Archivbild: Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Ende April bei einem Pressestatement.
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Archivbild: Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Ende April bei einem Pressestatement.

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Auftrittsverbot und AfD-Vorstands-Aus: Die Folgen des Fall Krah

Eine Aussage über die SS brachte das Fass offenbar zum Überlaufen: Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, zieht sich aus dem Parteivorstand zurück und soll im Wahlkampf nicht mehr auftreten. Was der Vorgang für die AfD bedeutet.

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Die Parteispitze der AfD hat sich einmal mehr mit Maximilian Krah beschäftigen müssen. Der Spitzenkandidat für die Europawahl war bereits vor knapp vier Wochen in die Schlagzeilen geraten, weil einer seiner Mitarbeiter unter Spionage-Verdacht steht und verhaftet wurde. Nun sorgte ein Interview für Konsequenzen.

Vergangene Woche hatte Krah bereits verkündet, nicht noch einmal für den Parteivorstand kandidieren zu wollen. Nun erklärte er, mit sofortiger Wirkung aus dem Gremium zurückzutreten. Auf "X" schrieb Krah: "Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden." Das Letzte, was die Partei brauche, sei eine Debatte um ihn, so Krah. Von der Parteispitze gab es zudem ein Auftrittsverbot im Wahlkampf für Krah.

Krah über SS: "Nicht alle waren kriminell"

Was war passiert? Auslöser der Entscheidung am Mittwoch war ein Interview Krahs mit der italienischen Tageszeitung "La Repubblica". Darin sagte Krah: "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war." Die Zeitung fragte Krah, ob SS-Soldaten Kriegsverbrecher gewesen seien - der AfD-Politiker antwortete. "Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell."

Rassemblement National kündigt Zusammenarbeit auf

Daraufhin gab die rechtspopulistische französische Partei Rassemblement National (RN) bekannt, nicht mehr wie bisher mit der AfD in einer Fraktion im Europaparlament zusammenarbeiten zu wollen. RN-Parteichef Jordan Bardella sagte dem Sender TF1: "Ich denke, dass die AfD, mit der wir im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien überschritten hat, die für mich rote Linien sind."

Der RN werde sich nach der Wahl neue Partner suchen, hieß es weiter. Schon beim Bekanntwerden der sogenannten Potsdamer Konferenz, bei der unter anderem AfD-Mitglieder über massenhafte Ausweisungen von Menschen gesprochen haben sollen, gingen die französischen Rechtspopulisten auf Distanz zur AfD.

Der RN wolle sich bürgerlicher geben, sagt Politikwissenschaftler Sven Leunig von der Universität Jena im Gespräch mit dem BR. "Viele Äußerungen, die von der AfD kommen, stören den RN und insbesondere Marine Le Pen [prominente RN-Politikerin, Anm. d. Red.] sehr stark." Dies sei auch keine neue Entwicklung, hier habe sich etwas aufgestaut. "Die Mitglieder der SS nicht als Verbrecher zu bezeichnen, obwohl die Organisation in den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg als verbrecherische Organisation eingestuft wurde und in Frankreich und Italien schreckliche Verbrechen begangen hat - das hat das Fass zum Überlaufen gebracht", sagte Leunig.

Was ein Fraktionsende im EU-Parlament für die AfD bedeuten würde

Für die AfD hätte es gravierende Folgen, sollte sie nicht mehr Teil einer Fraktion nach der Europawahl im Juni sein. Zum einen geht es um Sichtbarkeit und Einfluss, wie Leunig erklärt. "Für die eigenen Projekte, die eigenen Anträge hat man in der Regel eine größere Gruppe hinter sich, wenn man als Fraktion auftritt." Zudem habe es auch finanzielle Folgen, sollte die AfD nicht mehr Teil einer Fraktion sein, weil diese anders gefördert werden. Sollte die AfD nach der Wahl allein dastehen, wäre dies für die Partei "eine Katastrophe", so Leunig.

Der Politikwissenschaftler hält es aber für möglich, dass der RN und die italienische Lega ihre Haltung noch einmal überdenken. "Es kann durchaus sein, dass die sich doch noch einmal anders entscheiden, weil sie die Abgeordneten der AfD ihrerseits brauchen, um den Fraktionsstatus herzustellen." Zudem gebe es die Möglichkeit, dass die Gruppe der AfD nach der Wahl versucht, Krah auszuschließen.

Warum die Partei Krah nicht mehr austauschen kann

Aber vorher steht erst einmal die Wahl an und zweieinhalb Wochen davor sehen viele Beobachter die Partei in einer Krise. Austauschen kann sie Krah als Spitzenkandidat nicht mehr. "Das ist schlicht aus rechtlichen Gründen nicht möglich", erklärt Leunig. "Die Kandidaturen werden auf Veranstaltungen der Partei zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt und dann weitergemeldet an die entsprechenden Kommissionen." Der Wahlvorgang müsste wiederholt werden und das sei in Anbetracht der geltenden Fristen so kurz vor der Wahl unmöglich. Die einzige Möglichkeit, die es laut Leunig gebe: Krah müsse von sich aus zurückziehen.

Reaktionen auf Krah: "Kannste dir nicht ausdenken"

Die Forderungen danach gibt es bereits aus anderen Parteien. "Wer Nazi-Verbrechen relativiert, hat in einem demokratischen Parlament nichts zu suchen", sagt beispielsweise CSU-Generalsekretär Martin Huber gegenüber der dpa. Er fordert Krah zum Verzicht auf seinen Sitz im Europaparlament auf.

Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann schreibt auf "X", Krah "im Wahlkampf verstecken zu wollen, wird nicht darüber hinwegtäuschen, welche Leute für die AfD ins Europaparlament einziehen sollen." Mit Krah und Petr Bystron, der auf Listenplatz zwei der AfD und unter Bestechlichkeits- und Geldwäsche-Verdacht steht, zeige die AfD ihr wahres Gesicht. Bystron kündigte im Laufe des Nachmittags an, ebenfalls nicht mehr im Wahlkampf aufzutreten.

Der bayerische FDP-Chef Martin Hagen schreibt auf "X" von "Chaostagen" bei der AfD. Die Vorgänge um Krah und Bystron kommentiert er mit einem: "Kannste dir nicht ausdenken!"

Unterstützung erhielten Krah und Bystron vom bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Rene Dierkes. Der erklärt auf "X", dass er bei der Europawahl die AfD wegen der beiden Kandidaten wählen werde - und nicht trotz ihnen. Und weiter: "Lieber Max, lieber Petr, ich stehe an eurer Seite." Aus dem hessischen AfD-Landesverband soll dagegen gefordert worden sein, Krah und Bystron die Mitgliedsrechte zu entziehen, wie die "Welt" berichtet.

Folgen für die AfD? Wähler könnten ins "Nachdenken" kommen

Die Parteispitze hat auf den neuerlichen Eklat um Krah nun deutlich reagiert. "Die möchten nicht in den Strudel der Skandale von Herrn Krah hineingezogen werden", erläutert Politikwissenschaftler Leunig im Interview. Die Lage für die Partei sei "dramatisch", wenn andere rechtspopulistische Parteien in Europa die Zusammenarbeit aufkündigen.

Leunig glaubt, dass der Fall Krah Folgen für die AfD haben könnte. Die Partei könne nicht die Erzählung bringen, dass es sich lediglich um eine Medienkampagne handle. "Das sind ja Äußerungen, die getätigt worden sind, die ja auch nicht bestritten werden von Herrn Krah", so Leunig. Er glaubt, "dass Menschen, die eher konservativ sind, die eher unzufrieden sind, aber nicht voll überzeugte Anhänger der AfD, dass die durch die Häufung der Fälle ins Nachdenken kommen."

Im Video: Rechtsextremismusforscher zu Entwicklungen bei AfD

Rechtsextremismusforscher Steffen Kailitz ordnet im BR24-Interview die aktuellen Entwicklungen bei der AfD ein.
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Rechtsextremismusforscher Steffen Kailitz ordnet im BR24-Interview die aktuellen Entwicklungen bei der AfD ein.

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