Krankenhaus Schwabing in München
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"Patient 1": Als Corona nach Deutschland kam

Vor genau einem Jahr ist Corona in Deutschland angekommen – genauer in Oberbayern. Der erste Patient klingelte damals um 21 Uhr bei der Infektiologie der München Klinik Schwabing. Seitdem herrscht Ausnahmezustand – auch dort, wo alles begann.

27. Januar 2020: Bei der München Klinik Schwabing meldet sich ein Familienvater, Mitte 30 und Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto in Stockdorf. Kurz danach ist klar: Der Mann ist mit Corona infiziert. Heute wird er als "Patient 1" bezeichnet. Er hat sich in einer Besprechung mit einer chinesischen Kollegin ("Patient Null") angesteckt und ist nur leicht krank. Weitere Betroffene folgen. Dann, ab "Patient 11", wird die Situation dramatischer.

"Patient 11" war schwer krank

Ein Mittfünfziger wird ins Schwabinger Krankenhaus gebracht. Er ist schwer krank, hat hohes Fieber und – wie die Computertomographie zeigt – eine Lungenentzündung. Das Ärzteteam dokumentiert in den folgenden Wochen und Monaten die Symptome aller Patienten akribisch und veröffentlicht Erkenntnisse. Etwa, dass zum Beispiel auch scheinbar symptomfreie Menschen das Virus weitergeben können. Und sie entdeckten als Erste, dass Corona-Patienten oft ihren Geruchs- und Geschmackssinn verlieren.

"Wir mussten in 20 Minuten packen"

Das hat auch Alina Bauer erlebt. Im März, kurz vor dem Abitur, kam sie mit der ganzen Familie ins Krankenhaus. Ihre Eltern hatten sich wahrscheinlich beim Skifahren in Südtirol infiziert und unter anderem ihre Tochter angesteckt.

"Wir haben dann den Anruf vom Gesundheitsamt bekommen, dass wir unsere Sachen zusammenpacken sollen und in 20 Minuten vom Krankenwagen abgeholt werden", erinnert sich die heute 20-Jährige: "Ich hatte dann – um ehrlich zu sein – schon ein bisschen Angst". Diese haben ihr die Pflegekräfte in Schwabing aber größtenteils nehmen können. Aus Dankbarkeit arbeitet Bauer momentan als Stationsassistentin in der Infektiologie mit – um "etwas zurückzugeben", wie sie sagt.

Gesundheitsfragen "in einer ganz anderen Dimension"

"Patient 1" ist inzwischen - ebenso wie seine anderen betroffenen Kollegen - wieder völlig gesund. Der Webasto-Vorstandsvorsitzende Holger Engelmann erinnert sich noch gut an seine ersten Gedanken am 27. Januar 2020: "Oh mein Gott", habe er gedacht, und dass man jetzt die Gesundheit der Kollegen "in einer ganz anderen Dimension" im Blick haben müsse.

Danach fragte er sich auch, ob das jetzt "einen bleibenden Schaden für die Reputation von Webasto" bedeuten würde, "wenn wir dieses Thema am Ende nicht gemanagt bekommen."

Webasto schickte 1.200 Mitarbeiter ins Homeoffice

Webasto hat damals die Firmenzentrale in Stockdorf für zwei Wochen komplett geschlossen, systematische Tests selbst organisiert, Kontaktlisten zusammengestellt, und die Belegschaft früh ins Homeoffice geschickt. Das hat auch deshalb funktioniert, weil in Stockdorf nicht produziert wird. Mehr als 90 Prozent der 1.200 Mitarbeiter arbeiten bis heute daheim.

Man habe rückblickend vieles richtig gemacht, sagt Engelmann, und manches wird auch länger Bestand haben: Man habe gesehen, "dass digital viel mehr funktioniert als wir ursprünglich jemals gedacht haben", und man werde künftig wohl weniger Geschäftsreisen machen.

Auch Kliniken erleben Alltag im Dauer-Krisenmodus

Auch an den fünf Standorten der München Klinik ist der Krisenmodus Alltag geworden. Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Schwabinger Infektiologie, kann nur eine Zwischenbilanz ziehen und wählt dafür einen Vergleich aus der Fußballwelt: "Wir haben eine einigermaßen erfolgreiche Halbzeit hinter uns, wir sollten uns aber nicht zu lange im Pausenraum aufhalten, es geht in die zweite Halbzeit und da dürfen wir die Nerven alle miteinander nicht verlieren." Man müsse die Kontrolle über das Infektionsgeschehen haben, "und da brauchen wir noch einige Wochen an gemeinsamen Anstrengungen."

Auch die Zahlen geben keinen Anlass zur Entwarnung: Allein die München Klinik behandelt in ihren fünf Häusern aktuell 100 Infizierte, davon 30 auf der Intensivstation – und täglich sterben Corona-Patienten.

Infektiologe Clemens Wendtner
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Infektiologe Clemens Wendtner

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