Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm vom Atomkraftwerk (AKW) Isar 2.
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Atomkraftwerk Isar 2

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Bundestag stimmt für Laufzeitverlängerung deutscher AKW

Es ist der vorläufige Schlusspunkt unter einen heftigen Streit in der Ampel. Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke sollen über das Jahresende hinaus am Netz bleiben – aber nur bis Mitte April. Der Bundestag stimmte der Laufzeitverlängerung zu.

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Der Bundestag hat den Weg freigemacht für den Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken bis zum 15. April des kommenden Jahres. Angesichts der Energiekrise beschloss das Parlament in Berlin entsprechende Änderungen im Atomgesetz.

Statt Ende des Jahres abgeschaltet zu werden, sollen die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis Mitte April weiterlaufen. 375 stimmten mit Ja. Es gab 216 Nein-Stimmen und 70 Enthaltungen.

Keine neuen Brennstäbe - Es bleibt beim Ausstieg

Für den Weiterbetrieb sollen keine neuen Brennstäbe beschafft werden. Es bleibe beim Atomausstieg, betonten insbesondere Vertreter von Grünen und SPD. Im Atomstreit hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach wochenlangem Streit zwischen zwischen Grünen und FDP die Karte der Richtlinienkompetenz gezogen.

Die Unionsfraktion hatte einen Antrag eingebracht, die Laufzeiten der Atomkraftwerke noch bis mindestens 31. Dezember 2024 zu verlängern. Auch die AfD forderte den Kauf neuer Brennstäbe, um die Laufzeit der drei Kraftwerke um mindestens zwei Jahre zu verlängern.

Klöckner: Energiepolitische "Blauäugigkeit"

Vor der Abstimmung gab es noch einmal eine lebhafte Debatte. Für die Opposition hielt die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner der Bundesregierung energiepolitische Blauäugigkeit vor. Man könne nicht davon ausgehen, dass sich die Probleme bei der Versorgung am 15. April nächsten Jahres einfach erledigt haben werden. Deshalb seien eine längere Laufzeit bis Ende nächsten Jahres und die Beschaffung neuer Brennelemente sinnvoll. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Bilger warf der Regierung vor, den Mehrheitswillen der Bevölkerung zu ignorieren. Der CSU-Parlamentarier Andreas Lenz warf insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Fehlinformationen in der Debatte vor.

AfD spricht von "irrer Sanktionspolitik"

Thomas Ehrhorn von der AfD erklärte, die Grünen hätten schon lange geplant, die günstigen russischen Gaslieferungen zu sabotieren. Nicht Russland habe künstlich eine Preisknappheit geschaffen, sondern die Regierung. Er sprach von einer "irren Sanktionspolitik". Deutschland sei auf dem Weg "in die Zerstörung unserer Industrienation".

Die SPD-Abgeordnete Nina Scheer wies die Kritik zurück. Die guten Gründe gegen Atomenergie hätten sich nicht geändert. Der SPD-Abgeordnete Carsten Träger sagte mit Blick auf den 15. April: "Ich werde an diesem Tag meine Kinder und meine Frau umarmen und mit einem Glas Sekt anstoßen." Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Christian Kühn (Grüne), sprach mit Blick auf 16 Jahre unionsgeführter Bundesregierungen von einem "energiepolitischen Fiasko". Einige Grünen-Abgeordnete hatten vor der Schluss-Abstimmung deutlich gemacht, dass sie der Verlängerung nicht zustimmen wollen.

FDP: Entscheidung der Vernunft

Carina Konrad von der FDP verteidigte den Beschluss als Entscheidung der Vernunft. Es sei kein "Selbstzweck der Ampel". Es gehe darum, die Stromversorgung im Winter zu sichern. Sie regte aber auch an, sich Gedanken über die Förderung von Schiefergas in Deutschland zu machen. Ihr Fraktionskollege Lukas Köhler sagte, es stelle sich die Frage, wie es 2023/24 weitergehe, aber da sei die Antwort nun Kohle und Gas.

Der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert warnte insbesondere vor den Risiken der Atomkraft. "Menschliches Versagen beim Betrieb ist immer möglich, siehe Tschernobyl." Auch Naturkatastrophen und Materialversagen seien möglich. Seine Fraktion fordere eine Verstaatlichung der Übertragungsnetze und staatliches Geld zur Stabilisierung der Strompreise. Das größte Risiko für die Stromversorgung gehe von Spekulationen mit Strom aus.

Lemke: Atomausstieg ist Sicherheitsgewinn

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte, der Atomausstieg sei "ganz klar ein Sicherheitsgewinn". Dies gelte "aktuell umso mehr, als wir zum ersten Mal erleben, dass ein Staat nicht davor zurückschreckt, Atomkraftwerke militärisch anzugreifen und zu beschießen. In einer Krise wie dieser können uns Hochrisikoanlagen wie diese noch verwundbarer machen."

Die Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke sei ein wesentlicher, aber nicht der letzte Schritt beim Atomausstieg, betonte Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). "Der Atomausstieg ist erst vollendet, wenn alle Atomanlagen beseitigt und deren gefährliche Hinterlassenschaften im tiefen Untergrund dauerhaft sicher gelagert sind." Derzeit befinden sich die hochradioaktiven Abfälle in 16 Zwischenlagern in Deutschland. Die Suche nach einem Endlager, wo die Abfälle dauerhaft sicher gelagert werden können, läuft seit 2017.

Im letzten Schritt ist nun noch der Bundesrat am Zug, der sich in seiner Sitzung am 25. November mit dem Vorhaben befassen könnte. Dass die Länderkammer die Pläne noch zu Fall bringt, ist aber sehr unwahrscheinlich.

Die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und der Reaktor Emsland bleiben bis zum 15. April nächsten Jahres am Netz.
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Die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und der Reaktor Emsland bleiben bis zum 15. April nächsten Jahres am Netz.

AKW-Betreiber meldet Rekord-Stromerzeugung

Während über die Laufzeitverlängerung diskutiert wird, meldet die Betreiberfirma des Atomkraftwerks Isar 2 bei Landshut einen Rekord. Wie Preussen Elektra mitteilt, habe das niederbayerische Kraftwerk am Freitagabend die Marke von 400 Milliarden Kilowattstunden erzeugten Stroms überschritten. Damit sei das KKI 2 weltweit das zweite Kernkraftwerk, das diesen Rekord erreichte.

In den knapp 34 Jahren seines Betriebs ersparte Isar 2 der Umwelt 400 Millionen Tonnen CO2, die bei einer Verstromung durch Kohle- und Gaskraftwerke stattdessen entstanden wären, rechnet der Konzern vor. Das AKW nahe Landshut sei eine "Anlage auf internationalem Spitzenniveau und kann auch heute noch weltweit mithalten". Kritiker hatten im Vorfeld des Stresstests vom "teuersten Strom aller Zeiten" gesprochen und Sicherheitsbedenken angemahnt.

Mit Informationen von epd, dpa, AFP

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