Stadtansicht Wasserburg
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Wasserburg, das Kleinod in der Innschleife, hat eine lange Geschichte.

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Wasserburger Historie: Archiv-Schätze gehen online

In Wasserburg hat das Stadtarchiv Dokumente aus über 400 Jahren gesichert und digitalisiert. Nach und nach werden sie online gestellt - im Portal "bavarikon". Urkunden, Briefen und Protokoll erzählen spannende Geschichten.

Zunftordnungen, Vorschriften, zum Beispiel wie die Bäcker Semmeln zu backen hatten, Stadtrechte, Steuereinnahmen, Rechnungen – oder 400 Jahre alte Hilferufe während des 30-jährigen Krieges an Herzog Maximilian, dessen Soldaten die Bürger drangsalieren und ausplündern: Historische Dokumente bis zum Jahr 1339 aus dem Stadtarchiv von Wasserburg lassen sich jetzt auch digital einsehen.

Jahrhunderte alte Dokumente für jeden abrufbar

Auf Bavarikon, einem Kultur-Portal des Freistaats, das die Bayerische Staatsbibliothek betreibt, können bereits über 5.000 Archivalien aus Wasserburg bewundert und studiert werden. Im Laufe der nächsten Monate folgen 4.000 weitere Dokumente, so der Plan, vor allem der gesamte Urkunden-Bestand.

Wasserburg von oben
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Wasserburg - eine der schönsten Städte Bayerns

So ist beispielsweise ein "Rathschluß" nachzulesen, das der Magistrat der Stadt am 19. Mai 1786 fasste:

"Der Monica Mayrin - verwitibte Stadtzimmermeisterin alhier - ist der Auftrag gemacht worden, dass sie in Zeit 6 Wochen ein taugliches Subjectum stellen solle, oder dieses würde ex officio geschehen, als außerdessen nur für sechs Wochen der Gulden nicht mehr abgereicht werden würd." Aus dem Stadtarchiv von Wasserburg.

Ratsprotokolle aus vielen Jahrhunderten

Es ist gar nicht so leicht zu lesen, was der Schreiber der Stadt in der alten deutschen Schrift festgehalten hat. Und was bedeutet das Ganze? Die Witwe soll sich einen Neuen suchen, und zwar flott, sonst kriegt sie ein männliches Exemplar gestellt – und natürlich geht es um den Gulden, den die Stadt sparen möchte, erklärt Archivar Matthias Haupt: "Die Zimmermeister-Witwe hat Unterstützung erhalten, sie soll sich nun wiederverheiraten, damit das Handwerk weiter ausgeübt werden kann und sie auch versorgt ist."

Das ist nur einer von vielen Tausend Beschlüssen und Versuchen, die "soziale Ordnung" in der Stadt aufrechtzuerhalten. Sie alle sind in den Ratsprotokollen über Jahrhunderte aufgezeichnet.

Dokumente waren kurz vor dem Verlust

Insgesamt werden 900.000 Seiten Geschichte von 1339 bis 1800 online sein. Darunter ist auch eine Bestätigung des Rechts, einen Jahrmarkt abzuhalten – aus dem 15. Jahrhundert. Archivar Matthias Haupt faltet das Pergament vorsichtig und tatsächlich mit Samthandschuhen auseinander. "Durch die Digitalisierung", sagt er, "sind all diese Dokumente schonend untergebracht und gleichzeitig für jeden aufrufbar."

Als Matthias Haupt vor fast 20 Jahren den kostbaren Bestand übernahm, drohten viele Dokumente und Bücher durch Schimmel und Wasserschäden verloren zu gehen. Jahrelang wurde gesichert und restauriert.

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Matthias Haupt, der Archivar der Stadt Wasserburg

Dokumente der Not aus dem Dreißigjährigen Krieg

Die Schüler der 11. Klasse des Wasserburger Luitpold-Gymnasium sind schon in den Genuss der digitalisierten Dokumente gekommen. Im Geschichtsunterricht behandeln sie gerade den Dreißigjährigen Krieg. Die Laptops sind verteilt, gemeinsam suchen die Jugendlichen auf dem Portal von "Bavarikon" das Wasserburger Stadtarchiv und dann im Jahr 1632 ein Schreiben an den "Durchleichtigisten curfürst" vom 4. Juni. Das Dokument erscheint - und die Schülerinnen und Schüler stellen fest, dass sie es so einfach nicht lesen können, denn es ist in der deutschen Schrift verfasst worden – und die muss eigens gelernt werden.

Dankenswerterweise hat das Stadtarchiv diesen Briefwechsel in die lateinische Schrift transkribiert und in einer kleinen Broschüre veröffentlicht. Die Schilderungen des Magistrats über die Zustände in Wasserburg sind erschütternd. Maximilians Soldaten plündern die Einwohner aus. An einer Stelle heißt es:

"…das graes ist nit mer sicher, sondern wirdt abgemäet … also daß die bürgerschafft khein melch vich halten mag, und die chinnder in der wiegen khain milch haben." Briefwechsel von 1632

Maximilians Soldaten: Freund oder Feind?

An anderer Stelle wird Beschwerde geführt, dass die Soldaten wild in der Gegend herum schießen würden, und man nicht weiß, ob sie Freund oder Feind sind. Und wie reagiert der Herzog auf das Leiden seines Volkes? Er antwortet schon zwei Tage später. Auch dieses Schreiben des hohen Herrn, der zu dieser Zeit in Salzburg weilte, ist erhalten.

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Die 11. Klasse des Wasserburger Luitpold-Gymnasiums geht im Geschichtsunterricht auf "bavarikon"

Zwei Mass Bier täglich für einen Soldaten

Die 11. Klasse arbeitet sich durch die 30 Zeilen und diskutiert. "Er weicht aus", sagt eine Schülerin, "er gibt Verständnis vor, verpflichtet die Bürger aber, die Soldaten zu verpflegen." In der Tat: "1½ pfundt prodt, 1½ fleisch, 2 mass bier und ainem reiter fir das pferdt 3 mässl habern", steht dort geschrieben – auf mehr, so der Herzog, hätten seine Soldaten keinen Anspruch.

Das klingt nach sehr viel, sind sich die Schüler einig. Zwei Mass Bier am Tag, auch wenn es dünner Gerstensaft gewesen sein mag, seien auch nicht schlecht. Wie hätten die Bürger das in Notzeiten aufbringen sollen? Kein Wunder, dass die Bevölkerungszahlen während des 30-jährigen Kriegs auch in Wasserburg deutlich einbrechen.

So viele Schicksale, so vieles, was es noch zu entdecken gibt, im Wasserburger Stadtarchiv - entweder fein säuberlich in langen Regalreihen sortiert oder eben digital, und damit zugänglich für alle.

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