Plakat in Landschaft
Bildrechte: BR / Kühne

Protestplakat der Bürgerinitiative im Freimoos. Um diese Darstellung gibt es Streit, weil sich die Gemeinde Halfing direkt angegriffen fühlt.

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Plastik im Schutzgebiet: Lange Suche nach der Quelle

In das Landschaftsschutzgebiet "Halfinger Freimoos" im Landkreis Rosenheim wird seit etwa 20 Jahren Granulat eingeschwemmt. Woher die Plastikkörner stammen, ist unklar. Ein Gerichtsverfahren dazu läuft seit 2016 – und ging nun in eine neue Runde.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Das Freimoos zwischen Halfing und Amerang ist ein verstecktes Natur-Idyll. Ein schmaler Fluss kommt von Halfing her, mündet zunächst in den Zillhamer See, und fließt dann weiter Richtung Norden in den Ameranger See. Still ist es hier, ein paar Graugänse schwimmen auf dem flachen Gewässer, am Flussufer haben Biber ihre Rutschen eingerichtet, und mit etwas Glück entdeckt man eine Kreuzotter, die ein paar Sonnenstrahlen tankt.

Unterwegs mit Akos Becker, dem Pächter der beiden kleinen Seen, er kennt alle Pfade hier. An der Mündung des Dorfbachs geht er in die Hocke und schaut zwischen Schilfstängeln und allerlei Treibgut genauer hin. Und tatsächlich: Da liegen eine ganze Menge harte Plastikkörner herum, vielleicht vier Millimeter im Durchmesser, die meisten farblos, einige Teile auch blau. "Überall hier schaut das so aus", sagt Becker, "auch die Haufen aus Treibgut sind voll mit dem Zeug, es ist unglaublich."

Bürgerinitiative gegen die Verschmutzung

Er schätzt, dass über die letzten 20 Jahre sicher Hunderte Kilo, vielleicht sogar ein paar Tonnen Granulat ins Freimoos gelangt sein könnten. Der 70-Jährige leidet sichtlich unter der Verschmutzung dieses kleinen Paradieses. Gemeinsam mit einigen Gefährten hat er eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Gemeinsam ist den Aktiven das Unverständnis, dass seit 20 Jahren der Eintrag des Granulats in das Schutzgebiet beobachtet wird, es aber bisher keine Maßnahmen gibt, um das zu verhindern – so sehen sie das jedenfalls.

Suche nach der Quelle des Granulats

Woher aber stammt der Kunststoff? Becker hat, wie viele seiner Mitstreiter, den Verdacht, dass die Firma Profol in Halfing den Eintrag verursacht. Diese Firma nutzt Granulat zur Herstellung von Plastik verschiedenster Art. Becker hat in dicken Ordnern Beschwerden, Gutachten, Prüfberichte und Gesetzestexte gesammelt – und verweist auf ein Schreiben des Landratsamtes Rosenheim von 2007. Darin steht unter anderem dieser Satz: "Es musste festgestellt werden, dass immer noch Kunststoffgranulat aus dem Bereich der Ladezone der Firma Profol verschleppt wird und über die gemeindliche Regenwasserkanalisation in das Gewässer gelangt." Es seien zwar nur geringe Mengen, heißt es weiter, die könnten aber bei fortdauernder Einbringung zu einem Problem werden. Und laut einem Schreiben des Landratsamtes aus dem Jahr 2019 war im März 2018 festgestellt worden, dass aus "2 Straßensinkkästen bei der Zufahrt zur Fa. Profol Granulat abgeschwemmt wurde." Weiter unten in diesem Schreiben steht aber auch, dass laut der Gemeinde Halfing das Betriebsgelände mittlerweile vollständig vom Regenwasserkanalnetz getrennt ist. Diese gehe davon aus, "dass spätestens ab diesem Zeitpunkt von der Fa. Profol kein Granulat mehr in den See gelangen kann."

Firma Profol hält sich für nicht verantwortlich

Gemeinsam mit einem Team des BR-Magazins Quer befragt das BR-Studio Rosenheim den Geschäftsführer von Profol. Helmut Bayer befasst sich seit 2006 mit der Sache. Man habe den Verdacht von Anfang an sehr ernst genommen, sagt er, man habe Arbeitsabläufe überprüft und Lücken geschlossen. "Seit spätestens 2009 sind wir komplett vom Kanalsystem der Gemeinde getrennt. Seitdem bin ich mir relativ sicher, dass wir nicht verantwortlich sein können für den massenhaften Eintrag von Granulat ins Freimoos."

Bayer verweist darauf, dass ihm hellblaues Granulat, wie es im Schutzgebiet gefunden wurde, in seiner Firma noch nie unter die Augen gekommen sei. "Das ist ein Stoff, den wir hier gar nicht verarbeiten, das kann nicht von uns sein", so sein Resumee.

Verfahren vor dem Landgericht: Crailsheim gegen Profol

Eine schwierige Gemengelage, die das Landgericht Traunstein versucht zu klären. Der Grundbesitzer des Freimooses, Ortholf von Crailsheim, hat Klage gegen die Firma Profol erhoben, sie soll den Eintrag stoppen und die verursachten Schäden beseitigen. Seit 2016 schleppt sich das Verfahren dahin, der Lockdown hat gebremst, dann wechselte der Vorsitz, und immer wieder wartet man lange auf Gutachten von verschiedenen Experten. Am Donnerstag sind mehrere Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim als Zeugen geladen. Die verschiedenen Prüfberichte und Untersuchungen über die vielen Jahre werden abgefragt und die Reaktion darauf erklärt. Ein Zeuge sagt, es gebe aus seiner Sicht "keine beweissichere Erkenntnis, dass das Granulat von der Firma Profol stammt."

Auch andere Verursacher sind möglich

Es kommt auch die Feststellung des Amtes von 2019 zur Sprache, dass eine private Rohrleitung entdeckt wurde, die in den Regenwasserkanal einleitet. An diese private Zuführung, heißt es in dem Schreiben an den Kläger, sei das Gelände der Firma Dürrbeck angeschlossen. Dieses Unternehmen hat früher auch in Halfing Plastikprodukte hergestellt, hat den Betrieb aber schon lange eingestellt. Weiter heißt es über diese Rohrleitung: Sie "war stark zugekiest und enthielt eine größere Anzahl an Kunststoffgranulat." Eine Analyse der Proben habe eine Übereinstimmung mit dem Granulat aus dem Schutzgebiet ergeben.

So zieht sich das Verfahren dahin, es tauchen andere mögliche Ursachen für die Verschmutzung auf. Beim Gespräch mit Prozessbeteiligten bleibt der Eindruck, dass hier so schnell keine Entscheidung zu erwarten ist.

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