Foto vom Modular-Festival, das der Stadtjugendring Augsburg organisiert
Bildrechte: Kilian Seiler/Modular Festival

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Körper bewertet? Sexismus-Vorwürfe beim Stadtjugendring Augsburg

Der Stadtjugendring Augsburg verspricht jungen Menschen Schutz, Respekt und Akzeptanz. Doch in internen Mails ist von "Machtmissbrauch" und "Übergriffen" beim Modular-Festival die Rede – ausgerechnet durch Personal. Was ist dran an den Vorwürfen?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Am Abend des 28. August verschickt Patrick Jung eine Mail. "Wir möchten Euch über einen Sachverhalt informieren, der uns als Vorsitzende des Stadtjugendrings seit einiger Zeit stark beschäftigt", schreibt der Leiter des Modular-Festivals an alle freiwilligen Helfer. Im Rahmen des Festivals soll es zu "unangemessenem Verhalten und Grenzverletzungen durch Personen des Stadtjugendrings" gekommen sein, schreibt Jung in der Mail, die dem BR vorliegt. Bislang gebe es aber nur "wenige belastbare Sachinformationen".

Körper von Frauen sollen bewertet worden sein

Im Schreiben eines anderen Verfassers, das dem BR ebenfalls vorliegt, werden die Vorwürfe konkretisiert: Es gehe um "unangemessene Annäherungsversuche, körperliche Übergriffigkeiten, sexistisches Fehlverhalten, unangemessene Angebote, Machtmissbrauch und die Kenntnis von Drogenkonsum". Auch "Bodyranking vor Zeugen" wird genannt. Gemeint ist damit die Bewertung der Körper junger Frauen durch Personen des Stadtjugendrings Augsburg (SJR), der das Musik-Festival veranstaltet.

Festival-Leiter Jung, der ebenfalls beim SJR Augsburg beschäftigt ist, hat sich nach BR-Informationen sehr bemüht, die Vorwürfe aufzuklären und beizulegen - scheiterte aber offenbar auch an internen Widerständen. Am Ende werden wohl mehr als 1.000 Personen von Jung kontaktiert, der die Mail zusammen mit der stellvertretenden Augsburger SJR-Vorsitzenden Marlene Mechold und einer weiteren Person unterzeichnet hat. Betroffenen wurden vertrauliche Stellen genannt, an die sie sich wenden können. Jung selbst war für den BR nicht für ein Gespräch zu erreichen.

"Bemerkungen über das Körpergewicht"

Auf BR-Anfrage erklärt der SJR nun, dass es sich bei den Vorwürfen "im Wesentlichen" um Bemerkungen handeln soll, die die Betroffenen als "übergriffig" empfunden hätten, etwa Bemerkungen über das Körpergewicht. Eine andere Person habe nach ihrer Darstellung "nicht einvernehmliche Berührungen an der Schulter" als Grenzverletzung empfunden.

"Nach unserem Kenntnisstand geht es bei den aufgeführten Vorwürfen in keinem Punkt um Äußerungen oder Handlungen, die rechtlich Relevanz haben." Der SJR nehme die Vorwürfe aber ernst und wolle sie aufklären. Vieles bleibe aber "nebulös", da die Vorwürfe nur über Vertrauenspersonen geäußert worden seien. Anzeigen wurden nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erstattet.

Bayerischer Jugendring beklagt fehlende Zeugen

Die Vorwürfe sind bereits seit Monaten bekannt – sowohl der Stadt Augsburg, die das Modular-Festival finanziert, als auch dem bayerischen Sozialministerium. Und auch beim Bayerischen Jugendring (BJR), zu dem auch der SJR Augsburg gehört, weiß man Bescheid. Der BJR erklärt, mit zwei "Vertrauenspersonen" des Modular-Festivals gesprochen zu haben. Diese hätten aber nur "Andeutungen und Umschreibungen" gemacht, da sie "nicht alles offenlegen" wollten. Laut dem BJR gebe es keine Anhaltspunkte für eine "mögliche rechtlich relevante Tat". Eine Sprecherin kritisiert, dass sich weder Zeugen noch Opfer gemeldet hätten. Das mache es schwer, die Vorwürfe zu prüfen. Schon im Juni habe man eine Mediatorin beauftragt, um in der Auseinandersetzung zu vermitteln.

Personen, gegen die sich die Vorwürfe richten, wurden dem BJR schriftlich benannt. Ebenfalls der Stadt und dem Sozialministerium. Seit Jahren gebe es gegen die Personen Vorwürfe, heißt es in einem Schreiben.

Es brodelt hinter den Kulissen

Fakt ist: Hinter den Kulissen brodelt das Thema seit Wochen, das hat der BR aus mehreren Gesprächen erfahren. Eine Stadträtin fragt sich, ob es sich bei den Vorwürfen nur um die "überempfindliche Wahrnehmung" Einzelner handelt und ob etwa ungefragtes Massieren der Schultern schon ein Übergriff sei? Andererseits berichtet sie von einem "Macht-System" innerhalb des Stadtjugendrings Augsburg. Eine der verdächtigten Personen reagiere in der Regel nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung", wenn jemand deren Kreise störe, so die Stadträtin.

Eine Augsburgerin Stadträtin kritisiert, dass der BJV die Causa "nur nach juristischen Gesichtspunkten beurteilt". Das sei "schwierig". In Bayern ist der Jugendring eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. In seiner Satzung ist von einem gelingenden Miteinander die Rede, "in dem Respekt, Akzeptanz und Achtsamkeit Ausdruck unserer gemeinsamen Werte sind". Kinder und Jugendliche sollen "in den Organisationen, Angeboten und Einrichtungen der Jugendarbeit vor sexualisierter Gewalt, Übergriffen und Grenzverletzungen geschützt werden". Mit anderen Worten: Die moralische Latte liegt hoch.

Der BJV tritt dem Eindruck, nur auf juristische Aspekte zu achten, entschieden entgegen. Man nehme die Anschuldigungen ernst, habe umgehend gehandelt, persönliche Gespräche angeboten, Hinweise zu Fachberatungsstellen gegeben und mitgeteilt, welche Informationen man brauche, um im Sinne möglicher Betroffener handlungsfähig zu sein.

Festival-Leiter setzte auf "Awareness-Teams"

Festival-Leiter Jung hat sich selbst für sogenannte "Awareness-Teams" auf dem Festival-Gelände eingesetzt, also Personen, an die Übergriffe gemeldet werden können. Die Stadt Augsburg hat den Betroffenen professionelle Unterstützung durch Augsburger Fachstellen empfohlen. Dem SJR sei klargemacht worden, "seine Strukturen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen sowie den Themen Prävention und Awareness eine höhere Priorität einzuräumen", so die Stadt weiter.

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