Anni Kalchgruber auf dem Weg zum Rathaus in Bissingen. Im Hintergrund das Ortsschild von Bissingen, Felder und ein Wald
Bildrechte: BR / Tobias Hildebrandt

Anni Kalchgruber auf dem Weg zum Rathaus in Bissingen. Dort übergibt sie Unterschriften für Tempo 30 in Kesselostheim.

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Deshalb wird eine 86-jährige Ur-Oma zur Aktivistin

Mit Tempo 30 gegen die Blechlawine: Anni Kalchgruber kämpft für eine Verkehrsberuhigung in Kesselostheim. Denn dort gibt es weder Zebrastreifen noch Fußgängerampeln. Weil das für Schulkinder gefährlich ist, sammelt die 86-Jährige Unterschriften.

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Jeden Morgen um kurz nach sieben bringt Anni Kalchgruber ihre Ur-Enkelin Mia zum Schulbus. Gestützt auf ihren Rollator, bei Hitze im Sommer genauso wie bei Schnee und Eis im Winter - "weil die Autos hier so schnell fahren", sagt die 8-jährige Mia. 500 Lastwagen und 3.200 Autos fahren täglich durch den Bissinger Ortsteil Kesselostheim im Landkreis Dillingen. Manchmal bleibt Zeit, um in Ruhe über die Straße zu gehen, im Berufsverkehr dauert es aber auch mal länger, bis die Straße frei ist.

Fast das halbe Dorf unterschreibt bei der 86-Jährigen

Vor ein paar Wochen war es Anni Kalchgruber dann zu viel. "Die jungen Leute oder manch andere, die fahren wie die Blöden, die denken nicht darüber nach, dass da Kinder sind, die nehmen keine Rücksicht", sagt sie. Die 86-Jährige wird zur Aktivistin. Nachbar Konrad Hahmann hilft ihr beim Schreiben eines Textes, dann macht sich die Rentnerin auf den Weg durchs Dorf und sammelt Unterschriften. 68 Kesselostheimer haben am Ende unterschrieben - fast die Hälfte der Einwohner. Die Forderung: Tempo 30 im Dorf, damit Kinder und Ältere leichter die Straße überqueren können.

Nachbar: Auch im Alter kann man noch was zu Wege bringen

Nachbar Konrad Hahmann ist von Anni Kalchgruber begeistert: "Ich bin echt überrascht, aber es geht: Man kann sich auch im Alter engagieren und was zu Wege bringen und das ist super." Anerkennend klopft er seiner Nachbarin auf die Schulter: "Also, ich bin echt stolz!"

Für die Unterschriften-Übergabe hat Anni Kalchgruber einen Termin beim Bissinger Bürgermeister Stephan Herreiner (Christliche Bürger Unteres Kesseltal) bekommen. "Ich zeige ihm die Unterschriften und erkläre ihm, dass es seinen Bürgern ein Anliegen ist, dass es langsamer wird in dem Dorf!", sagt Anni Kalchgruber.

Der Bürgermeister ist für Tempo 30 in Kesselostheim nicht zuständig

Doch der Termin verläuft anders als gedacht: Die Hauptstraße durch Kesselostheim ist eine Staatsstraße und dafür ist das Landratsamt Dillingen zuständig. Selbst wenn der Bürgermeister wollte, könnte er nicht einfach Tempo-30-Schilder aufstellen. "Das ist natürlich schwierig, eine Tempo-30-Zone, so wie hier gefordert, durchzusetzen, aber wir geben das jetzt einfach mal an die zuständige Behörde weiter und dann warten wir ab, was kommt“, sagt Bürgermeister Stephan Herreiner nach dem Gespräch mit Anni Kalchgruber gegenüber BR24.

Hohe Hürden für Tempo 30 auf Staatsstraßen

Laut Landratsamt Dillingen sind Staatsstraßen von überörtlicher Bedeutung für den Durchgangsverkehr, "deshalb sind die Hürden für Tempo 30 hoch", sagt Thomas Strehler, Leiter der Abteilung Kommunales, Sicherheit und Ordnung beim Landratsamt Dillingen. Es müsse eine "qualifizierende Gefährdung" vorliegen. Dafür müssten meist mehrere Punkte zusammenkommen, zum Beispiel Engstellen im Dorf. Das ist in Kesselostheim aber nicht der Fall.

  • Zum Artikel: "Tempo 30 in Schondorf: Bürgerinitiative sieht Erfolge"

Anni Kalchgruber bekommt einen Termin beim Landrat

Trotzdem ist Anni Kalchgruber erst einmal zufrieden. Denn ein paar Tage später erfährt sie, dass sie zusammen mit dem Bürgermeister einen Termin bei Landrat Markus Müller (Freie Wähler) bekommt. "Ich habe immer noch die Hoffnung, dass etwas geschieht", sagt Anni Kalchgruber - und beweist, dass es auch mit 86 Jahren noch lohnenswert ist, sich zu engagieren.

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