Durch die Tierwohlabgabe sollen Investitionen ins Tierwohl gefördert werden.
Bildrechte: BR / Sebastian Seibert

Durch die Tierwohlabgabe sollen Investitionen ins Tierwohl gefördert werden.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Tierwohlabgabe: Viel Zustimmung, aber auch viel Skepsis

Die Tierwohlabgabe soll Landwirten und vor allem Nutztieren zugutekommen. Fleisch würde aber teurer werden. Viele finden die Idee prinzipiell gut, bezweifeln aber, dass sie sich in der Praxis tatsächlich umsetzen lässt.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Mehr fürs Fleisch zahlen, wenn es dem Tierwohl zugutekommt? Kunden vor der Metzgerei Berghammer in Ampfing im Landkreis Mühldorf am Inn sind zwar skeptisch, aber grundsätzlich dafür. Die meisten sagen, sie würden die rund 40 Cent pro Kilo Fleisch mehr zahlen, wenn das Geld auch wirklich den Landwirten und der regionalen Lebensmittelproduktion zugutekommt und wenn sie dafür gutes Fleisch bekommen. Zwei Frauen bezweifeln jedoch, dass das Geld auch wirklich bei den Landwirten ankomme. Eine Kundin, die von Beruf Landwirtin ist, sagt: "Ich halte nichts davon. Das ist nur eine Verteuerung für die Verbraucher und beim Landwirt kommt nichts an. Nur Bürokratie."

Stallumbau ist eine große Investition

Nur ein paar Kilometer weiter, in Mühldorf am Inn, leben die Kühe von Ulrich Niederschweiberer in einem Offenfrontstall. Sie können sich frei an der frischen Luft bewegen, haben Massagebrüsten und Strohbetten und an heißen Sommertagen laufen die Ventilatoren.

"Ich hab mich vor 20 Jahren entscheiden - nach langem Hin und Her - dass wir den Außenklimastall so bauen, wie er jetzt ist. Die Finanzierung war auch damals schwierig und wir haben jetzt 20 Jahre den Stall abbezahlt. 20 Jahre ist lang, da nagt das am ganzen Material, die Kühe belasten das, also da sind einige Erneuerungen notwendig", erklärt Ulrich Niederschweiberer.

Für die Reparaturen könnte er einen Zuschuss durch die Tierwohlabgabe gut gebrauchen. Sein inzwischen 20 Jahre alter Stall kostete damals rund 400.000 Euro. Heutzutage würde so ein Stall um die 1,5 Millionen Euro kosten. Hohe Investitionen, die viele Landwirte scheuen. Laut Bayerischem Bauernverband baut derzeit so gut wie keiner einen neuen Stall. Zu hoch die finanzielle Belastung und die Unsicherheit, ob das Geld auch wieder hereinkommt und ob sich die Standards in ein paar Jahren wieder ändern. Kann da die Tierwohlabgabe helfen? Ulrich Niederschweiberer ist skeptisch: "Die Tierwohlabgabe generell kann man als positiv bewerten. Die Frage ist, wie wird die Finanzierung aufgestellt, wie hoch ist der bürokratische Aufwand? Ich glaube, das ist die größte Hürde."

Ulrich Niederschweiberers 70 Milchkühe leben in einem Offenfrontstall.
Bildrechte: BR / Sebastian Seibert
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Ulrich Niederschweiberers 70 Milchkühe leben in einem Offenfrontstall.

Sorge, dass Nachfrage nach tierischen Produkten sinken könnte

Für Landwirt Niederschweiberer müsse sichergestellt sein, dass deutsche Produkte trotz des Tierwohlaufschlags europaweit wettbewerbsfähig sind. Er befürchtet zudem, dass die Nachfrage nach Fleisch, Eiern und Milch sinkt, wenn die Produkte teurer werden.

Wird Tierwohlabgabe ein Bürokratiemonster?

Der Ampfinger Metzger Josef Berghammer hat die Bauern bei den Protesten mit Brotzeit unterstützt. In seiner Metzgerei hängen Infoblätter zu den Protesten. Grundsätzlich ist Josef Berghammer also für eine Unterstützung der Landwirte und für Tierwohl. Doch er befürchtet einen großen Aufwand. Er müsste auf seine Produkte die Tierwohlabgabe erst obendrauf schlagen und dann später an den Staat abführen.

"Im Grunde finde ich die Tierwohlabgabe nicht schlecht. Aber die größte Befürchtung ist, dass wir praktisch mit der Tierwohlabgabe ein riesen Bürokratiemonster aufbauen, das in handwerklichen Betrieben zulasten der handwerklichen Inhaber in der Freizeit abgearbeitet werden muss", sagt Berghammer im BR-Interview.

Bildrechte: BR / Sebastian Seibert
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Metzger Josef Berghammer ist für eine Unterstützung der Landwirte und für Tierwohl. Doch sie sollte möglichst unbürokratisch erfolgen.

Der Bayerische Bauernverband wäre grundsätzlich zwar für eine Tierwohlabgabe und kann sich vorstellen, darüber zu diskutieren. Doch BBV-Präsident Günther Felßner fordert auch, dass zuvor die geplante Streichung der Agrardiesel-Rückvergütung vom Tisch muss. Wörtlich teile er mit: "Wir akzeptieren an dieser Stelle keine Kompromisse und Ablenkmanöver!" Außerdem würde die Tierwohlabgabe nur Tierhaltern etwas bringen - ein Angebot für Ackerbauer und Forstwirte sei das nicht.

Viel Unterstützung für Tierwohl-Cent, aber auf die Details kommt es an

FDP, SPD, Grüne und CDU unterstützen die Pläne von Agrarminister Cem Özdemir. Doch die Umsetzung scheitert bislang an der Finanzierung.

Klar ist, Investitionen in Tierwohl, also in offene Ställe mit mehr Platz pro Tier, Beschäftigungsmöglichkeiten und tiergerechten Liegeflächen, kosten. Vier bis fünf Milliarden pro Jahr, das haben Experten schon vor Jahren berechnet. Doch woher nehmen?

Wer tierische Produkte kauft, soll Tierwohl mitfinanzieren

Eine Idee: Den Mehrwertsteuersatz für Fleisch- und Milchprodukte von sieben auf 19 Prozent anzuheben. Die andere Idee - die nun diskutiert wird: Der Tierwohl-Cent bzw. die Tierwohlabgabe. Heißt: Tierische Produkte würden dann teurer werden: 40 Cent mehr je Kilo Fleisch, zwei Cent je Kilo Milch oder Eier, 15 Cent je Kilo Butter und Käse. Durch diesen Aufschlag könnten pro Jahr 3,6 Milliarden Euro zusammenkommen. Und die sollen an Höfe ausgeschüttet werden, die ihre Ställe zum Wohl der Tiere umbauen oder ihren Tierwohlstall in Schuss halten müssen. Denn die aktuellen Preise, die die Landwirte bekommen, reichen oft für Tierwohl nicht aus. Der Preisdruck ist so groß, dass viele Landwirte an Platz, Beschäftigungsmöglichkeiten und Einstreu im Stall sparen müssen.

Tierwohlabgabe wird schon lange diskutiert

Die Idee zur Tierwohlabgabe hatte das Kompetenzzentrum Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission. Sie wurde 2019 ins Leben gerufen - vom damals von Julia Klöckner (CDU) geführten Bundeslandwirtschaftsministerium. Doch die Kommission wurde ausgebremst. Im August 2023 hat die Borchert-Kommission hingeschmissen. "Es ist ja gelungen, sehr unterschiedliche Positionen zu einem gemeinsamen Ergebnis zusammenzuführen. Umso enttäuschender natürlich, dass die Politik unsere Empfehlungen nicht umgesetzt hat", sagte Jochen Borchert, Bundeslandwirtschaftsminister 1993 – 1998 (CDU) damals, wohl auch mit Enttäuschung über FDP-Finanzminister Christian Lindner.

Denn der zeigte sich nur offen für eine Tierwohlmilliarde für Schweinehalter, verteilt auf vier Jahre. Dabei bräuchte es für den Umbau der Tierhaltung mindestens vier Milliarden. Doch auf ein langfristigeres und höheres Finanzierungsmodell hatte sich FDP-Finanzminister Christian Lindner bisher nicht eingelassen. Genau mit ihm will Özdemir nun wieder sprechen. Der Agrarminister sagte am Mittwoch: "Wir können das mit dem Finanzministerium erarbeiten, dass es auch praktisch funktioniert, dafür braucht es jetzt eine politische Verständigung, für die ich werbe."

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!