Schnee auf Bäumen im Olympiapark in München
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Sah es vor 50 Jahren im Dezember in München immer so aus?

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Dezember in Bayern: War früher wirklich mehr Schnee?

Sind die Schneemassen der letzten Woche rekordverdächtig oder der Normalzustand von vor 50 Jahren? Und war überhaupt ganz Bayern weiß? Antworten liefert die BR24 Datenanalyse.

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Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Lahmgelegter Nahverkehr, Schlitten auf den Straßen, unzählige geteilte Fotos: Die Schneemassen der vergangenen Woche beschäftigten die Menschen in Bayern. In den Kommentarspalten auf BR24.de und in den Sozialen Medien wurde auch viel gespottet. So schrieb etwa ein Nutzer: "Historischer Rekord? Gedächtnisschwäche, ich war Ende der 80er Panzer Pionier in Bogen, da lag locker über Monate bis zu einem Meter Schnee". Ein anderer ist sich sicher: "In meiner Kindheit waren 30 cm normal und jetzt ist halb Bayern lahm gelegt [...] In den 70ern und 80ern sind wir jedes zweite oder dritte Jahr bei uns in der Straße Schlitten oder Ski gefahren."

2023 sticht heraus

Waren Schneemessungen von 40 Zentimetern und mehr früher wirklich Standard? Die klare Daten-Antwort: Nein! Die folgende Grafik zeigt, wie hoch die maximale Schneedecke im bayerischen Mittel in den Wintermonaten der vergangenen 63 Jahren wirklich war. Die Dezemberentwicklung macht deutlich: 2023 sticht heraus.

Die seit 1. Dezember gemessene Schneedeckenhöhe lag im bayernweiten Median (mittlerer Wert) bei 38,4 Zentimeter. Das ist der zweithöchste Dezemberwert seit 1961. Nur 1981 war die Schneedecke im Dezember dicker: Damals lag der Zentralwert der bayerischen Stationen bei 42.5 Zentimetern.

Da die Werte stark schwanken, ist auch für jedes Jahr der Durchschnitt der jeweils davor liegenden sieben Jahre eingezeichnet, um ein besseres Gespür für den Trend zu bekommen.

Grafik: Wie hoch lag früher in den Wintermonaten der Schnee in Bayern?

Grundlage der Analyse sind die Messdaten von 143 bayerischen DWD-Stationen. Sie nehmen seit 1961 nahezu durchgehend jeden Morgen um Punkt 7 Uhr den Tageswert der Schneehöhe. So sind die Daten über längere Zeiträume hinweg vergleichbar. Mehr zur Methode unten.

Betrachtet man alle drei Grafiken, wird auch deutlich: Der Dezember in Bayern war noch nie der Monat mit den größten Schneehöhen. Nur vereinzelt gab es Jahre, in denen die mittleren Maximalwerte des Dezembers die im Januar oder Februar gemessenen überschritten. Und ja, der Trend der Schneehöhen geht in allen drei Wintermonaten leicht bis mäßig nach unten. Dass aber früher 30, 50 oder gar 100 Zentimeter Schnee der Normalzustand waren, stimmt eindeutig nicht.

18 Stationen verzeichnen neuen Dezember-Rekord

Für die Besonderheit der Lage sprechen auch die vielen Rekordwerte, die am ersten Dezember-Wochenende erreicht wurden: An insgesamt 18 Stationen wurde der höchste Dezemberwert der vergangenen 60 Jahre gemessen – zum Beispiel in München, Rosenheim und Westendorf im Ostallgäu. Ähnlich viele Dezemberrekorde haben nur die Jahre 2010, 2001 und 1981.

In der folgenden Tabelle sind die Entwicklungen der jeweils höchsten gemessenen Schneedecke im Dezember für alle 143 Messstationen noch einmal einzeln nachzulesen, aufgeführt ist jeweils auch das Jahr, in dem an ihnen der bisherige Dezemberrekord erreicht wurde.

Tabelle: Wie entwickelt sich die gemessene Schneehöhe an verschiedenen Orten in Bayern?

Bei fast jeder einzelnen Station lässt sich nachvollziehen, dass extrem hohe Schneedecken im Dezember auch schon in den 60er- oder 80er-Jahren eher die Ausnahme waren. Oder, wie es BR-Wetterexperte Michael Sachweh im BR24live nennt, eine "Laune der Natur". Beim Wetter erlebe man, was kürzere Zeiträume von Tagen oder Wochen betrifft, ständig ein Auf und Ab.

"Ich sehe das nicht als neuen Trend zu mehr Schnee – im Gegenteil, wenn man sich die Statistik der Schneehöhen in Bayern der letzten Jahre anschaut, dann sieht man einen ganz klaren Trend zu selteneren Schneefalltagen, mehr Regen als Schnee, und zu geringeren Schneehöhen. Das ist jetzt mal ein absoluter Ausreißer, den wir hier erleben."

Schnee wird etwas weniger, aber deutlich seltener

Wie oben gesehen, geht der Trend eher leicht nach unten. Die von Michael Sachweh angesprochenen Schneefalltage zeigen den Rückgang noch deutlicher. Dazu wird in klimatologischen Analysen meist die Anzahl der Tage gezählt, an denen es eine geschlossene Schneedecke gibt, die mindestens einen Zentimeter hoch ist.

Die folgende Grafik zeigt, wie die mittlere Anzahl an Schneetagen an den 143 bayerischen Stationen in allen drei Wintermonaten abgenommen hat. Da die Werte stark schwanken, ist auch für jedes Jahr der Durchschnitt der jeweils davorliegenden sieben Jahre eingezeichnet, um ein besseres Gespür für den Trend zu bekommen.

Grafik: An wie vielen Tage lag früher in den Wintermonaten Schnee in Bayern?

Besonders der Vergleich von längeren Schneetage-Perioden ergibt ein ernüchterndes Bild: Von 1961 bis 1990 gab es in ganz Bayern im Dezember rund 16 Tage mit geschlossener Schneedecke – von 1991 bis 2020 nur noch 10. Man müsste statt "Früher war mehr Schnee" also eher sagen: "Früher war öfter Schnee". Und selbst dann muss man mit langen Zeitreihen und sorgfältig ausgewählten Daten arbeiten. Denn einzelne Jahre oder sogar einzelne Tage können ganz unterschiedliche Wahrnehmungen hervorrufen.

Erlebnis selbst am gleichen Wochenende sehr unterschiedlich

Auch das zeigt der Dezemberanfang 2023 eindrucksvoll. Man konnte leicht den Eindruck gewinnen, dass ganz Bayern unter mindestens 30 Zentimetern Schnee versank. Dabei gab es sogar drei Messstationen in Unterfranken, an denen in der vergangenen Woche überhaupt keine Schneedecke gemessen werden konnte. Und längst nicht alle Menschen in Bayern hatten die für's Rodeln benötigten fünf bis zehn Zentimeter oder mussten gar Schneeberge von 40 Zentimetern Höhe aus der Einfahrt schaufeln. Die folgende Karte zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich die Bayern das erste Dezemberwochenende erlebt haben:

Bayernkarte: Schneereicher Dezemberstart überall in Bayern?

Über die Daten

Alle untersuchten Daten werden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) zur Verfügung gestellt. Basis für die historische Einordnung ist die von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) festgelegte Klimatologische Referenzperiode 1961-1990.

Der DWD verzeichnet für Bayern 366 Messstationen, die von 1961 bis 2023 regelmäßig Messungen der täglichen Schneehöhe vorgenommen haben. Verglichen wird der sogenannteTageswert, der an den Stationen immer um 7 Uhr morgens genommen wird.

Um möglichst präzise Ergebnisse zu erhalten, wurden die 366 Stationen weiter gefiltert. Grundlage für die Analysen sind die Daten von 143 Messstationen, die im genannten Zeitraum jeweils nicht mehr als insgesamt 7 Fehljahre und pro Monat nicht mehr als 10 Fehltage aufweisen.

Eine Ausnahme bildet die letzte Bayernkarte. Hier wurden nur die ersten fünf Dezembertage in 2023 benötigt – Grundlage dafür sind die Daten von 439 Messstationen, die für diesen Zeitraum verlässliche Daten mit nicht mehr als einem Fehlwert geliefert haben.

Werden in der Analyse mittlere Werte gebildet, so handelt es sich dabei immer um den Median – es sei denn, es wird ausdrücklich vom Durchschnitt gesprochen. Der Median oder Zentralwert ist der Wert, der genau in der Mitte einer Zahlenreihe liegt. Er wird anstatt dem arithmetischen Mittel (Durchschnitt) verwendet, wenn ein Datensatz große Ausreißer hat, die das Ergebnis verzerren können. Das ist bei den Daten zum Schnee in Bayern der Fall, da es einige wenige Messstationen gibt, die sehr hoch liegen (Zugspitze, Großer Arber) und so deutlich häufiger und mehr Schnee haben.

Dieser Artikel ist erstmals am 07.12.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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