Zwei Fisch-Züchter überführen die Fische in einen See.
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Schlammpeitzger im Landkreis Kitzingen angesiedelt

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Furzender Wetterfisch zurück in Mainfranken

Der Schlammpeitzger, auch Furzfisch genannt, gilt in Unterfranken als verschollen. Gezüchtete Tiere wurden jetzt an verschiedenen Stellen in Mainfranken eingesetzt. Das zähe Multitalent besteht im Klimawandel, kann Gewitter vorhersagen und furzen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Ein Gewusel aus hundert, etwa zehn Zentimeter kleinen Fischen schwimmt im Bottich vor Michael Kolahsa. In Maidbronn bei Würzburg hat der Fischereifachbeauftrage des Bezirks Unterfranken junge Schlammpeitzger in den Versuchsteichen gezüchtet. Die Tiere sind wenige Monate alt.

Optisch erinnert der Schlammpeitzger an einen Aal, allerdings hat er zehn sogenannte Barteln am Maul, durch die er eindeutig zu erkennen ist. Der braune Fisch wird bis zu 30 Zentimeter lang, in Richtung Bauch kleiden ihn helle Längsstreifen.

Furzfisch, Gewitterfurzer – Ein Fisch mit vielen Namen

Umgangssprachlich wird der Schlammpeitzger auch Furzfisch genannt. Der Beiname geht auf eine besondere Fähigkeit zurück: der Schlammpeitzger hält sich auch in sauerstoffarmen Gewässern auf. Deswegen ist er auf die sogenannte Darmatmung angewiesen: An der Oberfläche schnappt der Fisch nach Luft und filtert über die Darmschleimhaut den Sauerstoff heraus – der Rest entweicht als Furz über den After.

Eine weitere Fähigkeit hat ihn als Wetterfisch bis ins 19. Jahrhundert hinein zum Haustier gemacht, erzählt Michael Kolahsa, als er die Fische mit einem Sieb vorsichtig in einen Transportbehälter schöpft. Der Schlammpeitzger, alias Gewitterfurzer, registriert Schwankungen des Luftdrucks. Der sonst eher nachtaktive Grundfisch wird dann unruhig und schwimmt öfter zum Luftholen an die Oberfläche: ein Zeichen, dass ein Gewitter aufzieht.

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Einsetzstelle im Industriegebiet Kitzingen

Dornröschenschlaf und Landgänge

Michael Kolahsa und sein Kollege fahren mit den abgezählten und sicher verstauten Fischen nach Kitzingen. Am Rande des Industriegebiets liegt ein Gewässer, das nicht unbedingt fischfreundlich aussieht: niedriger Wasserstand, viel Schlamm und dicht bewachsen mit Gräsern. Kurzum, ein Paradies für die Schlammpeitzger. Denn sie ziehen sich im kalten Winter oder im Sommer, wenn kaum Wasser vorhanden ist, einfach in den Schlamm zurück. Bis zu 70 Zentimeter graben sie sich ein und fallen bis zu ein Jahr lang in einen Dauertiefschlaf, erklärt der Fischfachberater.

Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Aal gibt es neben dem langen, runden Körper dann doch noch: der Schlammpeitzger beherrscht neben der Kiemen- und Darmatmung auch die Hautatmung. Kurze Strecken über Land zum nächsten Gewässer sind möglich, solange die Haut feucht bleibt.

In Bayern vom Aussterben bedroht, in Unterfranken verschollen

Trotz seiner niedrigen Ansprüche an seine Umgebung kommt der Schlammpeitzger in Bayern kaum, in Unterfranken fast gar nicht mehr vor. Sein Grundlebensraum sind Tümpel, Altwässer und Auen: feuchte Ufergebiete, die sporadisch überschwemmt werden. Durch Trockenlegung, den Mainausbau, aber auch Schadstoffen aus Industrie und Landwirtschaft, so Kolahsa, seien diese Lebensräume in Unterfranken zerstört worden. Er und sein Team setzen die Fische bei Kitzingen, Schwarzenau und Neuses am Berg in geeignete Gewässer ein. Die Hoffnung ist, dass sich eine Population entwickelt, auch wenn im Sommer, wie in diesem Jahr, die Tümpel austrocknen.

Robust gegen den Klimawandel, kein kulinarisches Highlight

Der neue Bestand wird jetzt regelmäßig kontrolliert. Für Kolahsa ist der Schlammpeitzger eine bemerkenswerte Fischart, die gut mit dem Klimawandel zurechtkommt. Außerdem würde nicht nur die Artenvielfalt gestärkt, die Entwicklung der Tiere ließe auch Rückschlüsse auf den Zustand des jeweiligen Gewässers zu. Als Speisefisch hat sich das Multitalent allerdings keinen Namen gemacht. In Aufzeichnungen eines Vorgängers bei der Fischereifachberatung aus dem Jahr 1880 habe Michael Kolahsa gelesen, dass das Fleisch des Schlammpeitzgers zwar leicht verdaulich sei, der Geschmack aber leider modrig sei.

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Junge Schlammpeitzger

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