Wie ukrainische Kita-Kinder in Bayern betreut werden
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Wie ukrainische Kita-Kinder in Bayern betreut werden

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Wie ukrainische Kita-Kinder in Bayern betreut werden

Mehr als 10.000 ukrainische Kinder im Kita-Alter sind mittlerweile in Bayern angekommen. Gleichzeitig fehlt es in den Kindertagesstätten an Räumlichkeiten und an Personal. Ein Dilemma, das angesichts des aktuellen Bedarfs stärker sichtbar wird.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Morgenrunde in einem Kindergarten der AWO in Frickenhausen im Landkreis Würzburg. Die Kinder sitzen im Kreis am Boden und singen ihr Begrüßungslied: "Ich bin da und du bist da. Die Julia ist da und die Ella ist da..." Die Namen der beiden Neuen kennen die Kinder auch schon: "Der Vlad ist da und der Tamirlan ist da", singen sie. Vlad ist heute zum ersten Mal hier.

Zwei Jungs aus der Ukraine haben einen Kita-Platz bekommen

Der Vierjährige wird zur Eingewöhnung von seiner Mutter begleitet. Die beiden sind vor einem Monat vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet. Sie wohnen aktuell bei einer Familie in der unterfränkischen Gemeinde, eine gute halbe Stunde außerhalb von Würzburg. Man merkt Vlad an, dass ihn die Rituale, die vielen noch fremden Kinder, die neue Sprache ein bisschen überfordern. Der gleichaltrige Tamirlan, der schon ein paar Brocken mehr Deutsch kann, übersetzt hier und da etwas ins Ukrainische.

Mutter Daria: Gut, dass Vlad nicht alleine ist

Vlads Mutter Daria sitzt auf einem der kleinen Stühle etwas abseits der Morgenrunde. "Ich finde es gut, dass mein Sohn jetzt in den Kindergarten gehen kann. Und was natürlich toll ist, dass es hier schon einen ukrainischen Jungen gibt. Das ist sicher eine gute Erfahrung für ihn." Das macht das Ankommen für Vlad etwas leichter, da sind sich auch die Erzieherinnen sicher. Einrichtungsleiterin Iris Schweizer: "Wir haben die beiden Jungs bewusst in eine Gruppe eingeteilt, dass die sich gegenseitig unterstützen."

Prekäre Rahmenbedingungen: Personal und Räume fehlen

Denn die möglicherweise traumatisierten Kinder einzeln zu fördern – unmöglich leistbar, sagt sie. Die Gruppen seien ohnehin überbelegt, beim Personal drohen auch wegen der Pandemie andauernd Engpässe. Kurz: Die Rahmenbedingungen sind prekär. "Alle Notplätze für dieses Jahr sind ausgeschöpft", sagt Schweizer. Vlad und Tamirlan in der Bärengruppe aufzunehmen, war gerade noch so möglich.

Dass gleich zwei ukrainische Kinder in einer KiTa betreut werden, ist derzeit aber ohnehin die Ausnahme. Den großen Ansturm gebe es momentan nicht, sagt Anna Schmitt, Referentin für BayKiBig beim Fachbereich Jugend und Familie bei der AWO Unterfranken. Heißt: Bestehende Kindertageseinrichtungen würden aktuell kaum angefragt – obwohl im Freistaat mittlerweile mehr als 10.000 ukrainische Kinder im Kita-Alter angekommen sind.

  • Zum Artikel "Personalprobleme in Kitas: Ukrainerinnen sollen helfen"

Bayerisches Sozialministerium empfiehlt Brückenangebote

Ein Grund: Die meisten ukrainischen Familien sind zunächst in zentralen Notunterkünften untergekommen. Dort sollen auf Empfehlung des Bayerischen Sozialministeriums je nach Bedarf Spielgruppen eingerichtet werden. Niedrigschwellige sogenannte Brückenangebote. Der große Unterschied zu regulären Betreuungsangeboten: kein Personalschlüssel, keine Fachkraftquote, kein Bildungsauftrag und Ehrenamtliche dürfen unterstützen. Diese Spielgruppen sind etwa in Würzburg sowohl in den Notunterkünften eingerichtet, als auch in Jugendzentren oder Gemeinderäumen.

Betreute Spielgruppen sollen für alle offen sein

Anders könnten die gut 400 Kinder, die jetzt aus der Ukraine nach Würzburg geflohen sind, überhaupt nicht betreut werden. Denn auch in den kommunalen Kitas ist kein Platz mehr frei. Jetzt gehe es erstmal darum, den Menschen niedrigschwellig ein Angebot zu machen, sagt Monika Kraft, stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Jugend und Familie im Sozialreferat Würzburg. "Und zwar allen – das ist uns wichtig. Dass wir das Angebot auch an die Eltern im Stadtteil richten, die aktuell keinen Betreuungsplatz haben. Sodass wir Integration von Anfang an leben wollen."

Keine Bevorzugung, keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse

Dass ukrainische Kinder jetzt nicht vorgezogen werden können, das betont auch Anna Schmitt von der AWO Unterfranken: "Wir wollen keine Flüchtlinge erster oder zweiter Klasse schaffen." Es gebe noch zahlreiche syrische und deutsche Kinder, die auf einen Kita-Platz warten. Man wolle den Bedarf natürlich bedienen. "Wir haben aber auch eine soziale Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und gegenüber allen Kindern, die aktuell betreut werden."

Erzieherin: "Sprache lernen beim Spielerischen im Alltag"

Es ist ein Dilemma, das angesichts des aktuellen Bedarfs wieder stärker sichtbar wird. Und eigentlich wäre gerade das pädagogische Angebot in Kitas eine optimale Umgebung zur Integration, sagt Einrichtungsleiterin Iris Schweizer: "Bei uns geht es ja erstmal ums Ankommen, unterstützt schon mit einfachen Worten. Die Kinder helfen sich gegenseitig. Und oft ist es das Spielerische im Alltag, wo die Sprache gelernt wird und Integration gelingt."

Aktuell ist man noch vorsichtig, was längerfristige Angebote angeht. Zum einen, weil sich die ukrainischen Familien jederzeit woanders in Deutschland eine Bleibe suchen können. Und weil einige schon wieder den Weg in die Heimat planen.

Vlad an seinem ersten Tag im Kindergarten in Frickenhausen (Lkr. Würzburg)
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Vlad an seinem ersten Tag im Kindergarten in Frickenhausen (Lkr. Würzburg)

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