Gletscherrest des nördlichen Schneeferners am Zugspitzplatz
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Gletscherrest des nördlichen Schneeferners am Zugspitzplatz

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Gefahr durch Gletscherschmelze steigt – auch in Bayern

Nach dem Unglück am Berg Marmolata in den Dolomiten warnen Experten: Aufgrund des Klimawandels beschleunigt sich das Abschmelzen der Gletscher. Auch in den bayerischen Alpen nimmt die Gefahr von Felsstürzen zu.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Nach dem verheerenden Gletscherbruch in den Dolomiten rückt der Klimawandel als mögliche Ursache in den Fokus. Nach Aussage von Experten ist das Unglück auf die steigenden Temperaturen zurückzuführen. Diese lassen die Gletscher immer weiter schmelzen und bröckeln; wegen des geringen Niederschlags in diesem Winter fehlte Schnee, der den Gletscher zusätzlich vor der Sonne hätte schützen können.

Gefahr von Felsstürzen in Bayern steigt

Auch in den bayerischen Alpen verlieren die Gletscher Jahr für Jahr an Masse. Ein solch großer Gletschersturz wie im Marmolata-Massiv sei in Bayern allerdings undenkbar, sagte der wissenschaftliche Koordinator der Forschungsstation Schneefernerhaus an der Zugspitze, Till Rehm, im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Die Gletscher hierzulande seien erstens viel kleiner und auch nicht so exponiert.

Die Gefahr, dass das Gestein bröckelt und Felsteile abbrechen, nehme aber zu, auch wegen des schneearmen Winters, so Rehm. Bergstürze habe es natürlich immer schon gegeben. Aber so etwas wird laut Rehm immer wahrscheinlicher dadurch, dass es immer wärmer wird. Zudem fehle auch die Schneeauflage.

Forscher rät Bergsportlern zur Vorsicht

Etwa im brüchigen Wettersteinkalk rät der Wissenschaftler Bergsportlern zur Vorsicht: "Einen Helm aufsetzen, wenn man hier unterwegs ist, in den steilen Wegen, das würde ich in jedem Fall machen. Zumindest in den steilen Wegen hier zum Zugspitzgipfel."

Gefährlich sei auch der Höllentalferner, weil sich der Gletscher zurückziehe, so Rehm: "Da ist aber weniger das Problem, dass was abbricht, sondern dass die Randkluft immer größer wird, dass es immer schwieriger wird, vom Eis auf den Fels rüberzuwechseln. Und der Hauptanstieg über das Höllental, der geht einmal übers Eis und dann in die Felswand rein."

  • Zum Artikel: "Klimawandel macht Bergsteigen im Hochgebirge gefährlicher"

Messner von Gletscherbruch in den Dolomiten "nicht überrascht"

Über die Ursache, warum sich die Gletscher zurückziehen, sind sich Experten schon lange einig. So war auch der Extrembergsteiger Reinhold Messner nicht überrascht angesichts des Unglücks in den Dolomiten: "Der Hauptgrund ist die Erderwärmung und der Klimawandel. Diese fressen die Gletscher weg", sagte der 77-Jährige. Just an den Abbruchkanten bilden sich dann sogenannte Eistürme - Séracs genannt - "die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen", erklärte Messner.

Der Südtiroler, der als erster Alpinist alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hatte, kennt Séracs etwa aus dem Himalaya. Er mahnt, Touren auf Eis nur mit Bergführer zu machen. Doch selbst das ist keine Sicherheitsgarantie: Nach Medienberichten gehören auch Bergführer zu den Vermissten nach der Dolomiten-Katastrophe.

Vorfälle wie an der Marmolata werde man häufiger sehen, meint Messner. Heute gebe es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher. "Die globale Erwärmung kommt aus den Ballungszentren und Städten, von den Autobahnen und Fabriken", sagte Messner. "Aber wir in den Bergen merken sie, schon seit 30 Jahren sehen wir mit bloßem Auge, wie die Gletscher schmelzen. Dazu muss man kein Wissenschaftler sein."

Klimaforscher: Alpen bis Ende des Jahrhunderts eisfrei

Der Augsburger Klimaforscher Harald Kunstmann
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Der Augsburger Klimaforscher Harald Kunstmann

Der Augsburger Klimaforscher Harald Kunstmann verwies auf die "extremen Temperaturen", die das Unglück am Marmolata-Gletscher ausgelöst haben könnten. Über drei Wochen lang hätten in der Region durchgehend Temperaturen über null Grad geherrscht, tagsüber seien die Werte bis auf 13 Grad angestiegen, sagte Kunstmann im BR24-Interview.

Solche Gletscherbrüche vorherzusagen sei "sehr schwierig bis unmöglich", auch wenn die Rahmenbedingungen auf mögliche Instabilitäten hinwiesen. Kunstmann befürchtet wie Messner auch zukünftig weitere Unglücke dieser Art. "Wir sehen diese Entwicklungen in unseren sehr aufwändigen Computermodellen, die wir auch gerade für den Alpenraum laufenlassen."

Eine Zunahme von Trockenheiten und extremen Temperaturen sei erkennbar. Wenn es dann passiere, sei man als Forscher erschüttert und staune, dass diese Vorhersagen tatsächlich und sogar früher einträten, als man es erwartet habe, betonte Kunstmann, der sich an der Uni Augsburg mit regionalem Klima beschäftigt. Mit Blick auf die Entwicklung von Emissionen prognostiziert der Forscher, dass die Alpen bis Ende des Jahrhunderts eisfrei sind. Folge könnten "massive Veränderungen in der Flora und Fauna" sein.

Papst mahnt angesichts des Klimawandels zum Umdenken

Papst Franziskus erklärte im Onlinedienst Twitter, die Menschheit müsse angesichts solcher "Tragödien, die wir wegen des Klimawandels erleben", schnell umdenken. Auch Italiens Ministerpräsident Mario Draghi sieht Handlungsbedarf: "Die Regierung muss darüber nachdenken, was passiert ist, und Maßnahmen ergreifen."

Der Weltklimarat IPCC zählt die Gletscher- und Schneeschmelze zu den zehn schwersten Bedrohungen durch die Erderwärmung. Bis zum Jahrhundertende könnten die Gletscher in Skandinavien, Zentraleuropa und im Kaukasus demnach zwischen 60 und 80 Prozent an Masse verlieren.

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