Die Glocke eines Einmann-Bunkers in der Impact Area (Einschussgebiet) des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr
Bildrechte: BR/Margit Ringer

Westwallbunker auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr

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Lost Place: Wehrmacht-Bunker auf dem Truppenübungsplatz

Sie sind besonders spannend: verlassene Orte, die zunehmend verfallen und an die keiner mehr hinkommt - sogenannte Lost Places. BR24 hat exklusiv Einblick bekommen in einen dieser besonderen Orte: den Truppenübungsplatz Grafenwöhr.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Zweieinhalb Meter Stahlbeton in Decken und Wänden, weiße Kalk-Tropfsteine an der Decke: Durch tonnenschwere Giftgastüren öffnet sich eine eigene Welt unter Tage. An den Wänden sind Schriftzüge wie "Entlüftung", "Sprachrohr" und "Fernsprecher", das Kabel dazu ragt noch aus dem Boden. Pritschenaufhängungen sind zu sehen.

Ende der 1930er-Jahre errichtete die Wehrmacht auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr eine große Bunkeranlage. Darin sollten Soldaten üben, Konstruktionsweisen und Bautypen wurden erprobt und Technik ausprobiert.

Bunker dürfen nur mit Munitionsexperten betreten werden

Seit drei Jahren erforscht Maximilian Wawrzinek aus Freiburg das Bunkerfeld, das direkt in der sogenannten Impact Area, also dem Einschussgebiet des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr, liegt. Seit mehr als 75 Jahren regnet sämtliche Munition der US-Armee und anderer Nato-Staaten in diese Quadratkilometer. Die Bunker aus der Nazi-Zeit allerdings halten stand.

Nur an den seltenen Tagen, wenn die US-Armee schießfrei hat - und auch nur mit einem Munitionsexperten - kann der 30-jährige Student Wawrzinek nach strengen Sicherheitskontrollen seiner Arbeit nachgehen. Der Munitionsexperte kontrolliert jeden Schritt auf dem Gelände, denn überall liegen Munitionsreste und Blindgänger, die an Land und aus der Luft seit Jahrzehnten abgefeuert wurden.

Wehrmacht plante Großübung in den Bunkern

Mit Lampe, Meterstab, Klappspaten und Tablet hat Wawrzinek die Bunkerruinen erkundet und herausgefunden, dass Grafenwöhr während der Nazi-Zeit eine Art Bunkerschule werden sollte. Aus den historischen Dokumenten geht hervor, dass eine Großübung in den Bunkern angesetzt war. Soldaten, Fahrzeuge und Material waren bereits vor Ort. Kurzfristig wurde die Übung dann aber abgesagt, denn zwei Tage später marschierte Hitler in Polen ein, der Zweite Weltkrieg begann.

An den Bunkeranlagen kann man laut Wawrzinek ablesen, wie die Wehrmacht Kriegsvorbereitungen getroffen hat. Auch wenn die US-Armee alle Bauten 1945 gesprengt hat, sind viele der Anlagen noch intakt. Der Forstwirtschaftsstudent Wawrzinek hat die Puzzleteile zusammengesetzt und daraus seine Bachelorarbeit verfasst.

Industrie hinkte politischen Entwicklungen hinterher

Wawrzinek fand heraus, dass es auch Tarnbunker gab, also Bauten, die mit einem Gehöft oder normalen Gebäuden überbaut und damit getarnt wurden. Wann genau die Bauten errichtet wurden, kann er noch nicht genau datieren - aber durchaus feststellen, dass die Industrie hinter den politischen Entwicklungen in der damaligen Zeit gar nicht hinterherkam.

Im Osten beginnt das Bunkerfeld mit einer meterhohen Panzersperre. Auch sogenannte Drachenzähne und viele Panzerhindernisse sollten den militärischen Feind abhalten. Im Feld sind verschiedene Typen an Bunkern zu finden: Einmann-, Doppelkammer-, Nachrichten-, Artilleriebeobachtungsbunker bis hin zu einem Bunker, in dem eine Schiffskanone verbaut war.

Bunker könnten noch Jahrhunderte intakt bleiben

Wawrzinek kommt aus Freiburg im Breisgau, hat also den sogenannten Westwall - die Verteidigungslinie während der Nazi-Diktatur an der Westgrenze Deutschlands - direkt vor der Haustür. Die Trümmer davon faszinierten den Badener schon als Kind. Ein Praktikum im Rahmen des Forstwirtschaftsstudiums führte ihn zum Bundesforst nach Grafenwöhr, wo er auf eine ganze Bunkerlandschaft gestoßen ist, in der er optimal forschen kann.

Denn nirgendwo sonst gibt es noch so viele Bunker, die noch im Zusammenhang stehen und relativ intakt sind. Das werden sie auch in den nächsten Jahrhunderten noch sein, schätzt der Student. "Das wird so lange halten, wie man sich das damals vorgestellt hat, also das mit 1.000 Jahren könnte für die Bunker tatsächlich funktionieren", sagt er.

Bunker liegen in Hochsicherheitsbereich

Heute nutzen Wildtiere die Bauten unter und über Tage als Rückzugsort. Der Truppenübungsplatz ist eine einzigartige Naturlandschaft, hier leben Wölfe, Hirschrudel, Seeadler und unzählige geschützte Tierarten mehr. Da einige Bunker im Winter frostfrei sind, suchen heutzutage Fledermäuse Schutz darin. Auch Dachs, Fuchs und Co. ziehen sich ihre Beute in die Ruinen, um sie in Ruhe verspeisen zu können.

Zugänglich sind die Bunker nicht. Sie liegen im Hochsicherheitsbereich des Truppenübungsplatzes, an dessen Eingängen streng kontrolliert wird. Zudem liegen sie direkt im Einschussbereich, der ohne Munitionsexperten und aufgrund des Übungsgeschehens rund um die Uhr auf keinen Fall betreten werden sollte.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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