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Weil Hochspannungsleitungen zwischen Nord- und Süddeutschland fehlen, wird eine Aufteilung des Landes in mehrere Strompreiszonen diskutiert.

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Strompreiszonen – Welche Folgen hätten sie für Bayern?

Soll Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufgeteilt werden? Wenn es so käme, wie von der EU vorgeschlagen, würde das für Bayern einen höheren Strompreis bedeuten. Woran die Entscheidung hängt und wann sie möglicherweise kommen könnte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Soll der Beschaffungspreis für Strom auch künftig überall in Deutschland gleich sein? Oder soll die Bundesrepublik in mehrere Strompreiszonen aufgeteilt werden, die das Verhältnis von Stromangebot und -nachfrage regional genauer abbilden? Die Diskussion darüber wurde zuletzt wieder intensiver geführt. Die bayerische Staatsregierung ist strikt gegen eine eigene Strompreiszone für Süddeutschland, denn das würde dazu führen, dass Strom in Bayern teurer wird. "Das gefährdet Süddeutschland als industrielles Herz der Republik", warnt Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Norddeutschland mit seinen vielen Windrädern würde von einer eigenen Strompreiszone dagegen durch fallende Strompreise profitieren. Der Umweltminister von Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt (Grüne), findet, sein Land trage sehr viel zur Energieversorgung ganz Deutschlands bei: "Dann kann ich auch die Erwartung äußern, dass auch der Strommarkt so umgebaut wird, dass wir auch etwas davon haben."

EU schlägt mehrere Strompreiszonen vor

Bereits vor einem Jahr hat die EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vorgeschlagen, Deutschland in bis zu fünf verschiedene Strompreiszonen aufzuteilen – ähnlich wie das in Schweden oder Italien bereits der Fall ist.

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Die EU hat vorgeschlagen, Deutschland in bis zu fünf verschiedene Strompreiszonen aufzuteilen .

Die EU verfolgt den Grundsatz, dass die Marktgebiete beim Strom die physischen Gegebenheiten des Stromnetzes widerspiegeln sollten. Das heißt: Dort, wo es nur wenige Leitungen gibt, sollten Preiszonen voneinander abgetrennt werden. Um zu verhindern, dass zum Beispiel Windstrom aus Norddeutschland virtuell nach Bayern verkauft wird, obwohl er in Wirklichkeit gar nicht transportiert werden kann.

Denn in solchen Fällen müssen dann teure Kohle- oder Gaskraftwerke im Süden angeworfen werden, um die Energie trotzdem zu liefern. Und die daraus entstehenden sogenannten Redispatchkosten werden auf alle Stromverbraucher umgelegt. Sie stiegen zuletzt stark an, 2022 waren es mehr als 4,2 Milliarden Euro.

Gutachten der Netzbetreiber erst im Februar

Die Übertragungsnetzbetreiber untersuchen im Auftrag der EU, welche Auswirkungen die verschiedenen Möglichkeiten zur regionalen Aufteilung des Strommarkts hätten. Insgesamt werden dabei 22 Parameter berechnet, unter anderem geht es um die Auswirkungen solcher Veränderungen auf Unternehmen.

Das Ergebnis war eigentlich für diesen Sommer angekündigt. Doch das Ganze verschiebt sich: Man sei noch mitten in den komplizierten Berechnungen, erklärt eine Sprecherin des Netzbetreibers Tennet BR24. Der Bericht und eine gemeinsame Empfehlung der europäischen Übertragungsnetzbetreiber an die Mitgliedstaaten über die zukünftige Aufteilung der Zonen sollen nun voraussichtlich im Februar 2024 kommen.

Deutsche Politik gegen Aufteilung der Strompreiszone

Sollte die Empfehlung lauten, Deutschland tatsächlich in mehrere Strompreiszonen aufzuteilen, würde das dann jedoch nicht etwa automatisch geschehen. Sondern es entscheiden zunächst einmal die EU-Mitgliedsstaaten darüber, ob sie die Empfehlung annehmen wollen. In Deutschland deuten die politischen Zeichen bislang darauf hin, dass die einheitliche Strompreiszone erhalten werden soll. Dafür hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits mehrfach ausgesprochen, ebenso der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour und auch das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Bayern wäre bei einer Aufteilung in mehrere Zonen nicht der einzige Verlierer: Ein Bündnis von sechs Bundesländern hat sich parteiübergreifend dagegen ausgesprochen, darunter Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und das bevölkerungsreiche Nordrhein-Westfalen. Auch wenn eine Reihe von Strommarkt-Experten zu einer Aufteilung in mehrere Strompreiszonen rät, sprechen die politischen Kräfteverhältnisse in Deutschland also dagegen.

Ohne Veränderungen geht es nicht

Wenn die Bundesrepublik sich mit den anderen Mitgliedsstaaten darüber einig ist, dass in Sachen Preiszonen alles beim Alten bleiben soll, würde der EU-Vorschlag in der Schublade verschwinden. Wenn die Mitgliedsstaaten allerdings keine Einstimmigkeit erzielen, geht die Entscheidungskompetenz an die EU-Kommission über. Wie das Ganze ausgeht, hängt von den politischen Kräfteverhältnissen ab.

Nach Einschätzung von Bernd Weber von der Denkfabrik Epico Klimainnovation wird Deutschland andere Reformen anbieten müssen: "Man muss ein Paket schnüren, wenn man die Aufteilung in mehrere Strompreiszonen vermeiden möchte."

Mehr Stromleitungen könnten Preiszone zusammenhalten

In Frage komme dazu unter anderem ein verstärkter Netzausbau. Wenn die geplanten großen Stromtrassen zwischen Nord- und Süddeutschland einmal fertig sind, wird das Aufrechterhalten der einheitlichen Preiszone leichter. Nach derzeitigen Prognosen soll es in den Jahren 2027 bis 2031 so weit sein.

Netzentgelte sind anderes Thema

Nicht verwechseln darf man die Diskussion über die Strompreiszonen übrigens mit der geplanten Reform der Netzentgelte. Auch die sind in Norddeutschland tendenziell höher als im Süden.

Dass die Berechnung der Netzentgelte sich ändern muss, ist jedoch unter den Bundesländern, einschließlich Bayern und der Bundesregierung Konsens. Denn Gewinner und Verlierer gibt es hier in jedem Flächenland: Ländliche Gebiete zahlen bisher meist mehr Netzentgelt, weil die Kosten für die Netzanschlüsse von Windrädern und Solarparks kleinräumig vor Ort umgelegt werden. Die Bundesnetzagentur soll ermächtigt werden, das System zu ändern – nur wie genau, wird noch diskutiert.

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Die Netzentgelte sind in Deutschland bereits jetzt regional sehr unterschiedlich. In ländlichen Gebieten tendenziell höher als in Städten.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand, nicht die EU, sondern Deutschland entscheide über die Strompreiszonen. Das haben wir korrigiert bzw. präzisiert.

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