Die CSU weiß, dass bei den Jamaika-Sondierungen Kompromisse gemacht werden müssen, doch in der Zuwanderungspolitik ist die Erwartungshaltung der Partei ganz klar. Seehofer muss eine Begrenzung bei der Einwanderung und beim Familiennachzug erreichen. Schafft er das nicht, dürfte das für viele der Anlass sein ihn „zu köpfen“, wie er selbst mal gesagt hat. Zwar muss die Obergrenze in der Flüchtlingspolitik nicht so heißen, aber es muss ein verlässliches Regelwerk sein. Ein verständliches und vor allem glaubwürdiges Instrument, das Parteimitgliedern aber auch vielen Wählern zeigt, dass man sich auf die CSU verlassen kann, weil sie hält was sie verspricht.
Alle anderen Fragen sind auch wichtig, haben aber nicht diese Bedeutung. Ein Ende des Verbrennungsmotors, mehr Geld für die sogenannte Mütterrente, die Abschaffung des Solidaritätszuschlages – diese Themen haben alle nicht das Gewicht und die Bedeutung wie die Begrenzung beim Flüchtlingszuzug. Man kann also gut vermuten: Setzt sich die CSU hier nicht durch, wird es kein Jamaika geben.
Gäbe die CSU bei der Obergrenze nach, könnte Seehofer einpacken
Für Seehofer bedeutet das: Er kann bei vielen Punkten nachgeben, nicht aber bei der Flüchtlingspolitik. Er weiß das. Schon nach der Bundestagswahl hat er gesagt: Es ist undenkbar ohne eine Begrenzung nach Bayern zurückzukehren. Die Nacht auf Freitag wird also sicher eine Nacht der ganz langen Messer werden. Doch auch wenn Seehofer sich durchsetzt – für seine politische Zukunft bedeutet das noch nichts. Vieles deutet derzeit darauf hin, dass Seehofer höchstens als Parteichef weitermachen kann, nicht aber als Ministerpräsident.
Bietet Seehofer seinen Rückzug als Ministerpräsident an?
Die mächtige Landtagsfraktion will am Samstag eine Vorentscheidung über die personelle Neuaufstellung. Der Wille dazu wurde in den letzten Tagen immer deutlicher. Viele Abgeordnete äußerten sich nur deswegen nicht laut, weil in der Partei eigentlich Schweigsamkeit vereinbart wurde. Doch hinter vorgehaltener Hand hielt sich kaum mehr jemand zurück.
Danach gibt es eine breite Mehrheit, die sich Markus Söder als Spitzenkandidat für die Landtagswahl und als neuen Ministerpräsidenten wünscht und es gibt eine klare Ansage Richtung Seehofer. Sollte der noch amtierende Partei- und Regierungschef versuchen, wieder den Deckel auf den Topf zu setzen und die Diskussion um seine Zukunft abzuwürgen, wird ihm das nicht mehr gelingen. „Ich kann mir das unmöglich vorstellen, dass dies bei dieser Fraktion jetzt nochmal möglich ist“, sagte diese Woche eine junge Abgeordnete dem BR.
Entscheidung am Samstag
Am Samstag müssen daher eigentlich die Weichen gestellt werden. Die Landtagsabgeordneten sind nächste Woche in ihren Wahlkreisen. Da will niemand ohne eine klare Perspektive nach Hause fahren. Die Lage könnte andererseits unbeherrschbar werden, sollte Seehofer kein klares Angebot machen. Das wäre wohl auch der Fall, würden das Krisentreffen der CSU-Spitzen am Samstag abgesagt, weil in Berlin vielleicht weiter verhandelt werden muss. Eine Absage der Landtagsfraktionssitzung am Samstag wegen der Jamaika Verhandlungen würde als taktischer Schachzug interpretiert.
Die Machtfrage
Wie aber könnte eine Lösung der Machtfrage aussehen? Die meisten Landtagsabgeordneten gehen derzeit davon aus, dass es zu einer Teilung der Macht kommen wird. Seehofer würde demnach das Amt des Ministerpräsidenten niederlegen und sich auf den Parteivorsitz konzentrieren. Einige halten es sogar für denkbar, dass ein frustrierter Seehofer alles hinschmeißt. Das ist vorstellbar, doch eher unwahrscheinlich. Vor allem dann nicht, wenn es tatsächlich zu einer Jamaika-Bundesregierung kommt.
Wofür Seehofer noch gebraucht wird
In diesem Fall bräuchte die CSU einen Parteichef vom Schlage und mit dem Erfahrungsschatz Seehofers, der in Berlin zusammen mit Angela Merkel eine fragile Viererkoalition zusammenhält. Dazu freilich müsste Seehofer ein Ministerium übernehmen. Denn eines ist absolut undenkbar: Dass sich Seehofer aufs Altenteil zurückzieht und als Parteichef von den hinteren Bänken des Landtags aus dem Treiben seines wahrscheinlichen Nachfolgers Söder zusieht. Abgesehen davon möchten auch die Söder-Unterstützer, dass Seehofer weiter an Bord bleibt, und auch Markus Söder selbst hat deutlich signalisiert, dass er nicht die ganze Macht beansprucht.
Es geht um die absolute Mehrheit
Die CSU steckt in einer fast schon existenziellen Machtkrise. Gibt es keine baldige Einigung droht eine dramatische Zerreißprobe. Diese wollen eigentlich alle verhindern. Denn eines wissen alle Protagonisten: Eine so tief zerstrittene CSU kann den Kampf um die absolute Mehrheit in Bayern im Grunde aufgeben. Eine geeinte CSU hätte vielleicht noch eine Chance, ihre Position zu verteidigen.