Nach der Überflutung: Im Untergeschoss des Autohauses liegen verschlammte Reifen und Regalteile kreuz und quer
Bildrechte: Anton Brandner/BR

Autohaus Brandner nach dem Hochwasser

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BR24 Drangeblieben: Sechs Monate nach Unwetter in Berchtesgaden

Mitte Juli trifft ein so noch nie da gewesenes Unwetter den Südosten Oberbayerns. Im Berchtesgadener Talkessel treten binnen weniger Stunden Bäche und Flüsse über die Ufer, Muren gehen ab. Ein halbes Jahr ist seitdem vergangen: eine Bestandsaufnahme.

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Die Handwerker haben im Autohaus Brandner in Berchtesgaden noch jede Menge zu tun: Estrich legen, verputzen, Wände streichen. Vor einem halben Jahr war hier die Verzweiflung groß bei Christina und Anton Brandner. Das Ehepaar hatte erst 2019 das Autohaus übernommen, dann kam Corona und danach das verheerende Unwetter mit massivem Dauerregen.

Hochwasser und Schlamm richten Millionenschäden an

Das Hochwasser des gleich neben dem Autohaus vorbeiführenden, aber sonst so gemächlich dahinplätschernden Gerner Bachs lässt das Gebäude schnell voll laufen. Der 400 Quadratmeter große Keller steht 2 Meter 30 unter Wasser, die Trockenbau-Zwischenwände werden umgerissen, 800 Reifen schwimmen kreuz und quer, genauso wie zahlreiche Ersatzteile, die in der freien Werkstatt gebraucht werden.

Wieder Zuversicht in Berchtesgaden

Jetzt erinnern dort nur mehr gelbliche Spuren an den Wänden an den Millionenschaden, den das Hochwasser am und im Autohaus verursacht hat. Toni Brandner weiß noch genau, wie plötzlich auf seinem Handy ein Video ankommt, das zeigt, wie ein auf dem Hof abgestelltes Auto auf der Straße vorbeischwimmt. Er fährt sofort in seinen Betrieb, um zu sehen, was dort los ist. Um die Überschwemmung in seinem erst drei Tage zuvor fertiggestellten Haus in Schönau am Königssee kümmert sich seine Frau Christina. Doch inzwischen ist bei dem Ehepaar die Zuversicht wieder zurückgekehrt. Die Versicherung hat die Schäden erstattet, sie bekamen Geld aus einem Spendentopf. Ihre Existenz, das Autohaus, ist in wenigen Monaten wieder ganz hergerichtet, im Untergeschoss werden bald Motorräder das Angebot ergänzen.

Mit viel Glück den Muren entkommen

Ungefähr zur selben Zeit, als Toni Brandner das Ausmaß des lokalen Unwetters überblickt, geht es einige Kilometer weiter nahe dem Aschauer Weiher in der Gemeinde Bischofswiesen ums blanke Überleben. Das Ehepaar Johann und Barbara Angerer und ihre sechs Kinder arbeiten im strömenden Regen und versuchen auf ihrem Grundstück den Bach auszubaggern, damit er mehr Wasser aufnehmen kann. Sie bringen ihre Kühe, die auf der Wiese weiden, in Sicherheit. Doch plötzlich hört Barbara Angerer vom Bergmassiv einen lauten Knall, als ob etwas explodiert sein: am "Rauhen Kopf" ist ein Fels geborsten. Schnell gehen Muren ab, Schlamm, Baumstämme stürzen ins Tal, aber auch Steine so groß wie Siloballen. Die Geröll-Lawine rollt quer über das Grundstück, verschmutzt Gebäude, verwüstet Wiesen und landwirtschaftliche Flächen. Doch alle Familienmitglieder können sich retten und bleiben unverletzt. Das sei das Wichtigste, sagt Landwirtin Barbara Angerer heute.

Angst ist weniger, aber Unsicherheit bleibt

Auch die Angerers haben nach dieser Unwetterkatastrophe noch viel Arbeit vor sich. Im Frühjahr, wenn der Schnee weg ist, müssen zum Beispiel die Futter-Wiesen hergerichtet und neu eingesät werden. Die Angst nach dem traumatischen Murenabgang ist etwas weniger geworden, sie ist aber immer noch da. Vor allem weil die Geologen, die den Berg hinter dem Bauernhof untersucht haben, keine Entwarnung geben können. Das Gestein ist brüchig. Barbara Anger hofft darauf, dass ein neu angelegter Damm das Anwesen vor Hochwasser und Muren schützt.

Dankbar für die große Unterstützung

Die unterspülten Straßen im Berchtesgadener Land sind inzwischen wieder hergerichtet. Auch sonst haben Gemeinden und Behörden alles getan, um Menschen und Gebäude vor künftigem Hochwasser oder Murenabgängen besser zu schützen. Bei allem Unglück wird den Betroffenen vor allem der Zusammenhalt an diesem verhängnisvollen Wochenende im Juli 2021 in Erinnerung bleiben. Denn die Hilfsbereitschaft war tagelang groß. Freunde, Mitarbeiter, Nachbarn, Autohauskunden und sogar wildfremde Menschen seien gekommen, um mit anzupacken und den Betroffenen zu helfen. Das Miteinander sei enorm gewesen und eine wichtige Erfahrung, sagen Anton Brandner und Barbara Angerer übereinstimmend. Dafür seien sie jedem Einzelnen dankbar.

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