Lia Roth aus Gauting war Marketingleiterin in einem großen Konzern. Dann wurde sie Mutter, legte der Kinder zuliebe ihre Karriere aufs Eis. Jetzt sucht sie seit fast drei Jahren vergeblich nach einer neuen beruflichen Perspektive. "Hätte ich gewusst, dass es so lange dauert, dann hätte ich mich vielleicht mit einer Business-Idee und mit Selbständigkeit auseinandergesetzt und hätte jetzt nicht von vornherein nur nach einer Festanstellung gesucht", sagt sie. Ihr Berater im Arbeitsamt empfahl ihr sogar, komplett neu anzufangen und sich als Teamassistentin zu bewerben. Nach zehn Jahren Pause seien Ihr Studium und Ihre Berufskarriere ohnehin für den Arbeitsmarkt entwertet. Ein schwerer Schlag für Roth.
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Kinderbetreuung und Pflege Angehöriger: Ein Nachteil?
Die Schwierigkeiten, nach längeren Pausen durch beispielsweise Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen, wieder in den Beruf einzusteigen, kennt nicht nur Lia Roth. Auch Viktor Felber aus Aschheim, Personalberater für Unternehmen, weiß, dass längere Lücken in der Arbeitsbiografie oft zu einem klaren Nachteil bei der Jobsuche werden. "Man tut sich schwerer, und man muss auf jeden Fall nachweisen, dass man sich in der Zeit, die man aus dem Job heraus war, in irgendeiner Form weiter qualifiziert", erklärt Felber.
Unternehmen verschenken Potenzial
Genau das hat Lia Roth gemacht. Und dennoch: Trotz zahlreicher Weiterbildungen, Selbständigkeit neben der Familienzeit und über 100 Bewerbungen, erntet Lia Roth vor allem Absagen. Der Umgang mit Lücken im Lebenslauf durch Unternehmen ist für Felber unverständlich: "Da finde ich, wird derzeit noch sehr viel Potenzial verschenkt, weil: Auf der einen Seite wird händeringend gesucht, und auf der anderen Seite stehen Leute zur Verfügung, die sich durchaus schwerer tun". Doch Pausen allein scheinen nicht das einzige Hindernis zu sein.
Frauen Ü-40: Alter ist ein Problem
Ein zusätzliches Hindernis stellt das Alter dar. Unternehmen bekunden zwar Offenheit für Erfahrung, jedoch wird bei konkreten Profilen oft nach jüngeren Alternativen gefragt, so Felbers Eindruck. Wenn er den Firmen erfahrene und damit ältere Bewerber vorschlage, sei es häufig so, dass nachgehakt wird, ob es vielleicht jemanden gäbe, der noch nicht so erfahren sei. "Von daher wird unterschwellig dann doch aufs Alter abgehoben", sagt Felber.
Eine Studie der Bundesagentur für Arbeit bestätigt, dass ältere Arbeitssuchende trotz vorhandener Qualifikationen oft Schwierigkeiten haben, ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Das Alter an sich reduziere bereits ihre Vermittlungschancen, lautet ein zentrales Ergebnis. Und: Jobpausen von einem Jahr oder mehr nehmen in Bayern laut Bundesagentur für Arbeit zu über 90 Prozent Frauen in Anspruch.
Frauen dürfen Selbstwert nicht verlieren
Eine Anlaufstelle in München ist power-m, ein Förderprogramm für den beruflichen Wiedereinstieg. Auch wenn es mittlerweile Männer gäbe, die Hilfe suchen, die "klassische" Wiedereinsteigerin bei power-m, ist 44 Jahre alt, hat zwei Kinder, ist sehr gut qualifiziert und seit durchschnittlich 8,6 Jahren aus dem Berufsleben "raus", erzählt Nina Reggi, die Projektleiterin. Die Frauen hätten eine große Gemeinsamkeit. Sie seien durch die lange Pause verunsichert und hätten wenig Selbstvertrauen. Deshalb gelte es zunächst den Selbstwert wieder aufzubauen, bevor Lebenslauf und Bewerbung optimiert werden.
Unternehmen müssen familienfreundlicher werden
Power-m hat eine Vermittlungsquote von 70 Prozent, das funktioniert aber nur, weil ein enger Austausch mit Unternehmen stattgefunden hat. Familienfreundlichkeit dürfe eben nicht nur in der Anzeige stehen, sondern muss in Firmen wirklich gelebt werden, so Nina Reggi. Auch das bayerische Familienministerium weiß um den Druck auf den Arbeitsmarkt, durch den andauernden Fachkräftemangel und betont: "Kein Unternehmen wird es sich künftig leisten können, auf die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft hoch qualifizierter Frauen zu verzichten."
In Großbritannien oder den USA gibt es bereits Programme, um gut ausgebildete Berufsrückkehrer zu fördern. In Deutschland sucht Lia Roth jedoch vergeblich danach. Sie will optimistisch bleiben: Nach einem Bewerbungsgespräch wurde sie zur nächsten Runde eingeladen.
"Ich sage mir jetzt: neues Spiel. Neues Glück"
Es braucht aber mehr als nur Glück. Gesellschaftlich und betrieblich müssen sich Rahmenbedingungen ändern, damit Frauen, dieselben Arbeitsmarktchancen haben wie Männer. Kürzere und flexiblere Arbeitszeiten für alle wären ein Anfang – mehr Wertschätzung für Sorgearbeit und eine neue Bewertung von Lücken im Lebenslauf.
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