Zwei Frauen gehen an zerstörten Gebäuden in Borodjanka vorbei.
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Zwei Frauen gehen an zerstörten Gebäuden in Borodjanka vorbei (Archivfoto).

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100 Tage Russland-Ukraine-Krieg: Gleichgewicht verschiebt sich

Seit 100 Tagen tobt der Russland-Ukraine-Krieg: Moskaus Strategie hat sich geändert, ebenso gab es im Gleichgewicht zwischen den Ländern Verschiebungen - sagt die Politikwissenschaftlerin Ulrike Franke über die aktuelle Lage.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Seit Beginn des Kriegs stemmen sich die ukrainischen Truppen gegen die Angriffe Russlands. "Es ist wirklich beeindruckend, wie die Ukraine es geschafft hat, sich gegen diese russische Invasion zu verteidigen in den letzten 100 Tagen", hält Ulrike Franke, Politikwissenschaftlerin am European Council on Foreign Relations, in einem BR24live-Gespräch fest.

  • Zum Artikel: "Konflikt im Wandel: 100 Tage Krieg in der Ukraine"

Das BR24live zu 100 Tagen Ukraine-Krieg zum Nachschauen

BR24live: 100 Tage Ukraine-Krieg
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BR24live: 100 Tage Ukraine-Krieg

100 Tage Ukraine-Krieg: Expertin sieht Verschiebung des Gleichgewichts

Sie führt dies auf verschiedene Gründe zurück: Zum einen spricht sie vom "Nebel des Krieges", also dass es im Vorhinein schwierig sei, zu sagen, wer am Ende siegen werde. Denn dies hänge nicht nur von der Zahl an Panzern und Soldaten ab, sondern auch von weniger messbaren Dingen wie der Kampfmoral. "Wir haben gesehen, dass die Ukrainer eine ganz andere Motivation haben und gleichzeitig haben wir gesehen, dass die Russen sehr schlecht vorbereitet schienen", analysiert Franke. Russische Truppen hätten vor Ort eine andere Situation erwartet und "waren sehr unflexibel, sind weiterhin sehr unflexibel".

Auch Waffen aus dem Westen hätten die Situation verändert. Russland ist zwar ein großes Land mit vielen Streitkräften, aber: "Denen gehen auch gewisse Waffen aus, und da kommt nichts nach, auch aufgrund der Sanktionen. Und gleichzeitig haben wir in der Ukraine die gegenteilige Situation: Kleine Streitkräfte, aber die Unterstützung des Westens, Waffen werden nachgeliefert." Da würden sich die Gleichgewichte verschieben, meint Politikwissenschaftlerin Franke.

Strategiewechsel im Ukraine-Krieg: Russlands Fokus auf den Osten und Süden

Verschoben hat sich auch der Blickwinkel Russlands: Im strategischen Fokus steht seit Mitte April der Donbass im Osten der Ukraine sowie der Süden. Die Kämpfe Russlands konzentrierten sich derzeit darauf, eine Landbrücke zur Krim herzustellen, erklärt Franke mit Bezug auf die 2014 von Russland völkerrechtswidrig besetzte und annektierte Halbinsel. Außerdem habe Russland mit der Kontrolle über die Hafenstadt Mariupol und angrenzender Gebiete "eine wahnsinnige Kontrolle über das Schwarze Meer beziehungsweise die Asowsche See".

In den vergangenen 100 Tagen war zudem auch immer wieder Thema, ob die Ukraine den Krieg gewinnen kann - und welche Bedeutung ein Sieg Russlands hätte. Wie ein solcher Sieg aussehen würde, ist bei der Beurteilung von entscheidender Bedeutung. Politikwissenschaftlerin Franke glaubt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin der russischen Bevölkerung letztendlich alles irgendwie als Sieg "verkaufen" könne.

Wenn Russland nicht eindeutig verliere, besteht laut der Expertin die Gefahr, dass das Sicherheitsbündnis Nato sowie Europa nachhaltig geschwächt werden könnten. "Wenn Russland, wenn Putin siegreich aus dieser Geschichte herauskommt, dann hat sich gezeigt, dass die sicherheitspolitische Architektur Europas fundamental unterminiert wurde." Eventuell würde Russland dann in einigen Jahren auch wieder in der Ukraine angreifen, glaubt Franke.

Mehrfachraketenwerfer für die Ukraine - "Die Eskalation kommt aus Russland"

Derweil haben die USA ein neues Waffenpaket angekündigt - nach Angaben des Verteidigungsministeriums umfasst es unter anderem vier Himars-Mehrfachraketenwerfer. Kritiker von schweren Waffenlieferungen warnen unterdessen vor einem weiteren Eskalationspotenzial. "Die Eskalation kommt aus Russland und nicht aus dem Westen. Diese Waffenlieferungen sehe ich jetzt nicht als per se gefährlich, was Eskalation angeht. Aber wir werden weiterhin ein Auge darauf halten müssen", sagt hingegen Franke dazu.

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