Julia von Weiler, Geschäftsführerin von Innocence in Danger e.V., einem Netzwerk gegen Kinderpornografie
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Julia von Weiler, Geschäftsführerin von Innocence in Danger e.V. , einem Netzwerk gegen Kinderpornografie

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Julia von Weiler: "In dieser Sekunde werden Kinder missbraucht"

Das Netzwerk "Innocence in Danger" setzt sich seit über 20 Jahren gegen Kinderpornografie ein. Im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers hat die Geschäftsführerin Julia von Weiler nur Unverständnis übrig für die Untätigkeit der Politik.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornografie nehmen seit Jahren stark zu – besonders im Internet. Warum der Bundesjustizminister und die Fachpolitiker der Ampelparteien die Interviewanfragen des BR-Politikmagazins Kontrovers ausgeschlagen haben, kann sich Julia von Weiler nicht erklären. Seit 20 Jahren engagiert sich die Diplom-Psychologin in Deutschland gegen Kindesmissbrauch. Als Geschäftsführerin des Vereins "Innocence in Danger", einem internationalen Netzwerk gegen Kinderpornografie.

"Ich frage mich: Wieso fällt es Politikerinnen und Politikern so schwer, eine klare Haltung dazu zu entwickeln und die Strafverfolger in die Lage zu versetzen, ihre Arbeit zu machen?" Julia von Weiler, Innocence in Danger e.V.

Dazu zählt von Weiler einerseits, dass Strafverfolger an die Daten kommen können müssen, die sie brauchen und andererseits aber auch in der Lage sein sollten, ermittelte Missbrauchsdarstellungen aus dem Netz löschen zu können. Denn solange Opfer wüssten, dass solche Abbildungen im Netz herumschwirrten, sei der Fall niemals abgeschlossen.

Verbreitung und Besitz von Kinderpornografie nimmt zu

"Wir sehen immer nur die Spitze des Eisbergs", sagt die Geschäftsführerin der Organisation Innocence in Danger. Genaue Zahlen dazu, wie verbreitet Missbrauch und Kinderpornografie in Deutschland sind, gibt es laut Julia von Weiler nicht. Was das Netzwerk gegen Kinderpornografie aber seit insbesondere zehn Jahren sehen könnte, so von Weiler, ist, dass die Zahl der Verbreitung und die Zahl großer Plattformen mit mehreren Tausend bis zu Hunderttausend Nutzerinnen und Nutzern deutlich zunehmen. Das zeigt auch die polizeiliche Kriminalstatistik: Seit Jahren nehmen die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornografie stark zu.

"Jetzt gerade, in dieser Sekunde, werden Kinder missbraucht und davon werden Abbildungen gemacht und die werden ins Netz geströmt." Julia von Weiler, Innocence in Danger e.V.

Politik scheut Positionierung – zum Leid der Opfer

Besser scheint es da in den USA zu laufen: Dort gibt es eine Meldeverpflichtung für Provider und mit dem "National Center for Missing and Exploitet Children" eine Stelle, die alle gemeldeten Informationen zusammenfasst und weiterleitet: "Die melden, glaub ich, tagesaktuell zwischen 150 und 300 mögliche Verfahren, die deutsche Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger betreffen könnten," sagt von Weiler. In Europa hingegen gebe es bislang lediglich ein EU-Gesetzesvorhaben.

Dieses habe sich zwar vorgenommen, ein äquivalentes Europäisches Zentrum aufzubauen und die Provider gesetzlich zu verpflichten, mehr für den digitalen Kinder- und Jugendschutz zu tun, die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen zu bekämpfen und Cybergrooming – also das gezielte Ansprechen Minderjähriger mit dem Ziel, sexuelle Kontakte anzubahnen und Straftaten zu begehen – zu verhindern. Doch auch bei diesem Gesetzesvorhaben ist die Meinungsbildung in der Politik zum Leidwesen von Betroffenen und Kinderschutzorganisationen wie Innocence in Danger noch nicht abgeschlossen. "Es ist schier nicht auszuhalten, dass diese Prozesse so unendlich lange dauern," so von Weiler weiter. Zur Zeit gibt es keine gesetzliche Regelung.

Kritik am Quick-Freeze-Verfahren

In Deutschland ist es derzeit gängige Praxis, dass IP-Adressen von Providern zu Abrechnungszwecken lediglich etwa sieben Tage lang gespeichert werden. Danach werden sie unwiederbringlich gelöscht. Ermittler kritisieren, dass diese Zeit zu kurz ist, um Straftaten festzustellen und Täter zu identifizieren. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat ein sogenanntes Quick-Freeze-Verfahren vorgeschlagen. IP-Adressen könnten dann - nach einem richterlichen Beschluss - länger gespeichert werden. Das hält von Weiler für nicht ausreichend: Was nicht mehr da ist, kann nicht gespeichert werden. "Wenn die Daten verloren gegangen sind, weil die Provider sie nicht mehr vorhalten, dann sind sie einfach weg und dann nutzen sie auch niemandem was," sagt von Weiler. Die Verbindungsdaten sind laut von Weiler bei der Bekämpfung von Kinderpornografie ein sehr wirksames Instrument.

In einem nächsten Schritt sieht von Weiler einen großen Bedarf, die Justiz zu stärken: Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssten dann auch in die Lage versetzt werden, "mit der Flut von Verfahren und vor allen Dingen mit diesen gigantischen Datenmengen umzugehen, um diese Verfahren überhaupt führen zu können," sagt Julia von Weiler im Kontrovers-Interview.

Video: Kinderpornografie - Der Kampf der Ermittler

In Bayern wird immer häufiger gegen Menschen ermittelt, die kinderpornografisches Material ins Netz stellen, verbreiten oder laden. Kontrovers-Die Story begleitet eine Staatsanwältin auf der Spur von Tätern und Opfern.
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In Bayern wird immer häufiger gegen Menschen ermittelt, die kinderpornografisches Material ins Netz stellen, verbreiten oder laden.

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