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Protestaktion gegen Glyphosat

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"Glyphosatfreie" Landkreise – Vorreiter oder Marketing-Gag?

Bisher haben bundesweit rund 90 Städte, Gemeinden und Landkreise für "pestizidfrei" erklärt. Heute entscheidet Landkreis Berchtesgadener Land, ob er ebenfalls diesen Schritt wagt. Aber was bringt das eigentlich? Von Lorenz Storch

Der Landkreis Miesbach ist schon einen Schritt weiter als das Berchtesgadener Land:

"Wir nennen uns glyphosatfreier Landkreis. Das ist im Kreistag einstimmig im Juni diesen Jahres beschlossen worden." Wolfgang Rzehak (Grüne), Landrat Miesbach

Allerdings: Direkt verfügen kann der Landkreis nur über seine eigenen Flächen. Und die sind nicht sehr zahlreich. Wie die meisten Landkreise in Bayern besitzt der Landkreis Miesbach praktisch nur die Grundstücke rund um seine Liegenschaften – das Krankenhaus, das Altenheim, und so weiter. Zwar gilt das Verbot hier über Glyphosat hinaus für alle Pestizide. Trotzdem hat der Leiter der Umweltabteilung, Thomas Eichacker, nur einen einzigen Fall gefunden, wo tatsächlich Gift eingesetzt wurde: Auf den Rosen direkt vor dem Landratsamt. Da muss sich der Hausmeister jetzt ohne Giftspritze helfen:

"Das ist natürlich ein bisschen Mehraufwand. Er muss jetzt das Unkraut immer händisch rauszupfen oder mit Heißwasser behandeln. Und was die Läuse betrifft: Mit Marienkäfern, das scheint ganz gut zu funktionieren." Thomas Eichacker

Gemeinden haben mehr Grundstücke als Landkreise

Über mehr Grundbesitz als die Landkreise verfügen in Bayern die Gemeinden. An seine 17 Gemeinden hat der Landkreis Miesbach appelliert, offiziell auf Glyphosat zu verzichten. Sechs davon haben die unterschriebene Erklärung bisher zurückgeschickt. Eine Reihe anderer Städte und Gemeinden in Bayern haben sich schon früher für glyphosatfrei erklärt, etwa Nürnberg, Gräfenberg, Tutzing oder Dachau.

"Wir sind ja auch Verpächter landwirtschaftlicher Flächen. Und dann haben wir uns entschieden, unsere Flächen so auszuschreiben, dass das nicht mehr eingesetzt werden darf. Weil wir sagen: Im Zweifel für den Verbraucher." Florian Schiller (CSU), Stadtrat Dachau

Die Klausel gegen Glyphosat wird jeweils eingefügt, wenn ein Pachtvertrag zur Verlängerung ansteht – die Bauern haben bisher kein Problem damit, heißt es aus Dachau.

Im Kreis Miesbach arbeiten viele Bauern sowieso biologisch

Ähnlich schaut es im Kreis Miesbach aus. Mangels eigenen Grundbesitzes kann der grüne Landrat Rzehak an die Bauern nur appellieren, auf Pflanzengift zu verzichten. Aber das fällt auf fruchtbaren Boden:

"Unsere Bauern stehen auch dahinter. Es ist interessant, dass der Kreisverband des Bauernverbands diese Resolution im Kreistag auch mit initiiert hat. Das wäre ein gutes Beispiel auch für den bayerischen und Bundesbauernverband. Der Appell aus dem Oberland: Die Bauern vor Ort wissen, was gut ist." Wolfgang Rzehak (Grüne), Landrat Miesbach

Viel ändern müssen die Miesbacher Landwirte allerdings nicht. 30 Prozent sind sowieso schon Biobauern - der bayerische Spitzenwert - und die anderen wirtschaften meist auf Grünland, wo Glyphosat generell kaum eine Rolle spielt. 

"Man muss man ehrlicherweise sagen: Es ist mehr ein Symbol, ein Appell. Aber es ist ein wichtiges Symbol. Wenn das alle Landkreise und Kommunen so machen würden, dann ist das ein Zeichen nach oben, in den Bund, die EU: Wir wollen das nicht, wir wollen kein Gift." Wolfgang Rzehak (Grüne), Landrat Miesbach

Etikett "glyphosatfrei" hilft auch der Tourismuswerbung

Und ein bisschen Eigennutz ist auch dabei, gibt der grüne Landrat zu, wenn sich ein Landkreis wie Miesbach glyphosatfrei nennt:

"Ja, es sollte sich auch auszahlen. Es ist auch eine Image-Sache. Wir haben naturnahen Tourismus." Wolfgang Rzehak (Grüne), Landrat Miesbach

Im Landkreis Berchtesgadener Land sind die Struktur und die Interessenlagen mit vielen Milchbauern und Tourismus prinzipiell ähnlich. Der Antrag für das Label pestizidfrei hat daher auch dort gute Chancen.