Versteigerung der letzten selbstgebauten Würzburger Seifenkisten
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Versteigerung der letzten selbstgebauten Würzburger Seifenkisten

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Ende einer Tradition: Seifenkisten-Versteigerung in Würzburg

"Seifenkistenrennen" mit den selbstgebauten kleinen Rennautos ohne Motor gehörten bis in die Achtziger Jahre vielerorts in Bayern zum Alltag. 2020 fuhren die kleinen Rennfahrer zuletzt in Würzburg. Am Wochenende wurden die letzten Autos versteigert.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

So einen regen Besuch hatten die Veranstalter vom Würzburger Fachbereich Jugend und Familie nicht erwartet. Einige Dutzend Besucher drängen sich am Samstagnachmittag im Depot, in dem der Fachbereich unter anderem die Seifenkisten aufbewahrt. 15 der Miniatur-Rennwagen standen seit der letzten Rennveranstaltung in Würzburg 2020 in der Halle. Bei manchen ist der Lack schon etwas ab, aber viele sind noch immer liebevoll bunt bemalt, haben kleine Hupen oder einen Totenschädel als Zusatzausstattung von ihren jugendlichen Konstrukteuren erhalten.

"Die Jugendlichen haben da viel über das Arbeiten mit Holz gelernt, vom Bohren, übers Schleifen bis zum Schrauben. Und es hat uns immer einen riesigen Spaß gemacht, wenn die Kiste zum Schluss tatsächlich gefahren ist", erinnert sich der langjährige Leiter des Jugendamts der Stadt Würzburg, Hartmut Emser, der viele der Fahrzeuge mitgebaut hat. "Ein bisschen traurig ist es schon, dass die Tradition in Würzburg mit der Versteigerung endet, aber vielleicht lebt der Sport ja auch irgendwann wieder auf", sagt der Sozialpädagoge im Ruhestand.

Interessenten aus der Rhön für Nostalgie-Rennen

Helmut Ziegler hat sich in eine rote Seifenkiste hineingezwängt. Gar nicht so einfach, aber er hat einem Freund versprochen, eine Kiste für ihn zu ersteigern. "Man kann damit nicht in den Urlaub fahren, aber um einige Minuten drinzusitzen und ein Rennen zu fahren, das ginge", sagt er. Der Zustand sei besser als erwartet. Auch Andreas Huch ist zufrieden. Er organisiert das Retro-Event Fladungen Classics und hält deshalb vor allem nach Fahrzeugen Ausschau, wie sie bereits in den 60er Jahren über die Rennstrecken fuhren. "Die Firma Opel hat in den 1960ern Bausätze verkauft mit dem Opel-Radsatz und der Opel-Lenkung, damit alle die gleiche Chance hatten", sagt er. Zwei passende Wagen hat er entdeckt und möchte sie ersteigern.

In Würzburg fehlten zuletzt Teilnehmer und Helfer

Auch die Schwestern Marlies und Mathilda, elf und neun Jahre alt, finden die Seifenkisten toll und könnten sich auch gut vorstellen, mal in ihrer Heimatstadt Margetshöchheim an einem Rennen teilzunehmen. "Aber nur wenn der Berg und die Rampe nicht zu steil wären", sagt Mathilda. Auch in Würzburg wurden für das Rennen jahrelang die Wittelsbacher Straße gesperrt und mit Strohballen abgesichert. Doch es lohnte sich irgendwann nicht mehr, sagt Organisatorin Monika Kraft von der Stadt. Am Ende seien nur noch wenige Kinder und Jugendliche mitgefahren und man habe sich schweren Herzens entschieden, das Geld an anderer Stelle sinnvoller einzusetzen, sagt Kraft.

Traditionelles Rennen im Frauenland

Der Kiwanis-Cup war ein jährlich stattfindendes Seifenkistenrennen im Würzburger Stadtteil Frauenland. Das Würzburger Seifenkistenrennen gab es erstmals 1950. Nach einigen Jahren Pause wurde sie in den 1990er Jahren reaktiviert und bis 2020 fortgeführt. Die Veranstaltung fand immer auf der Gefällstrecke in der Wittelsbacherstraße auf einer 240 Meter langen Rennstrecke statt. Die Straße war dann von der Gaststätte Letzter Hieb bis zum Wittelsbacherplatz für den Autoverkehr gesperrt. Bis zu 100 Ehrenamtliche und rund 60 Fahrerinnen und Fahrer waren im Einsatz. Dieses Jahr musste die Stadt die Seifenkistenrennen offiziell einstellen. Der Erlös der Veranstaltung kam immer der Würzburger Jugendarbeit zugute. Organisiert und finanziell unterstützt wurde das Seifenkistenrennen vom Fachbereich Jugend und Familie der Stadt Würzburg und dem gemeinnützigen Kiwanis-Club Würzburg-Mainfranken e.V., einem regionale Ableger der weltweiten Kiwanis Club-Organisation.

Gaudirennen und professionelle Wettkämpfe

Neben reinen Spaßrennen wie dem Würzburger Kiwanis-Cup gibt es die offizielle Rennserie des Deutschen Seifenkisten Derby e.V. DSKD. Dort sind alle Maße und der Aufbau der Kiste mit allen Bauteilen festgelegt. Der Verband veranstaltet auch jährlich eine bayerische und deutsche und sogar eine Weltmeisterschaft. Die fand im vergangenen Jahr in Salzburg statt. Gleich drei Titel gingen damals nach Mainfranken. Grund dafür ist die Motorsportvereinigung Gerolzhofen im Landkreis Schweinfurt. Die Schwestern Jana und Sarah Brandt aus Volkach wurden in ihrer Klasse Weltmeisterinnen, Leander Schmincke aus Gerolzhofen in der Masters-Klasse Vizeweltmeister.

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Vizeweltmeister Leander Schmincke aus Gerolzhofen mit seinem orangefarbenen Flitzer

Vize-Weltmeister aus Mainfranken

Der 15-Jährige kam am Wochenende extra aus Gerolzhofen nach Würzburg, um für uns die Seifenkisten zu begutachten. Sein Urteil: Technisch seien die Kisten für Spaßrennen absolut "stabil". Was Leander damit diplomatisch ausdrückt: Zwischen den Spaß-Gefährten aus Holz und seinen Profi-Rennfahrzeugen aus einem Glasfaserkunststoff liegen technisch natürlich Welten. Gleich ist aber bei beiden Rennen, dass die Fahrzeuge keinen Motor haben, sondern von einer Rampe oder auf einer abschüssigen Straße ihre Beschleunigung erhalten.

Versteigerung mit zufriedenstellendem Ergebnis

Bei der Versteigerung der Würzburger Seifenkisten konnten fast alle Fahrzeuge verkauft werden. Allerdings gingen die Seifenkisten teilweise für Schnäppchenpreise von unter 50 Euro an die Interessenten. Die Einkäufer der Fladungen Classics waren erfolgreich und haben zwei schmale Retro-Fahrzeuge ersteigert. Auch Helmut Ziegler hat einen kleinen roten Rennwagen gekauft. Immerhin 500 Euro sind für die Jugendarbeit im Stadtteil Zellerau zusammengekommen. Der Erlös wurde vom gemeinnützigen Kiwanis-Club noch auf 2.000 Euro aufgestockt.

Die Seifenkistenversteigerung in Würzburg kam bei den Kindern gut an.
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Die Seifenkistenversteigerung in Würzburg kam bei den Kindern gut an.

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