Wasserhahn mit Trinkwasser
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Droht München ein ernsthaftes Trinkwasserproblem?

Schon im nächsten Jahrzehnt werde München ein ernsthaftes Trinkwasserproblem haben, warnt die Umweltwissenschaftlerin Christina Mertens. In manchen Teilen Bayerns werde dann ein heute noch nicht vorstellbarer Wassernotstand herrschen.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

In den letzten 20 bis 25 Jahren sei der Grundwasserspiegel in München deutlich abgesunken, zum Teil um mehrere Meter, sagt die Umweltwissenschaftlerin Christina Mertens vom evangelischen Umweltteam. Schuld daran seien längere Trockenperioden. "Wenn es dann geregnet hat, kam das meistens als Starkregen runter, der aber kaum einsinken konnte, um das Grundwasser neu zu bilden."

Über 80 Prozent Versiegelung in der Innenstadt

München sei die am stärksten versiegelte Großstadt in Deutschland, so Christina Mertens. Mehr als 50 Prozent der Oberfläche des gesamten Stadtgebietes und im Innenstadtbereich sogar zum Teil über 80 Prozent der Oberflächen seien überbaut oder durch Verkehrswege versiegelt. Wenn darauf Regen fällt, fließt er in der Regel in die Kanalisation: "Und zack ist er gleich wieder weg und wird davongetragen und kann überhaupt nicht zur Grundwasserneubildung beitragen", sagt Mertens.

Dabei wäre es gerade in dicht bebauten Städten wichtig, Wasser zu halten, denn es könnte auch in den warmen Monaten helfen, zu kühlen: "Die Fassaden heizen sich einfach ungebremst auf", so Mertens. Am Odeonsplatz sei es im vergangenen Sommer zum Teil bis zu zwölf Grad wärmer als im Umland gewesen.

Unter Beobachtung: Trinkwasserversorgung in München

Die Umweltwissenschaftlerin warnt: Der sinkende Grundwasserspiegel habe "massive Auswirkungen" auf die Trinkwasserversorgung. Denn Trinkwasser wird in Bayern zum Großteil aus Grundwasser gewonnen. Auch bei den für die Wasserversorgung zuständigen Stadtwerken München (SWM) beobachtet man, dass "unterdurchschnittliche Regenmengen in den vergangenen Jahren" die Grundwasserstände "moderat sinken lassen". Für die Trinkwasserversorgung in München geben die Stadtwerke allerdings Entwarnung: "Ein kontinuierliches Monitoring aller Grundwasserstände und ein auf die Situation abgestimmter Entnahmeplan sichern auch zukünftig die Versorgung mit quellfrischem Trinkwasser."

In der ursprünglichen Version des Artikels entstand der Eindruck, es gäbe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gletscherschmelze in den bayerischen Alpen und einer Bedrohung der Trinkwasserversorgung Münchens. Wir haben diese Aussage im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" nochmal von unseren Experten gegenchecken lassen, nachdem wir zahlreiche Hinweise bekommen haben. Das Ergebnis der Recherche: Die Gletscher in Bayern sind in etwa zehn Jahren abgeschmolzen, sie sind aber nicht relevant für die Trinkwasserversorgung in München. Die Grundwasserbestände seien unabhängig von den großen Gletschern in den Alpen, heißt es auf br24 Nachfrage bei den SWM. "Nennenswerte Vergletscherungen gibt es in unserem Bereich der Alpen erst südlich vom Inntal. Es gibt keinen Oberflächen- oder Grundwasserabfluss aus dieser Region in unsere Gewinnungsgebiete. Das Abschmelzen der Gletscher wirkt sich daher nicht unmittelbar auf die Versorgungssicherheit von München aus."

Die SWM sehen München in Sachen Versorgungssicherheit auch deshalb gut aufgestellt, weil die Stadt ihr Wasser aus drei Gewinnungsgebieten beziehe: dem Mangfalltal, dem Loisachtal und der Münchner Schotterebene. Dennoch fordert Michael Außendorf vom Klimazentrum im Bayerischen Landesamt für Umwelt, Niederschlagswasser so lange wie möglich in der Stadt zu halten. Das nenne man "Schwammstadt-Prinzip: "Also wie ein Schwamm soll die Stadt das Wasser festhalten und dann wieder abgeben, wenn wir das Wasser brauchen."

Dazu müssten Städte umgeplant und umgebaut werden - doch Planungsprozesse und Stadtumbau dauern lange. "Es muss aber jetzt passieren", sagt Michael Außendorf. "Vielen Kommunen brennt es unter den Nägeln, weil wir auch die letzten Jahre mit den Wetterkapriolen gesehen haben, wohin das gehen kann mit dem Klimawandel."

Einfache Maßnahmen mit großer Wirkung

"Im Moment suchen wir immer die ganz großen Lösungen. Wir müssen kleiner denken", fordert Michael Außendorf: In der Stadt gebe es viele kleine Flächen, die man entsiegeln kann: "Sei es ein Zwickel an einer Straßenkreuzung oder ein Streifen zwischen Fahrbahn und Gehweg."

Auch Christina Mertens und ihr Team vom evangelischen Umweltteam ermutigen dazu, im Kleinen anzufangen. Sie unterstützen aktuell rund 300 Gemeinden und Einrichtungen mit kirchlichem Umwelt- oder Energiemanagement und raten etwa dazu, Pflastersteine im Wurzelbereich von Bäumen großzügig zu entfernen, um mehr Versickerungsfläche fürs Wasser zu schaffen, Drainagen zur Bewässerung anzulegen, die nur einen Bruchteil des Wassers brauchen oder Fassaden zu begrünen.

"Ein toller Nebeneffekt von der Begrünung der Fassade ist, dass die Fassade vor der starken Sonneneinstrahlung geschützt wird und so das Gebäude temperiert wird. Man hat im Innenraum dadurch manchmal bis zu sechs, sieben Grad weniger." Umweltwissenschaftlerin Christina Mertens

Auch das Gras höher stehen zu lassen und nicht sofort zu mähen, hilft dem Grundwasser: Es schützt etwa die Grasnarbe vor Sonnenlicht und verhindert außerdem eine schnelle Verdunstung des Wassers.

Akzeptanz schaffen durch Kommunikation

Klein anfangen und gleichzeitig Akzeptanz für wichtige städtebauliche Maßnahmen schaffen - das sei nun wichtig, sagt Michael Außendorf vom Klimazentrum im Bayerischen Landesamt für Umwelt: "Wenn irgendwo ein Parkplatz verschwindet und stattdessen eine Versickerungsmulde gebaut wird oder diese Fläche begrünt wird, dann muss man den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, warum das so wichtig ist."

Nach Ansicht der Experten gibt es nur noch dann eine Chance, der drohenden Wassernot in den Städten zu entkommen, wenn sofort Maßnahmen ergriffen werden.

Moderator Benedikt Schregle mit Christina Mertens vom evangelischen Umweltteam
Bildrechte: BR/Thomas Hauswald
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Trocknet Bayern aus

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