Die Situla in einer Vitrine
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Nach Situla-Fund: Warum Archäologen Sondengänger kritisch sehen

Ein Hobby-Schatzsucher hat auf einem Acker in Niederbayern einen Sensationsfund gemacht. Er entdeckte eine Situla, ein verziertes Bronzegefäß aus der Antike. Archäologen sind dennoch von der Arbeit vieler Sondengänger in Bayern nicht begeistert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Dass in Sichtweite seines Wohnhauses ein archäologischer Sensationsfund sein könnte, hat wohl selbst Franz Radlbeck nicht erwartet: "Ich wollte nur kurz mal eine Runde mit meiner Sonde gehen, das mache ich vielleicht zwei bis drei Mal im Jahr", sagt der Irlbacher. Als die Sonde angeschlagen hat, habe er zuerst ein kleines Bronze-Teil gefunden. "Natürlich habe ich dann mit dem Graben angefangen."

Ziemlich schnell habe er die Situla in den Händen gehalten, sie mit nach Hause genommen und abgewaschen. "Dem Herrn Husty hat es die Haare aufgestellt", gibt Franz Radlbeck zu. Ludwig Husty ist der Kreisarchäologe von Straubing-Bogen, dem er wenige Tage nach dem Fund das Bronzegefäß zeigte, die sogenannte Situla. Es ist die erste ihrer Art, die in Deutschland entdeckt wurde.

Bei einer Situla handelt es sich um ein Bronzegefäß, das aufwendig mit Menschen, mystischen Tieren, Wagenrennen- und Boxkämpferdarstellungen verziert ist. In Situlen (lateinisch für Eimer) wurde Wein aufbewahrt oder mit Wasser gemischt. Sie waren hauptsächlich in Oberitalien und Slowenien verbreitet, daher ist der Fund in Niederbayern von besonderer Bedeutung.

Wichtige Informationen beim Situla-Fund verloren gegangen

"Es ist natürlich toll, dass Herr Radlbeck seinen Fund gemeldet hat. Aber es sind leider auch Informationen verloren gegangen", erzählt Archäologe Husty. Er sieht gleich mehrere Fehler: Erstens hätte Franz Radlbeck seiner Überzeugung nach gar nicht graben dürfen. "Wenn die Sonde in dem Maße anschlägt, nachdem er an der Oberfläche schon ein erstes Bronzeteil gefunden hat, hätte er sich eine denkmalrechtliche Erlaubnis einholen müssen."

Ab hier hätten sich vermutlich Profis ans Werk gemacht. So aber seien die Umstände, in der die Situla aufgetaucht war, nicht eindeutig. "Außerdem beschreibt Herr Radlbeck, dass er die Situla in Keramikscherben gefunden hat. Von denen liegen mir keine vor." Zu guter Letzt habe der Hobby-Schatzsucher das Bronzegefäß abgewaschen und mit ihm Überreste der Grabbeigaben. "Ich weiß deshalb auch nicht, ob die Situla beispielweise von einem Stoffbeutel umgeben war", beklagt Husty.

Bayern – Eldorado für Sondengänger

Mit seiner Kritik an den Sondengängern ist der Archäologe nicht allein. "Es gibt wenige, die sich an alle gesetzlichen Vorgaben halten. Die große Masse interessiert sich leider nicht besonders für die Archäologie", sagt Andreas Büttner vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Gerade einmal 150 Sondengänger hätten im vergangenen Jahr einen oder mehrere Funde gemeldet.

Die Dunkelziffer derer, die etwas finden und es nicht melden, schätzt die Behörde aber viel höher. Demnach sind rund 4.000 solcher Hobby-Schatzsucher in Bayern bekannt. Deren tatsächliche Zahl schätzt sie aber auf rund 15.000, sagt Büttner. Viele würden ihre Funde unterschlagen und sogar verkaufen, anstatt sie zu melden – sind also sogenannte Raubgräber. "Insbesondere Bayern galt ja auch lange als Eldorado für Sondengänger in Deutschland", sagt er.

Sondengehen war lange lukrativ

Hierfür nennt er gleich mehrere Gründe: Zum einen brauche es in Bayern - im Gegensatz zu anderen Bundesländern - bis heute keine Nachforschungsgenehmigung, um mit einer Sonde unterwegs sein zu dürfen. Zum anderen habe eine rechtliche Regelung zur Folge gehabt, dass in Bayern besonders viele Sondengänger aus ganz Deutschland nach Schätzen gesucht haben: die sogenannte Hadrianische Regel. Sie besagt, dass das Fundstück jeweils zur Hälfte Finder und Grundstückbesitzer gehört. Das hat Suchen und Finden von archäologisch wertvollen Hinterlassenschaften im Boden lukrativ gemacht.

"Egal ob jemand legal oder illegal gesucht hat, galt die Regel, dass ihm die Hälfte des Eigentums zufällt", kritisiert auch Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung. Einige Sondengeher hätten sogar gezielt auf Gebiet gesucht und gegraben, das als Bodendenkmal ausgewiesen ist, ergänzt Andreas Büttner vom Landesamt für Denkmalpflege: "Derjenige hat dann eine kleine Strafe für eine Ordnungswidrigkeit bezahlt und war dafür aber zur Hälfte Eigentümer eines viel wertvolleren Fundstücks."

Archäologen begrüßen die neuen Regeln in Bayern

Seit dem 1. Juli dieses Jahres hat sich die gesetzliche Regelung in Bayern aber geändert – zum Glück, finden die Archäologen. Seitdem gilt nicht mehr die Hadrianische Regel. Stattdessen hat der Freistaat das sogenannte Schatzregal eingeführt. Demzufolge gehört alles, was im Boden an Denkmälern liegt, automatisch dem Staat. "Wenn das Objekt mehr als 1.000 Euro wert ist, kann der Entdecker jetzt mit einem Finderlohn rechnen und der Grundstückseigentümer mit einem finanziellen Ausgleich", sagt Rupert Gebhard. Außerdem gilt auf Gebieten, die als Bodendenkmäler ausgezeichnet sind, jetzt ein Metallsonden-Verbot. Experten erhoffen sich davon, Sondengeher, die auf verbotenem Gebiet unterwegs sind, direkt in die Schranken weisen zu können.

Das Sondengehen generell zu untersagen, halten die Experten für nicht sinnvoll. Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung, hat dafür einen anderen Wunsch: "Es ist wichtig, dass es in Zukunft mehr Zusammenarbeit zwischen Sondengängern und Archäologen gibt." Nur so könne man an mehr Informationen bei Zufallsfunden wie dem in Irlbach kommen. Das könnte beispielsweise über die Einführung einer Erlaubnispflicht, wie sie auch in anderen Bundesländern gilt, erreicht werden.

Im Video: Fund einer Situla in Niederbayern

In Irlbach in Niederbayern ist die erste jemals in Deutschland gefundene Situla, ein spezielles Bronzegefäß (hinten rechts), präsentiert worden.
Bildrechte: BR/Veronika Meier
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Situla Irlbach

Dieser Artikel ist erstmals am 18. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel überarbeitet und erneut publiziert.

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