untergraben könnten."

Dimitris Avramopoulos

Warnte der für Migration zuständige EU-Kommissar Avramopoulos. Mehr als die Hälfte der EU-Staaten, nämlich 16, hatten für das ursprünglich als ‚Minigipfel‘ geplante Treffen zugesagt. Demonstrativ abwesend sind jedoch Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei – die sogenannten Visegrad-Staaten, die einen europäischen Kompromiss seit Monaten mit ihrer Weigerung unmöglich machen, sich auf eine Flüchtlings-Verteilung einzulassen.

Wirtschaftsmigranten oder Schutzbedürftige?

Doch nun kursieren neue Vorschläge, die durchaus auch dafür gedacht sein dürften, die Vertreter einer harten EU-Linie zu gewinnen: Der französische Staatspräsident Macron warb gestern dafür, in Europa ankommende Geflohene in ‚geschlossenen Zentren‘ unterzubringen und dann zügig zu ermitteln, ob es sich um Wirtschaftsmigranten oder Schutzbedürftige handelt:

"Es geht darum, Nicht-Asylberechtigte schnell zurück zu schicken. Und die Aufnahme der anderen untereinander aufzuteilen."

Emmanuel Macron

Der Vorschlag ähnelt jenem, den EU-Ratspräsident Tusk in die vorbereitete Abschluss-Erklärung für das eigentliche Gipfel-Treffen Ende der Woche schreiben ließ: Nur dass Tusk für Auffanglager außerhalb des EU-Gebiets – also etwa in Nordafrika oder dem Balkan - warb. Macron kann sich die auch in EU-Staaten selbst vorstellen. Doch noch sind viele Fragen ungeklärt – rechtliche wie praktische.

Jede Menge Ungewissheit

Und selbst wenn man hier Einigung erzielt: Der Vorschlag vermag den EU-internen Streit beim Thema Migration vielleicht zu übertünchen, ihn auszuräumen, dürfte so schnell kaum gelingen. Merkels und Europas Schicksalswoche beginnt mit jeder Menge Ungewissheit.