Kloster Triefenstein
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Evangelische Bruderschaft bricht Schweigen über Missbrauchsfälle

Über ein Vierteljahrhundert hat die "Christusträger Bruderschaft" zum jahrelangen sexuellen und geistlichen Machtmissbrauch im Kloster Triefenstein geschwiegen. Ein jetzt veröffentlichter Bericht spricht von einem "Missbrauchssystem".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

99 Seiten umfasst der Bericht mit dem Titel "Zugeben, was geschehen ist". Die darin beschriebenen Fälle von sexuellem und geistlichem Missbrauch waren innerhalb der evangelischen Christusträger Bruderschaft im Kloster Triefenstein mehr als 25 Jahre lang bekannt. Aus Angst und Scham habe man so lange geschwiegen, sagt Christian Hauter von der Bruderschaft, und weil man über die Taten schockiert gewesen sei.

Im Mittelpunkt steht der erste Prior der evangelischen Kommunität, der 2018 verstorbene Otto Friedrich. Er soll seine Mitbrüder über Jahrzehnte zum Teil schwer sexuell missbraucht haben. Drei Brüder, zum Teil Betroffene, wurden später selbst zu Tätern, zuletzt im Jahr 2019.

Prior hatte "absolute Machtstellung"

Der Untersuchungsbericht der 1961 gegründeten Gemeinschaft spricht von einem "Missbrauchssystem": Prior Otto Friedrich hatte eine "absolute Machtstellung" in der evangelischen Gemeinschaft gehabt, deren Mitglieder ähnlich wie in einem katholischen Kloster in Armut, Keuschheit und Gehorsam leben.

Friedrich kontrollierte demnach die Kommunikation nach innen und nach außen. Er war der Einzige, der den Mitbrüdern die Beichte abnehmen durfte. Er bestimmte sogar über der beruflichen Werdegang der Mitglieder. Er habe starke narzisstische Züge gehabt und Menschen für seine Zwecke ausgenutzt.

"Ein Gesprächspartner berichtete, dass Otto Friedrich ihn zu sich 'privat' einlud. Es brannten Kerzen, ein Lammfell lag auf dem Boden. Er sollte Otto Friedrich 'befummeln." So protokolliert der Bericht das Gespräch mit einem Betroffenen, der laut eigenen Angaben mehrfach missbraucht wurde.

Weiter heißt es im Bericht: "Bei einer Übernachtung in einem Chalet in der Schweiz sei es wieder zu einem sexuellen Kontakt gekommen. Da sei er (das Opfer, Anm. d. Red.) das erste Mal ärgerlich geworden. Am nächsten Tag habe Otto Friedrich eine teure Schweizer Uhr für ihn gekauft. Zunächst habe er sich darüber gefreut. Mit der Zeit habe er gemerkt, dass Otto Friedrich ihn 'gekauft' habe."

Übergriffe nach Abendmahl und Beichte

Besonders tief erschüttert habe die Gemeinschaft, "dass die Übergriffe von Otto Friedrich oft kurz nach Abendmahl und Beichte erfolgten", sagt Gerd Maier, der amtierende Prior der evangelischen Ordensgemeinschaft, die sich1986 im Kloster Triefenstein niedergelassen hat. "Heiliges und Missbrauch so nah beieinander, das finden wir besonders schlimm und ahnen das Leiden der Opfer".

Der Untersuchungsbericht dokumentiert, dass sich Friedrich zwischen 1963 und 1995 an mindestens acht Mitbrüdern vergangen hatte. Darunter sei mindestens ein Mitbruder gewesen, der zum Tatzeitpunkt noch nicht volljährig gewesen sei. 1996 verließ Friedrich den Orden, nachdem ein Mitbruder den Übergriff ordensintern angezeigt hatte.

Vor zwei Jahren hatte sich die Bruderschaft nach eigenen Aussagen dazu durchgerungen, ihre Geschichte aufzuarbeiten. Eine sogenannte "Spurgruppe" hatte in den vergangenen Monaten Unterlagen gesichtet und 15 ehemalige und aktuelle Mitglieder befragt. Alle Fälle wurden angezeigt, aber die Ermittlungen eingestellt.

Missbrauch war "offenes Geheimnis"

Innerhalb der Christusträger Gemeinschaft waren die Missbrauchstaten ein offenes Geheimnis, so schildert es die Untersuchungsgruppe. Die vierköpfige Gruppe, bestehend aus einer Juristin, einer Traumatherapeutin, einem Psychotherapeuten und einem Theologen, kritisiert in ihrem Bericht, dies könne "in der Perspektive der Opfer nur als Verweigerung der Aufarbeitung des Geschehens wahrgenommen werden".

Ein Grund dafür, warum die Bruderschaft damals und in den Folgejahren den Missbrauch nicht öffentlich machte, so ein Sprecher, sei Angst gewesen, vor einem Zerbrechen der Gemeinschaft. Man habe das Leiden der Opfer durch das zögerliche Verhalten noch verlängert. Dafür bitte man um Verzeihung.

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