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Wo sollen Wildvögel hin? Wo finden sie Futter? Vorgärten im Werdenfelser Land.

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Vogelsterben auch im Werdenfelser Land sichtbar

Die Zahl der Vögel nimmt deutlich ab – auch im Werdenfelser Land. Der Landesbund für Vogelschutz spricht schon länger von einem Vogelsterben: Kaum passende Brutplätze und wenig Nahrung sind die Hauptgründe.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Das allgemeine Vogelsterben ist auch im Werdenfelser Land zu spüren. Hans-Joachim Fünfstück vom Landesbund für Vogelschutz zieht eine traurige Bilanz: Bei jeder dritten Vogelart existieren nur noch halb so viele Tiere wie in den 80er-Jahren. Warum das so ist, sieht man zum Beispiel in Gewerbegebieten: Asphalt und Beton, wo einst Brachflächen mit Hecken, Stein- oder Wurzelhaufen waren.

Vögel brauchen Vielfalt bei Büschen

Doch eine Vielfalt an Büschen fehlt auch auf den Feldern: "Es sind schon Büsche da, aber das sind Brombeeren, Weide, Erle – und sonst nichts mehr. Wir brauchen aber die Vielfalt: Holunder, Pfaffenhütchen, Schlehe. Dieser Mix, der macht's Leben," sagt Hans-Joachim Fünfstück.

Doch in der Landwirtschaft zähle inzwischen fast nur mehr der Ertrag. Im Werdenfelser Land gehe es ja noch, meint Vogelexperte Fünfstück, da würden die Wiesen noch nicht wie andernorts sechs bis sieben Mal im Jahr gemäht. Aber weiter nördlich finde man keine Feldhaine mehr zwischen den Äckern und Wiesen. Die Bauern selbst stünden unter Druck, sagt Fünfstück. Gefordert sei die Politik: Sie solle die kleinteilige extensive biologische Landwirtschaft mehr fördern.

Insektensterben schwächt auch die Vögel                                                                                  

Die Vögel brauchen Samen von Wildblumen sowie Insekten – gerade jetzt, bevor sie im Mai zumeist ihre Eier legen. Da müssen sie laut Vogelexperte Fünfstück gut im Futter stehen. Doch sind die Insekten als Hauptnahrungsquelle seit den 90er-Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Bilanz: kein Futter mehr, zu viel giftiger Pflanzenschutz, nicht mehr genug Nistplätze. Hans-Joachim Fünfstück plädiert für einen Abschied von der gewohnten Ordnung – egal ob auf dem Land, in der Stadt oder in unseren Gärten:

"Ein bisschen mehr Mut zur Wildnis, mehr Mut zum Schlampigsein: (…) Ich habe zwei Enkelinnen, die wollen spielen – da muss ich was mähen, aber gleichzeitig können die bei mir Blumen erleben, Insekten und Vogelarten." Hans-Joachim Fünfstück, Landesbund für Vogelschutz

Ein Umdenken hin zu einer etwas wilderen Natur – das könnten auch die Schulen fördern. Denn das Dumme sei ja, dass viele junge Menschen gar nicht mehr das kennen, was sie schützen sollten.

"Gehen Sie mal durch eine normale Wiesenlandschaft – der Frühlingsbote Feldlerche ist nicht mehr da. Der Gesang ist verstummt. Und die junge Generation, die kennt die Feldlerche nicht mehr und die vermisst sie auch nicht. (...) Wir verlieren so viel." Hans-Joachim Fünfstück, Landesbund für Vogelschutz

Rückgang selbst in Naturschutzgebieten

Der Rückgang an Vögeln ist auch bei den Braunkehlchen zu sehen. Sie sind Wiesenbrüter, die ihr Nest am Boden bauen. Ihre allergrößte Bedrohung sind die Mähwerke. Wenn diese kommen, bevor der Nachwuchs ausgeflogen ist, ist die Brut verloren. Den Braunkehlchen und anderen Agrarvögeln wie Kiebitz oder Rebhuhn machen heute nicht mehr nur die Gefahren beim Zug und natürliche Fressfeinde Probleme. Die intensive Landwirtschaft und Verlust der Brutflächen machen ihnen ebenso zu schaffen wie der drastische Insektenschwund. Selbst in Naturschutzgebieten ist die Masse der Insekten um 75 Prozent in den vergangenen Jahren zurückgegangen.