Bauarbeiter beim Betonieren (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / Zoonar | DesignIt

Bauarbeiter beim Betonieren (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Proteste gegen Flächenversiegelung in Unterfranken

Flächenversiegelung bewegt im Freistaat nicht nur Naturschützer, sondern immer häufiger auch die restliche Bevölkerung. Denn versiegelte Böden führen bei Starkregen vielfach zu Überflutungen. Und so wächst der Widerstand gegen mehrere Bauprojekte.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

In Bayern werden täglich gut zehn Hektar für Siedlungs- oder Verkehrsprojekte versiegelt. Das Thema bewegt nicht nur Naturschützer, sondern immer häufiger auch andere Teile der Bevölkerung. Beispiele für Proteste gegen die Planung und schließlich den Bau von Produktionshallen, Einkaufsmärkten, Logistikzentren oder ganzer Gewerbegebiete sind vielfältig. Die Erfahrung zeigt: Es ist schwierig, allen Interessen gerecht zu werden.

  • Zum Artikel: Flächenverbrauch: Von diesen Ländern kann Bayern etwas lernen

Alternative: Gebäude höher, Grundfläche kleiner

Im Grunde gibt es nur eine einzige Lösung. Und zwar: In die Höhe zu bauen. So wird am wenigsten Fläche versiegelt. Allerdings steigen damit in der Regel die Baukosten. Und wer bauen will, versucht das möglichst kostengünstig zu tun. Wenn es nun allerdings günstiger ist, mehr Grund zu kaufen, als auf geringerer Fläche in die Höhe zu bauen, werden Investoren immer versucht sein, die finanziell günstigere Variante zu wählen. Und damit immer weiter in die Fläche bauen.

Rezept gegen großflächige Flächenversiegelung: In die Höhe bauen

Vor allem in den Ballungszentren passiert das. Also dort, wo meistens auch die Grundstückspreise deutlich höher sind als auf dem Land. Wenn Einkaufszentren geplant werden, wird regelmäßig in die Höhe gebaut.

In Schweinfurt entstand vor 14 Jahren das bis heute umstrittene Einkaufszentrum "Stadtgalerie". Umstritten deshalb, weil die Mall wegen der Innenstadtnähe große Konkurrenz für die Geschäfte im Stadtkern darstellt. Auf dem Gelände von einstigen Fabrikanlagen gab es nur wenig Platz. Also wurde der Raum für rund 100 Geschäften auf zwei Ebenen gebaut. Und obendrauf noch – auf zwei weiteren Ebenen – Parkplätze.

Dachbegrünung alleine reicht nicht

Auf einem Logistikunternehmen zwischen Erlenbach und Elsenfeld am bayerischen Untermain ist das Dach auf 71.000 Quadratmetern Fläche begrünt worden. Das Unternehmen wirbt damit, dass im Erdgeschoss pro Tag 60 Lkw be- und entladen werden und oben ein Ökosystem entstanden ist.

Unmittelbar daneben soll aber jetzt der Glanzstoffsee verfüllt werden, damit darauf wiederum Gewerbeflächen entstehen. Der Wald südlich des Industriegebiets soll gerodet werden. Der Waldboden wird den Plänen zufolge dann bis zu vier Meter tief abgegraben, um damit den Glanzstoffsee zu verfüllen.

Im Audio: Braucht es eine Obergrenze für Flächenverbrauch pro Tag?

Baustelle Autobahnbau (Symbolbild)
Bildrechte: BR/Guido Fromm
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Flächenverbrauch

Regionale Initiativen zur Verhinderung von Flächenversiegelung

Es gibt vielerorts Widerstand gegen die Versiegelung. In der "Hofheimer Allianz" im Landkreis Haßberge haben sich schon vor Jahren mehrere Kommunen zusammengeschlossen, um Flächenversiegelung zu stoppen. Ziel war es, keine weiteren Neubaugebiete ausweisen. Die Bürgermeister stellten fest, dass Altorte aussterben und Neubaugebiete quasi zu reinen Schlaforten werden. Die Kommunen machten daraufhin potentiellen Bauherreninnen und Bauherren mit finanziellen Fördermöglichkeiten das Angebot, dass sie Altbauten in den Innenorten sanieren oder die Gebäude abreißen und an gleicher Stelle neu bauen. So wurde und wird bis heute weitere Flächenversiegelung verhindert.

Fördergelder, wenn innerorts bereits versiegelte Flächen neu bebaut werden, gibt es unter anderem vom Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Sie gelten für einstige Militärflächen, stillgelegte Bahngleise oder nicht mehr genutzte Gewerbe- oder Industrieflächen.

Spagat: Investoreninteressen – Bedarf an Einkaufsmöglichkeiten

Auch der Konsument hat eine Mitverantwortung. Ein Investor für einen Supermark wird sein Projekt nur dann umsetzen, wenn es sich lohnt. Am Ortsausgang von Schweinfurt im Stadtteil Oberndorf sollen ein Supermarkt, ein Discounter, ein Drogeriemarkt und 150 Parkplätze auf bisherigem Ackerboden entstehen. Würde ein großer Teil der Bevölkerung dagegen protestieren, würde der künftige Marktbetreiber sich möglicherweise gar nicht erst ansiedeln. Die Mehrheit der normalen Supermarktkundschaft fährt aber nach bisheriger Beobachtung gerne mit dem Auto dahin, wo man am besten alles und schnell auf unkomplizierte Weise bekommt.

Bauprojekt soll per Bürgerbegehren gestoppt werden

In Fall des Oberndorfer Supermarkts gibt es am 8. Oktober, dem Tag der Landtags- und Bezirkstagswahl, in Schweinfurt einen Bürgerentscheid. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens "Natur statt Beton" kritisieren, dass sie nach Einblick in ein vorliegendes Verträglichkeitsgutachten erfahren haben, dass die Investoren neben Oberndorf und dem mobilen Kundenpotential der nahen Autobahn A71 auch die Menschen in den Nachbargemeinden Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld im Fokus hätten. Das "perspektivische Einzugsgebiet" würde rund 10.700 Kunden im Blick haben, schreiben die Initiatoren des Bürgerbegehrens.

Geschäftsräume stehen leer

Im Schweinfurter Stadtteil Oberndorf gab es unter anderem eine Norma und einen Discounter. Diese Geschäfte haben aber geschlossen, weil sie zu wenig Umsatz gemacht haben. Der Versuch, Unternehmer zu finden, die sich in den leerstehenden Läden mit einem alternativen Einkaufsangebot selbständig machen, blieb bislang ohne Erfolg.

Wenn sich aber die drei geplanten Märkte am Ortsrand ansiedeln dürfen, könnte das wieder Auswirkungen auf die Einkaufsmärkte in den Nachbargemeinden Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld haben. In Grafenrheinfeld wurde erst kürzlich am Ortsrand ein neuer Rewe-Markt eröffnet. Und in Bergrheinfeld existiert etwa 600 Meter von den geplanten Märkten entfernt ein Discounter.

Machen die neuen Märkte in Oberndorf auf, dann befürchtet unter anderem der Bergrheinfelder Bürgermeister Ulrich Werner, dass die Leute lieber dort einkaufen und unter anderem der örtliche Discounter mangels genügend Umsatz wieder schließen müsste. Dann könnte es dort eine bereits versiegelte Fläche ohne einen ökonomischen Nutzen geben.

Bürgerentscheid für Flächenversiegelung

Manchmal entscheiden Bürger auch aktiv für Flächenversiegelung. So hat sich im Juli 2023 im Rahmen eines Bürgerentscheids in Üchtelhausen im Landkreis Schweinfurt eine Mehrheit für die Ansiedlung eines Gewerbegebiets und damit verbundener Flächenversiegelung entschieden. Laut Üchtelhausens Bürgermeister Johannes Grebner plant die Gemeinde das kleine Gewerbegebiet zwischen Üchtelhausen und Zell seit acht Jahren.

Die Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Üchtelhausen" fürchtet, dass das bisherige Idyll auf der Höhe über Üchtelhausen durch Neonreklamen, Gewerbegebäude und Parkplätze "verschandelt" wird. Aus Sicht der Bürgerinitiative wären die geplanten Objekte nicht nötig. Sie würden zudem zu einer unnötigen Flächenversiegelung führen. Die Initiative wollte ein Umdenken hin zu einer zukunftweisenden Umgestaltung aller Ortsteile der Gemeinde Üchtelhausen erreichen.

Bürgermeister betont Vorteile für den Ort

Grebner verteidigte immer die Planungen. Aus seiner Sicht kann seine Gemeinde so weiterentwickelt werden. Weiterhin sollte es an der Stelle eine Umsteigemöglichkeit von zwei überregionalen Buslinien geben, die dann auch in die einzelnen Ortsteile führen. Es gibt bislang nur noch zwei Bäckereifilialen in Üchtelhausen und Hesselbach und eine Gaststätte der Gemeinde in Üchtelhausen. Eine Einkaufsmöglichkeit gibt es nirgendwo mehr in der Gemeinde.

Ein Ärztehaus würde Platz für zwei Ärzte bieten. In Augenblick praktiziert ein Allgemeinmediziner in Üchtelhausen. Die Pläne für eine Tinyhouse-Siedlung mit bis zu 40 Häusern für altersgerechtes Wohnen und eine Verlegung der Straßenführung sind laut Grebner bereits wieder vom Tisch. Die Gemeinde Üchtelhausen mit neun Gemeindeteilen hat knapp 4.000 Einwohner.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!