Zwei jugendliche Schülerinnen schauen sich auf dem Smartphone Videonachrichten an
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Zwei jugendliche Schülerinnen schauen sich auf dem Smartphone Videonachrichten an (Symbolbild)

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"Kinderpornografie im Klassenchat" wird ein zunehmendes Problem

Schüler teilen immer häufiger Videodateien in sozialen Netzwerken, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder zeigen – oft versehen mit vermeintlich witzigen Texten und Emojis. Laut Polizei nehmen die Fälle auch in der Oberpfalz zu.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Laut dem Polizeipräsidium Oberpfalz nimmt die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte unter Kindern und Jugendlichen weiter zu. "Wenn man den Vergleich von 2020 auf 2021 heranzieht, so kann man sagen, dass die Zahlen sich verdoppelt haben. Auch im Jahr 2022 haben wir steigende Straftaten zu registrieren", so Thomas Schöniger, Vizepräsident des Polizeipräsidiums Oberpfalz.

Hunderte Fälle im letzten Jahr

Gut 239 Ermittlungen gegen Jugendliche unter 21 Jahren hat die Oberpfälzer Polizei im letzten Jahr geführt. 2020 waren es "nur" 126 Fälle, bei denen sich Kinder oder Jugendliche wegen kinderpornografischen Inhalten auf ihren Handys oder anderen Endgeräten strafbar gemacht haben. Bis Oktober 2022 sind bei der Polizei schon 264 Anzeigen eingegangen. Eine ähnliche Entwicklung wird Schöniger von anderen bayerischen Polizeipräsidien gespiegelt.

In Niederbayern wurden im Jahr 2020 über 360 Straftaten im Bereich Kinderpornografie registriert, im vergangenen Jahr waren es 667 Inhalte, die verbreitet wurden. Sowohl bei Opfern als auch bei Tätern handelte es sich bei der Mehrzahl um Kinder und Jugendliche.

Immer mehr Grundschüler besitzen Handys

Die Polizei führt die steigenden Fallzahlen im Wesentlichen auf zwei Gründe zurück: Viele Kinder besitzen bereits in der Grundschule ein Smartphone, leider oft ohne Kontrolle durch die Eltern. Und: Viele Kinder und Jugendliche sind sich nicht bewusst, dass die Verbreitung, der Besitz oder auch schon die Suche nach kinderpornografischen Inhalten im Internet eine Straftat ist. Somit sind im Bereich der Kinderpornografie rund zwei Drittel der Tatverdächtigen unter 21 Jahren.

"Ein Video, in dem ein anderes Kind sexuellem Missbrauch ausgesetzt ist, begreifen viele erst mal als Spaß, als einen Witz", beobachtet auch Kriminaldirektor Gerhard Huf von der Kriminalinspektion Amberg, wenn er Kinder und Jugendlichen zur Sache vernimmt.

Kinder und Jugendliche sind sich der Folgen nicht bewusst

Nicht nur, dass das Missbrauchsopfer auf den Fotos oder Videos durch das Weiterleiten ein zweites Mal zum Opfer wird. Das strafbare Handeln der Kinder hat auch Auswirkungen auf das persönliche Umfeld, vor allem für die Eltern. Denn meist sind sie als Erziehungsberechtigte die Anschlussinhaber. Geht bei der Polizei eine Anzeige ein, werden Ermittlungen eingeleitet, Hausdurchsuchungen durchgeführt und dabei alle Smartphones und andere Datenträger in Haus oder Wohnung beschlagnahmt.

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Bilder werden in Klassenchats verbreitet

Nach der Auswertung wird der Personenkreis dann größer, weil kinderpornografische Inhalte zum Beispiel in Klassenchats verbreitet werden. Dann wird auch gegen Mitschüler ermittelt, ebenso wird dort durchsucht und beschlagnahmt.

"Die Ermittlungen sind inzwischen eine personelle Herausforderung. Es beschäftigt uns enorm", bekräftigt Thomas Schöniger. Inzwischen sind rund 15 Beamte in der Oberpfalz nur damit beschäftigt. Ebenso ausgelastet sind die Staatsanwaltschaften, die die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen anordnen müssen.

Mobiltelefone als Beweismittel beschlagnahmt

In der Regel komme es am Ende aber nicht zu einer Verurteilung, so Stephan Brunner von der Staatsanwaltschaft Regensburg. Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig. Hier werden die Smartphones auf Werkeinstellungen zurückgesetzt und Eltern wie Kinder belehrt.

Bei Jugendlichen ab 14 Jahren verhält es sich anders: Sie sind strafmündig. Sofern sie geständig sind und keine Vorstrafen aufweisen, bleibt es meist bei einer Ermahnung, so Staatsanwalt Brunner. Sollte dem nicht so sein, kommt es zur Anzeige. Die Endgeräte bleiben als Beweise eingezogen, auch, wenn diese den Eltern gehören oder für die Arbeit benötigt werden.

Strafen sind die Ausnahmen

Eine Strafe ist aber die Ausnahme. "Grundsätzlich ist es das Ziel, die Kinder und Jugendlichen zu erziehen und nicht zu bestrafen." Das gleiche Ziel verfolgen auch die Schulen in der Oberpfalz. In Form von Informationskampagnen wie "Mach dein Handy nicht zur Waffe" oder "Dein Smartphone - Deine Entscheidung" arbeiten die Schulen eng mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen, sagt Thomas Unger von der Regierung der Oberpfalz.

Fortbildungsmaßnahmen bei Schulpersonal

Lehrkräfte besuchen entsprechende Fortbildungen, Schulpsychologen und Sozialpädagogen sind darauf vorbereitet. Dabei gelte es die Kinder in der Phase ihres Lebens abzuholen, in der sie gerade sind, so Unger. Gute Erfahrung habe man mit Influencern gemacht. Auch die Polizei hat aufwendige Videos produzieren lassen, die auf die Folgen aufmerksam machen, wenn Kinder oder Jugendliche kinderpornografische Inhalte verbreiten.

Auch Eltern in der Pflicht

Trotzdem sieht Polizeivizepräsident Schöniger nicht nur die Kinder in der Pflicht, sondern die Gesellschaft und - als erster Ansprechpartner - die Eltern. Dabei sei man sich bewusst, welch schmaler Grat hierbei zu meistern ist. "Es gilt: kontrollieren, nicht spionieren."

Sollten Eltern auf den Endgeräten ihrer Kinder entsprechende Fotos oder Videos finden, sollten sie damit zur Polizei gehen. Keinesfalls sollten die Dateien in Elternchats verschickt werden. Denn damit verbreiten die Eltern selbst kinderpornografische Inhalte und machen sich strafbar. Schlimmstenfalls droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Bildrechte: BR/ Sebastian Grosser
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Vertreter von Polizei und Justiz informierten in Regensburg über Präventionskampagnen gegen die Verbreitung von Kinderpornographie

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