Eine asphaltierte Straße, die sich im Bau befindet und deren vorläufiges Ende mit Betonpoller begrenzt ist.
Bildrechte: BR/Guido Fromm

Im Bau befindlicher Streckenabschnitt

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Planen Landwirte und Naturschützer gemeinsam ein Volksbegehren?

Maximal fünf Hektar Flächenverbrauch pro Tag in Bayern, das fordern Bauernverband und Bund Naturschutz im Schulterschluss. Sollte das nach der Landtagswahl nicht verbindlich vorgeschrieben werden, denke man über ein gemeinsames Volksbegehren nach.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Eine Bauerndemo mit Traktoren vor der Bayerischen Staatskanzlei, in einem der Schlepper sitzt nicht nur der Bauernverbandspräsident, sondern neben ihm auch der Vorsitzende des Bund Naturschutz - ist so etwas vorstellbar? Warum nicht, kommt darauf an, zu welchem Thema, sagen die Chefs der beiden Verbände, Günther Felßner und Richard Mergner. Im Vorfeld der Landtagswahl üben sie den Schulterschluss: wenn es um die Reduzierung des Flächenverbrauchs in Bayern geht.

  • Zum Thema: Flächenverbrauch: Grüne wollen gesetzliche Obergrenze

Bauern verlieren immer mehr Ackerland

Straßen, Gewerbegebiete, Wohnungen - elf Hektar Fläche werden in Bayern täglich zugebaut. Nicht alles wird dabei komplett versiegelt. In Gärten, auf Kinderspielplätzen oder an Straßenrändern bleiben durchaus Flächen erhalten, wo es grünt und blüht, wo Bäume für Schatten und Abkühlung sorgen, wo Wasser versickern kann. Aber davon haben die Landwirte nichts. Ihre Nutzflächen werden immer weniger. Und das kann so nicht weitergehen, so Bauernverbandspräsident Günther Felßner: "Wir haben in einer Generation die Fläche Niederbayerns verbraucht. Wir müssen herunterkommen von diesen elf Hektar auf mindestens fünf Hektar bis ins Jahr 2030", sagt Felßner im Interview mit BR24. "Wir können unsere Lebensgrundlage nicht in der Dimension vernichten."

Forderung: eine gesetzlich verankerte Obergrenze

Bereits Anfang des Jahres forderte der Bauernverband (BBV) deshalb eine Obergrenze von maximal fünf Hektar Flächenverbrauch pro Tag und wenn das nicht freiwillig gelinge, müsse man es gesetzlich festschreiben. Dasselbe fordert schon seit langem auch der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner: "Es muss gesetzlich festgeschrieben werden und in den Regionalplänen und Flächennutzungsplänen heruntergebrochen werden", wiederholt er seine Forderung und wirft der Staatsregierung vor, nicht konsequent vorzugehen: "Wir haben dieses Ziel schon seit fünf Jahren im Koalitionsvertrag und es wurde nicht umgesetzt."

Aiwanger lehnt Flächenbegrenzung ab

Auch die Grünen fordern eine gesetzliche Obergrenze und haben das heuer im Frühjahr im Bayerischen Landtag beantragt - erfolglos. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warf den Grünen vor, eine "Flächensparideologie" zu verfolgen. "Sie wollen lieber verordnen, verbieten und vorschreiben", so Aiwanger. Das schade der bayerischen Wirtschaft. Beim Bauernverband war man irritiert, denn meist liegt Aiwanger mit den Landwirten auf einer Linie. Der Kommentar dazu im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt: "Dass der Flächenverlust auch die Wirtschaftsgrundlage von Bauernhöfen vernichten kann, erwähnte der Chef der Freien Wähler und selbst Landwirt nicht."

Die Idee: ein gemeinsames Volksbegehren

Bauernverband und Bund Naturschutz sind sich einig, dass die Politik nichts oder zu wenig tut. Wäre nach der Landtagswahl eine gemeinsame Demo vor der Bayerischen Staatskanzlei denkbar? Mit Transparenten, Traktoren und den Chefs der beiden Verbände gemeinsam auf einem Schlepper? Und vielleicht sogar ein gemeinsames Volksbegehren? BBV-Präsident Günther Felßner: "Ja, natürlich, wir betrachten uns als Bauernverband ein bisschen als Denkfabrik für alle. Darum arbeiten wir mit allen gern zusammen, beim Flächenverbrauch gerne auch mit dem Bund Naturschutz. Da nehme ich den Richard gerne auf dem Beifahrersitz mit." Eine Einladung, zu der Richard Mergner nicht nein sagt: "Ich nehme Günter Felßner hier gerne beim Wort, wenn das Ziel beim Flächensparen nicht umgesetzt wird, überlegen wir tatsächlich gemeinsam ein Volksbegehren."

Der Knackpunkt: ökologische Ausgleichsflächen

Während die Naturschützer konkret fordern, in Bayern keine einzige neue Straße mehr zu bauen, liegt den Landwirten ein anderer Punkt besonders am Herzen: keine Ausgleichsflächen mehr. Derzeit muss für jeden Hektar verbaute Fläche ein Hektar ökologische Ausgleichfläche geschaffen werden. Den Bauern gehe also das Doppelte an Ackerland verloren, sagt Günther Felßner: "Das ist eine Idee aus dem letzten Jahrhundert, als wir zu viel Nahrung hatten und viele Flächen stilllegen konnten. Heute brauchen wir Ernährung und Energieproduktion auf den knapper werdenden Flächen." Hier gibt es noch Abstimmungsbedarf, denn Naturschützer Richard Mergner sagt: "Wenn es Eingriffe in den Naturhaushalt gibt, die nicht vermeidbar sind, dann müssen die ausgeglichen werden. Aber wir können reden, wie dieser Ausgleich geschaffen wird."

Landwirtschaftsministerin Kaniber: "Ich würde mit demonstrieren"

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte gestern in der BR24 Rundschau, die Staatsregierung sei sich bewusst, dass man handeln müsse und ihr sei es ein Herzensanliegen, Flächen zu schützen. Allerdings ist ihre wortwörtliche Aussage "Ich würde mit demonstrieren" verwirrend, denn es ist kaum vorstellbar, dass eine CSU-Ministerin, Mitglied der Staatsregierung, zusammen mit Bauern und Naturschützern vor der Bayerischen Staatskanzlei demonstriert. Umso mehr, als Michaela Kaniber auch die Forderung des Bund Naturschutz, keine Straßen mehr zu bauen, ablehnt: "Es kann nicht sein, dass wir keine Infrastrukturprojekte mehr zulassen." Verständnis äußerte sie bezüglich der Forderung der Bauern, die Ausgleichsflächen zu überdenken: "Ich kämpfe seit Jahren darum, dass wir beim Thema Ausgleichsflächen mit Umweltminister Thorsten Glauber eine gute Lösung finden."

Umsetzung in der Praxis?

Richard Mergner vom Naturschutz sagt, die Umsetzung einer Obergrenze von täglich fünf Hektar sei in der Praxis kein Problem: intelligent bauen, nicht in die Fläche, sondern in die Höhe. Das befürworten auch der Bauernverband und die bayerische Landwirtschaftsministerin. Was BBV-Präsident Günter Felßner allerdings nicht möchte, "ist ein bürokratisches Monster und eine Quotenregelung oder einen Zertifikate-Handel für Flächen, das halte ich für schwierig." Beim sogenannten „Zertifikate-Handel“ bekommen Gemeinden Flächenzertifikate je nach Einwohnerzahl zugeteilt. Es ist dann erlaubt, nicht verbrauchte Zertifikate zu verkaufen. Gemeinden, die mehr Fläche verbrauchen wollen, als durch Zertifikate abgedeckt sind, müssen solche zukaufen. Ein bundesweites Pilotprojekt des Umweltbundesamtes hat dabei durchaus Erfolge verzeichnet.

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