SPD-Fraktionsvorsitzender Horst Arnold
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V-Frau: Islamfeindin unter Salafisten - SPD fordert Konsequenzen

SPD-Fraktionschef Horst Arnold will die Praxis der V-Leute ändern. Hintergrund ist der Fall einer Tschechin mit Kontakten in islamfeindliche Kreise, die für den bayerischen Verfassungsschutz Moscheen ausspionierte und heute für die AfD arbeitet.

Eine tschechische Studentin hat im Auftrag des bayerischen Verfassungsschutzes seit Anfang 2014 Moscheen ausspioniert. Als sogenannte Vertrauensperson (V-Frau) lieferte sie gegen Geld Informationen. Parallel pflegte sie Kontakte in islamfeindliche Kreise, etwa zu ihrem damaligen Freund, der von ihrer Verfassungsschutz-Tätigkeit wusste und den sie mit ihren Recherchen versorgte. Inzwischen arbeitet sie für AfD-Bundestagsabgeordnete.

Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete darüber. Auch dem BR und der Radiosendung SWR2 Wissen liegen Informationen vor.

Arnold: Informationen der V-Leute sollten "nicht vergiftet" sein

Den Fraktionschef der SPD in Bayern, Horst Arnold, beschäftigt der Fall seit Monaten. Er sitzt im parlamentarischen Kontrollgremium, was die Arbeit der Nachrichtendienste überwacht. Das Kontrollgremium hat sich zuletzt mit dem Fall der Tschechin auseinandergesetzt. Details sind nicht bekannt, weil die Sitzungen des Kontrollgremiums immer geheim sind.

Arnold fordert nun, neue, transparentere Richtlinien. Man brauche V-Leute wegen ihrer Informationen, aber sie "haben natürlich auch den Nachteil, dass sie durch egoistische, wirtschaftliche oder idealistische Neigungen getrieben sein könnten" und dadurch unter Umständen nicht verlässlich seien. Durch Recherchen, unter anderem auch in sozialen Netzwerken, müsse sichergestellt werden, dass die Informationen nicht "von vornherein vergiftet sind".

"Warum? Weshalb? Was steckt dahinter? Was ist an der Biografie erstaunlich oder beachtenswert? Und das muss das tägliche ABC sein im Umgang mit solchen V-Leuten. Das muss auf Herz und Nieren geprüft sein, bevor eine Zusage über eine Zusammenarbeit erfolgt." Horst Arnold

Ein ziemlich "erschöpfendes" Doppelleben

In der Regel gehen Verfassungsschützer auf potentielle V-Leute zu. Diese stammen dann selbst aus extremistischen Milieus. Die Tschechin dagegen diente sich während ihres Studiums in Bayern dem Verfassungsschutz als V-Frau an. Forschungs-Neugier trieb sie in Moscheen. Dort will sie mitbekommen haben, wie radikal, salafistisch die dortigen Muslime waren.

In einer Mail an einen tschechischen Journalisten, die SWR und BR vorliegt, schreibt sie: "Ich habe mir gesagt, dass diese Erkenntnisse nicht ungenutzt bleiben sollten. Und deshalb habe ich eine Mail an die zuständigen Sicherheitsorgane geschickt". Sie habe eine vorbildliche Salafistin gespielt, sei zum Schein zum Islam konvertiert und habe auch irgendwann einen Niqab, einen Schleier mit Augenschlitzen, getragen. Das Doppelleben sei ziemlich erschöpfend gewesen: "Im Rückblick muss ich zugeben, dass das ziemlich riskant war. Ich habe Fotos gemacht. Ich habe Namen gesammelt, auch Telefonnummern und Adressen."

Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Motivation bei Selbstanbietern kritisch hinterfragen

Beate Bube, Präsidentin des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, kennt den Fall aus den Medien. Ganz allgemein macht sie deutlich, dass sie sogenannte Selbstanbieter wie die tschechische V-Frau mit großer Vorsicht betrachtet. Deren Motivation müsse besonders hinterfragt werden. "Insoweit wären doch erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung angezeigt", sagt Bube.

Die betroffene Behörde selbst, der bayerische Verfassungsschutz, möchte zum Fall gar nichts sagen. "Zu Fragen operativer Angelegenheiten, insbesondere zum Einsatz etwaiger V-Personen, kann sich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nicht gegenüber den Medien äußern. Zur Frage nach der V-Mann-Eigenschaft konkreter Einzelpersonen ist somit weder eine Bestätigung noch ein Dementi möglich", heißt es.

Bis heute ist unklar, ob der bayerische Verfassungsschutz bei den tschechischen Behörden nachgefragt und die V-Frau einer ausreichenden sicherheitsbehördlichen Prüfung unterzogen hat.

Hat Verfassungsschutz-Präsident V-Frau in Augenschein genommen?

Zudem gibt es nach Recherchen von SWR und BR wohl interne Verwaltungsvorschriften aus denen hervorgeht, dass in Bayern ein persönliches Gespräch zwischen der potentiellen V-Person und dem Verfassungsschutz-Präsidenten stattfindet. Heißt: Ohne Kenntnis des Behörden-Leiters wird keine Zusammenarbeit genehmigt. Die Vermutung ist naheliegend, dass der Leiter auch die tschechische V-Frau persönlich in Augenschein genommen hat. Auch hierzu möchte sich der bayerische Verfassungsschutz (BayLfV) nicht äußern. Die Behörde gebe "keine Auskunft zu behördeninternen Entscheidungsprozessen, insbesondere dann nicht, wenn operative Angelegenheiten betroffen sind". Und das bayerische Innenministerium bittet um "Verständnis, dass von uns keine über die Antwort des BayLfV hinausgehende Auskunft ergeht".

Die Tschechin selbst möchte zu ihrer Tätigkeit kein zitierfähiges Interview führen. Allerdings: Nachdem der Spiegel über ihre V-Frau-Tätigkeit berichtet hatte, gab sie einem tschechischen TV-Sender ein anonymes schriftliches Interview. Darin behauptet die ehemalige Spionin, sie habe als V-Frau nach maximaler Objektivität gestrebt. Dass Fotos und auch der Name von ihr im Internet veröffentlicht wurden, sei ein Racheakt ihres tschechischen Ex-Freunds Lukas Lhotan gewesen.

"Heute hat mich Andi ziemlich angekotzt …"

Lukas Lhotan ist nach eigener Darstellung ein Publizist, der islamkritische Bücher im Selbstverlag publiziert. Im Interview warnt er vor einer Invasion der Muslime nach Europa. Mit diesem Mann pflegte die Tschechin einen regen Austausch, als sie noch für den bayerischen Verfassungsschutz arbeitete. Sie hatten sich bei einem Treffen der Gruppe "Islám v České republice nechceme" (Islam wollen wir in Tschechien nicht) kennen gelernt.

Zudem gab Lhotan der islamfeindlichen "Czech Defence League" ein Interview. Diese Liga wurde initiiert von Martin Konvička, dem späteren Chef des "Blocks gegen den Islam".

Lukas Lhotan sagt, er habe seine damalige Freundin zur Tätigkeit beim Verfassungsschutz ermutigt. Sie wiederum informierte Lhotan über ihre Tätigkeit beim Verfassungsschutz, überließ ihm Fotos und auch eine Grafik. Diese Dokumente geben Einblick in die salafistische Szene, in der sich die Tschechin bewegte. Via Facebook-Messenger sprach sie etwa über einen Konflikt mit einem Verfassungsschutz-Mitarbeiter namens Andi:

"Heute hat mich Andi ziemlich angekotzt. Er hat gesagt, dass ich die arabischen Predigten nicht aufnehmen muss, weil die Behörde leider keine Kapazitäten hat, sie zu analysieren." Ehemalige V-Frau

Lukas Lhotan findet, die Partei seiner Ex-Freundin, die AfD, sollte dieses Wissen nutzen, um zu zeigen, wie unfähig die deutschen Sicherheitsbehörden bei der Salafismus-Bekämpfung sind.

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