Geflüchtete warten vor einer Registrierungsstelle in Deutschland
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Marcus Brandt

Geflüchtete warten vor einer Registrierungsstelle in Deutschland

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Unterbringung von Geflüchteten: Koordiniert oder planlos?

Täglich kommen viele Geflüchtete aus der Ukraine in Bayern an. Doch wo sollen die Menschen untergebracht werden? Wo findet sich so viel leerstehender Wohnraum? Fragen, die jetzt alle bayerischen Städte, Kommunen und Landkreise beschäftigen.

Von

"Unter den Geflüchteten werden über zwei Drittel Mütter mit Kindern sein", schätzt Markus Pannermayr (CSU), Vorsitzender des Bayerischen Städtetages und Oberbürgermeister von Straubing. "Und sie müssen in vernünftige Wohnverhältnisse kommen." Für ihn steht fest: Wer vom Krieg traumatisiert ist, der braucht erstmal Sicherheit, und die findet der Mensch in einem geschützten Wohnraum.

Sein Wunsch: Frauen und Kinder sollen möglichst schnell raus aus Not- und Sammelunterkünften, aus Schulen, Turnhallen, Lagern, und rein in "gedeihliche Wohnverhältnisse". Wie Kommunen und Städte diese Herausforderung meistern sollen, das will Markus Pannemayr bald mit Sozialministerin Ulrike Scharf besprechen.

Aktuell ist die Unterbringung in vorhandenen Gemeinschaftsunterkünften sichergestellt- doch das sei keine dauerhafte Lösung. Auch bei der Aufnahme der ukrainischen Kinder in bayerische Kindergärten müsse man sensibel vorgehen, nach zwei Jahren Corona seien die Erzieher und Erzieherinnen eh schon am Limit. Eventuell müsse man Gruppengrößen erhöhen.

Ehrenamtliche unterstützen Städte und Kommunen bei Wohnraumsuche

Wohnraum ist vielerorts knapp, vor allem in Ballungszentren wie München. Wie will die Stadt nun die Masse an Geflüchteten zusätzlich unterbringen? Nicht fragen, sondern handeln: Nach diesem Motto hat der Verein "Freiwillige Münchner" vor einer Woche eine Anlaufstelle zur Wohnungsvermittlung eingerichtet. Der Erfolg des Vereins ist überwältigend: Allein gestern konnten 1000 Geflüchtete eine Wohnung beziehen.

  • Zum Artikel "Ukraine-Flüchtlinge privat aufnehmen: Das ist zu beachten"

"Es melden sich nicht nur Privatpersonen, darunter auch alleinerziehende Mütter, sondern auch Hotels und Service-Appartements.", berichtet Petra Mühling, Vorstandsvorsitzende "Münchner Freiwillige". Auch Wohnungsunternehmen haben sich schon bei ihr gemeldet, um ukrainischen Geflüchteten eine langfristige Unterbringung zu ermöglichen.

Schieben Städte und Kommune ihre Verantwortung auf Ehrenamtliche ab?

Bereitstellung von günstigem Wohnraum: Was für die Großstadt München seit Jahrzehnten unmöglich scheint, gelingt den Ehrenamtlichen innerhalb weniger Tage. Und zwar hauptsächlich über private Kontakte. Da ist der Münchner Anwalt, der plötzlich seinen Dachboden freiräumt für Flüchtlinge, und sogar einen Job anbietet, da ist das Seniorenehepaar, das die Zimmer der längst ausgezogenen Kinder freigibt.

Haben die Ehrenamtlichen das Gefühl, dass hier Probleme auf sie abgewälzt würden? "Nein", sagt Petra Mühling von den "Münchner Freiwilligen". Es finde hier vielmehr eine Kooperation statt. "Die Stadt München braucht als große Organisation eine gewisse Zeit, bis sie ihre Strukturen aufstellt."

Der Vorteil von Freiwilligen sei, so Mühling, dass sie einfach viel schneller und flexibler handeln könnten. Der Verein wurde 2015 gegründet, bei der ersten großen Flüchtlingswelle. Jetzt kann der Verein auf einige Tausende Ehrenamtliche zählen. Die Stadt München schätzt dieses Engagement mit einem jährlichen Finanzzuschuss von 182.000 Euro

Beispiel Stadt München: Umschichtung von Mitarbeitern

Auch die Stadt München suche derzeit mit Hochdruck nach geeignetem Wohnraum für die Geflüchteten, teilt das Sozialreferat auf BR-Anfrage mit. Damit Ukrainer in Bayern möglichst schnell auch erwerbstätig sein können, weite das Kreisverwaltungsreferat München nun auch seine Kapazitäten aus, durch interne, personelle Umschichtungen. Ziel sei es, ein möglichst großes Kontingent an Terminen im Bürgerbüro und in der Ausländerbehörde zur Verfügung zu stellen. Damit die Geflüchteten auf Wunsch bald eine offizielle Aufenthaltserlaubnis erhalten können.

Augsburger Landrat Sailer: Freistaat in der Pflicht

Rund 80 Kilometer weiter nordwestlich, im Landkreis Augsburg, suchen auch viele Bürger Wohnraum für die Flüchtlinge aus der Ukraine. Landrat Martin Sailer begrüßt das, gleichzeitig sieht er aber auch Probleme, wenn Ehrenamtliche die Unterbringung übernehmen. Man müsse aufpassen, dass man den Überblick behält, so Sailer.

Im Moment könne man zum Beispiel nicht sagen, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine sich im Landkreis aufhalten. Außerdem müsste für Sailer sichergestellt werden, dass die Kommunen ein Stück weit mit einer gleichen Belastung rechnen können. Der Augsburger Landrat sieht jetzt den Freistaat in der Pflicht: „Die Staatsregierung, muss entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sicherzustellen, dass die Aufnahme koordiniert stattfinden kann.

Innenministerium: Andere Situation als 2015

Was sagt die Staatsregierung dazu? Die Frage nach einem Gesamtplan zur Verteilung der ukrainischen Flüchtlinge lässt das zuständige bayerische Innenministerium unbeantwortet. Ein Koordinationsproblem sieht das Innenministerium aber nicht.

So schreibt es: "Bei der Frage der Koordination muss berücksichtigt werden, dass der Rechtsstatus der ukrainischen Kriegsflüchtlinge ihnen verhältnismäßig viele Freiheiten gewährt und daher auch ein gewisses Maß an Flexibilität erfordert. Die Situation unterscheidet sich also wesentlich von der Lage, wie wir sie 2015/2016 erlebt haben."

Positiv zur Arbeit der Staatsregierung im Zusammenhang mit den Ukraine-Flüchtlingen äußert sich der Vorsitzende des Bayerischen Gemeindetags Uwe Brandl: "Das wechselseitige Verstehen, auch was die Aufgabenteiligkeit betrifft, ist sehr groß und ausgeprägt vorhanden."

Für die Zukunft: Viel Geduld und Solidarität gefordert

Ähnlich sieht das Markus Pannermayr, der Präsident des Bayerischen Städtetags, Im Moment seien die Ehrenamtlichen ein Puffer, der den Kommunen ein bisschen den Rücken freihalte. Aber man müsse, damit rechnen, dass die Anforderungen schnell weiter steigen würden, und dauerhaft Veränderungen entstehen würden, wie sie etwa mit den steigenden Lebensmittel- und Benzinpreisen schon begonnen hätten. "Es wird neue Belastungen geben, die man sich jetzt noch gar nicht vorstellen kann", warnt Pannermayr.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!