Geschichtlich betrachtet ist Nürnberg die Stadt der Täter: Nach der Machtübernahme der nationalsozialistischen NSDAP von Adolf Hitler feierte die Partei dort jährlich mit Hunderttausenden die Reichsparteitage. Am 30. August 1933 bestimmte Hitler Nürnberg zur "Stadt der Reichsparteitage". 1935 wurden in Nürnberg die sogenannten Rassengesetze verkündet, die in der Folge die systematische Verfolgung und Ermordung der Jüdinnen und Juden ermöglichten.
Nur unweit des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes feierten an diesem Sonntag mehr als 300 Jüdinnen und Juden und Freunde Israels den Israel-Tag. Diese Veranstaltung findet seit 2003 jährlich im Mai um den Gründungstag des Staates Israel (14. Mai 1948) statt. In diesem Jahr wurde sie das erste Mal in Nürnberg durchgeführt. Organisiert wurde der Israel-Tag von der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (IKGN) und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Söder: Israel-Tag "keine normale Veranstaltung"
Ziel sei es, über den Staat Israel aufzuklären, sagte Mitorganisator André Freud, Geschäftsführer der IKGN, dem BR. Denn viele Menschen hätten Unkenntnis, und das sei "immer der Nährboden für alle antijüdischen Vorurteile und Ressentiments. Also wollen wir dieser Unkenntnis Kenntnis entgegensetzen", so Freud. Als Redner habe man daher nicht nur pro-israelische Sprecher vorgesehen, sondern mit Bassem Eid "auch gezielt einen Menschenrechtsaktivisten aus der Westbank, also aus dem Westjordanland, eingeladen".
Es sei keine normale Veranstaltung, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Beginn der Veranstaltung. Es sei unter anderem ein Bekenntnis zu "ganz wichtiger Freundschaft und Partnerschaft zwischen Bayern und Israel". Beide Länder würden einen engen Austausch pflegen, beispielsweise in Wirtschaft und Wissenschaft. "Wir in Bayern kopieren vieles aus Israel, haben israelische Bewässerungstechnik für den guten fränkischen Wein", scherzte Söder.
Versprechen an Juden: "Sie werden in Bayern geschützt"
Der Ministerpräsident kam aber auch auf ernste Themen wie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu sprechen. "Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen". Einem Juden wie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj "vorzuwerfen, er sei ein Nazi, ist der größte Treppenwitz der Geschichte und kann nicht akzeptiert werden".
Ein Hauptanliegen war Söder das Thema zunehmender Hass gegen Jüdinnen und Juden. "Die hässliche Fratze des Antisemitismus wird auf verschiedenen Ebenen bekämpft", sagte er und ergänzte: "Antisemitismus ist kein Kavaliersdelikt, nicht von Meinungsfreiheit gedeckt, sondern ist ein Verbrechen."
Der Ministerpräsident gab zudem ein "persönliches Schutzversprechen" ab und gab den Zuhörerinnen und Zuhörern mit auf den Weg: "Sie werden im Freistaat Bayern geschützt, wir sagen denen den Kampf an, die die Rechte der jüdischen Bürger angreifen".
Klare Positionierung gegen Israel-Feinde
Auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, beklagte Antisemitismus in der Deutschen Gesellschaft. So würden "Extremisten, wie die der AfD, Hass verbreiten". Sie forderte, dass die Existenzfrage Israels niemals Grundlage einer demokratischen Debatte sein dürfe.
Uwe Becker, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, positionierte sich klar gegen die als antisemitisch eingestufte Organisation BDS. Die Abkürzung BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen. Die Gruppe führte am Sonntag ebenfalls eine Veranstaltung in Nürnberg durch, die auf viel Unverständnis bei Teilnehmern stieß. Becker ging insbesondere auch auf antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft ein. "Sprüche wie "From the River to the Sea, Palestine Will Be Free" kann und darf es nicht mehr in Deutschland geben", sagte Becker. Solche Parolen würden die Vernichtungsfantasien von Israel-Feinden befeuern. Denn zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer liege bekanntlich der Staat Israel.
Positiv hob Charlotte Knobloch jedoch hervor, dass Israel heute "mehr Freunde im Nahen Osten" habe als je zuvor. Wie es allerdings um Israels Lage in der Welt teilweise bestellt ist, verdeutlicht die Meldung vom vergangenen Freitag aus dem Irak. Wer dort Kontakte nach Israel hat, muss künftig mit drakonischen Strafen rechnen. Dafür sorgt ein Gesetz, das die schiitische Mehrheit im Parlament verabschiedet hat. Auf Bagdads Straßen herrschte anschließend Jubelstimmung.
Israels Innovationen im Mittelpunkt
Doch beim Israel-Tag in Nürnberg sollte es vor allem auch um den Staat Israel an sich gehen, den Charlotte Knobloch als "politisch reifes, gesellschaftlich vielfältiges und wirtschaftlich strotzendes Land" beschrieb, dass seine Traditionen nicht vernachlässigt habe. Landtagsvizepräsident Karl Freller meinte, Israel sei die einzige Demokratie im Nahen Osten, "ein Land, in dem es sich auch liberal leben lässt", so der CSU-Politiker.
Gemeinhin gilt Israel international beispielsweise als High-Tech-Nation. So referierte Guy Katz, Professor für internationales Management, zum Thema israelische Innovationen: Ein Grund für die Wirtschaftlichkeit des Staates ist laut Katz die Einwanderung und das dadurch verursachte Bevölkerungswachstum. Man habe das Beste aus der Migration gemacht, meinte Katz. "Migration ist etwas Tolles und Israel hat es immer wieder bewiesen. Alle sind Macher, nur in unterschiedlicher Art und Weise". Zudem stecke das Land viel Geld in Forschung und Entwicklung.
Nürnberg hat Partnerstadt in Israel
Dass Nürnberg wieder über eine große jüdische Gemeinde verfügt, ist vor allem ein Verdienst von Arno Hamburger. Ein Nürnberger Jude, der nach der Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus wieder in seine Heimatstadt zurückkam. Er baute die israelitische Kultusgemeinde auf und setzte sich als SPD-Politiker im Nürnberger Stadtrat auch für einen Austausch mit Israel und für eine Partnerstadt ein.
Allerdings sei es schwer gewesen, eine "Stadt in Israel zu finden, die mit Nürnberg eine Städtepartnerschaft eingehen wollte", sagte Jo-Achim Hamburger schon 2018 dem BR. Der heutige Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg ist der Sohn von Arno Hamburger. 1995 wurde dann der Vertrag zwischen Nürnberg und Hadera unterzeichnet, einer Stadt nördlich von Tel Aviv. Diese Städtepartnerschaft besteht bis heute.
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