ARCHIV - 20.02.2020, Baden-Württemberg, Stuttgart: Nilsgans-Jungtiere stehen am Eckensee nahe bei einem Elterntier. (zu dpa: «Tierquälerei? - Geschäftsführer eines Freizeitbades entlassen») Foto: Bernd Weißbrod/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Die Nilgans ist in Bayern die Vogelart, die aktuell am stärksten zunimmt.

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Gänse-Plage in Bayern: "Einfach abschießen"?

Die Population an Grau- und Wildgänsen nimmt in Bayern kontinuierlich zu und damit auch Konflikte mit Landwirten und Badegästen. Wie also umgehen mit der Plage? Im Projektgebiet Main werden neue Maßnahmen zum Gänsemanagement getestet.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit am .

Sie tummeln sich auf Badeseen, Liegewiesen, und sogar in Schwimmbädern: Wildgänse wie die Kanada-, Nil- und Graugans nehmen in Bayern zu und an manchen Orten im Maintal ist es kaum mehr möglich einen Liegeplatz zu finden, der nicht bereits von den Tieren oder vielmehr ihren Hinterlassenschaften belegt ist.

"Warum schießt man die Gänse nicht einfach ab?" – Auf diese Frage stieß man zuletzt öfter in den BR24-Kommentaren. Könnte das denn wirklich die Lösung sein?

Landwirte kämpfen mit Ertragseinbußen

Denn eine Lösung muss gefunden werden, nicht nur für Touristen und Badegäste, sondern auch für die bayerischen Landwirte. Die haben in manchen Gebieten nämlich mit erheblichen Ernteeinbußen zu kämpfen, da die Gänse Gräser und Getreide abfressen. In der Gemeinde Sand am Main im unterfränkischen Landkreis Haßberge hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft die verursachten Ertragseinbußen untersucht: Eine Schadenssumme von 15.000 bis 30.000 Euro kommt laut Schätzungen der Kommune jährlich zusammen.

Gute Bedingungen: Population nimmt bayernweit zu

Und die Population der Wildgänse wächst weiter an. Die Nilgans ist aktuell die Vogelart, die in Bayern am stärksten zunimmt, so Christian Wagner, Koordinator des Gänsemanagements in der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Die Nilgans brütet erst seit knapp 30 Jahren in Bayern und steht auf der Liste der invasiven Arten der Europäischen Union.

In Gebieten wie dem unterfränkischen Maintal fühlen sich die Tiere nun besonders wohl. Durch die vielen stehenden Gewässer und Baggerseen entlang des Mains fänden sie Brutplätze und Rückzugsorte, erklärt Wagner. Nahrung gebe es auf den umliegenden Feldern.

Gänsejagd: "Muss noch effizienter werden"

Im Projektgebiet Main versucht die Landesanstalt für Landwirtschaft die Populationen daher einzudämmen. Das Abschießen der Gänse sei dabei tatsächlich eine der zentralen Maßnahmen im bayerischen Gänsemanagement, so Wagner. Die Vögel unterliegen dem allgemeinen Jagdrecht. Außerhalb der Schonzeit, die vom 15. Januar bis zum 1. August andauert, dürfen die Tiere damit von Jägern geschossen werden. Das Wildbret kann verkauft und verzehrt werden. Jedoch müssten Jagdaufwand und Ertrag noch in ein besseres Verhältnis kommen, so Christian Wagner. "Bayern ist kein klassisches Gänsejagdland", erklärt der Gänsemanager, doch in Zukunft können auch hier effizientere Jagdmethoden für Vögel Anwendung finden.

Jagd am Badesee problematisch

In touristischen Gebieten, wie an Badeseen oder gar in Schwimmbädern, gestaltet sich die Jagd aber sehr viel komplizierter. Auch hier bereiten Gänse zunehmend Probleme, bedenklich ist vor allem der Kot der Tiere, durch den Krankheitserreger verbreitet werden können. Offizielle Badestellen liegen aber zumeist in befriedeten Gebieten, in denen nur mit Ausnahmegenehmigung Jagdhandlungen vorgenommen werden dürfen. An Gewässern muss zudem auf bleihaltige Munition verzichtet werden. Vereinzelt komme es zudem auch zu Konflikten mit Tierschützern, so Christian Wagner.

Bund Naturschutz: Abschuss als letztes Mittel der Wahl

Dabei unterliegen Wildgänse jedoch keinem besonderen Artenschutz. Laut Bund Naturschutz könnten Einwanderer wie die Nil- und Kanadagans (sogenannte "Neozoen") vielmehr die Zusammensetzung bereits vorhandener Arten beeinträchtigen. Insbesondere die Nilgans zeichne sich durch ein aggressives Brutverhalten aus. Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) unterstütze daher eingreifende Maßnahmen, so Steffen Jodl, Geschäftsführer der Kreisgruppe Würzburg, Vergrämungsmaßnahmen — wie beispielsweise die Bejagung mit Greifvögeln — seien sinnvoll. Ein Abschuss sollte aber trotzdem immer das letzte Mittel der Wahl sein.

Sind Gelegebehandlungen die Lösung?

Eine Lösung könnten Gelegebehandlungen darstellen. Dabei werden mehrere Eier in einem Gelege unfruchtbar gemacht, sodass weniger Junge schlüpfen und die Familien kleingehalten werden. Auch Steffen Jodl vom BN in Würzburg hält das für ethisch vertretbar. Doch bislang werde diese Maßnahme noch nicht gehäuft angewandt, so Wagner. Eine solche Behandlung darf nur von Fachpersonal vorgenommen werden. Das bayerische Gänsemanagement bietet daher auch Schulungen an und stellt bei Bedarf das Equipment für die Gelegebehandlungen zur Verfügung.

Langfristig kann zudem auch durch Biotopmanagement-Maßnahmen eingegriffen werden, also eine bewusste Umgestaltung der Lebensräume. Wenn beispielsweise die Entstehung von Inseln in Gewässern verhindert würde, könnten die Gänse weniger Brutplätze finden, erklärt Christian Wagner. Landwirtschaftliche Schäden könnten zudem durch das Aufstellen von Weidenzäunen oder eine Änderung der Fruchtfolge minimiert werden.

Hierfür müssten aber alle Beteiligten an einem Strang ziehen: Kommunen, Jäger und die Bevölkerung. Und auch Badegäste sind gefragt: Auf keinen Fall dürften die Tiere auch noch gefüttert werden, betont Steffen Jodl: "Das wäre einfach nur kontraproduktiv."

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