Projektmanager Martin Götz, Bürgermeister Thomas Heydecker und Architekt Hans-Heinrich Häffner vor dem ehemaligen Gasthaus und Hotel Krone.
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Projektmanager Martin Götz, Bürgermeister Thomas Heydecker und Architekt Hans-Heinrich Häffner vor dem ehemaligen Gasthaus und Hotel Krone.

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Detektivarbeit in Oettingen: Was man aus alten Mauern lesen kann

Es ist das herausforderndste Projekt für die Stadt Oettingen seit Jahrzehnten: Die Renovierung der 600 Jahre alten "Krone", einem Fachwerkhaus neben dem Rathaus. Viel wird investiert - aber die Stadt erwartet sich auch viel von dem Projekt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Der Blick nach oben - er bereitet den Planern Bauchschmerzen: Der Giebel der Krone ist nicht nur instabil, sondern vor allem auch: schief. Über ein Meter weit neigt er sich nach Südwesten. Wie also das Gerüst befestigen? Diese Frage beschäftigt Architekt Hans-Heinrich Häffner: "Also so etwas hatte ich noch nie", sagt er mit gerunzelter Stirn, "da ist das Gerüst an der einen Seite 1,25 Meter weg von der Fassade und an der anderen fällt man ins Haus rein."

Zentimeter-Arbeit an der Fassade

Klar ist: der Giebel muss im Zuge der Sanierungsarbeiten geradegerückt werden, Zentimeter für Zentimeter, mit hydraulischen Pressen wird das gemacht. Bürgermeister Thomas Heydecker, gerade mal eineinhalb Jahre im Amt und 36 Jahr jung, ist sich durchaus bewusst, dass das alles ein ganz schönes Wagnis ist: "Das ist wohl das herausforderndste Projekt, das wir als Stadt Oettingen je in Angriff genommen haben", sagt er, aber, er ist sich sicher: "Es lohnt sich." Zum einen, weil das Gebäude es wert sei, erhalten zu werden - zum anderen, weil sich die Stadt viel von dem Projekt erhoffe, auch im Sinne der Wiederbelebung der Innenstadt.

Projekt soll zur Stadtentwicklung beitragen

Ein Hotel, mitten in Oettingen, das könnte neben den Störchen, für die Oettingen bekannt ist, und dem Schloss zu einem weiteren Anziehungspunkt für Touristen werden. Vor allem, weil das ein besonderes Hotel werden soll - eben wegen seiner Historie. Die ist teilweise in den Oettinger Archiven nachzulesen. Allerdings fehlen Aufzeichnungen über die ersten 100 Jahre. Zu welchem Zweck wurde das Gebäude in dieser Größe und mit dieser Ausstattung überhaupt gebaut? Dazu haben Bauforscher jetzt interessante Hinweise gefunden.

Bauforscher als Sherlock Holmes

Inzwischen ist die Krone innen komplett ausgeräumt, außerdem wurden später eingezogene Decken und Ähnliches entfernt. Und dabei ist so manch' Schönes zum Vorschein gekommen. Im ehemaligen Gastraum im Erdgeschoss, oben in der Ecke, ist jetzt der Rest einer alten Wandmalerei erkennbar: Zinnen, mit Schießscharten, wie eine Stadtmauer sieht das aus. Für Architekt Hans-Heinrich Häffner ein erstes Indiz: Eine einfaches Gasthaus war die Krone offenbar nicht von Anfang an. Darauf deutet auch der Name hin: "Krone" hießen früher oft Fürstenherbergen, sagt Häffner. Im Obergeschoss finden sich weitere Hinweise auf die Vergangenheit des Gebäudes.

Kleiner Raum mit ungewöhnlich großen Fenstern: eine Schreibstube?

Unter der hölzernen Wandverkleidung haben die Experten in einer kleinen, etwa dreieinhalb mal dreieinhalb Meter großen Kammer im ersten Stock Überreste von Fensterrahmen gefunden: Mehrteilige, große Fenster müssen hier, wo jetzt eine Mauer ist, einst gewesen sein. Ein sehr heller, lichtdurchfluteter Raum muss das gewesen sein. Interessant sei auch die Lage, so Projektmanager Martin Götz. Der Raum liegt im hinteren Teil des Gebäudes, nicht vorne, zur Schlossstraße raus. Götz geht davon aus, dass sich hier ein reicher, gebildeter Mann, vielleicht ein Kaufmann, eine Schreibstube eingerichtet haben könnte, um zu arbeiten.

Historische Hotelsuite im vorderen Bereich

Ganz anders dagegen im vorderen Teil des Gebäudes. An den Holzbalken im Gemäuer ist erkennbar, wie schonungslos mit der "Krone" umgegangen wurde: Balken wurden einfach abgesägt, Wände versetzt, neue Wände eingezogen. Mit daher kommt auch die Instabilität. Was für die Forscher interessant ist: Im vorderen Bereich gab es einst einen mit etwa 60 Quadratmetern ungewöhnlich großen Raum, samt zugehöriger Kammer und Abort. Man geht davon aus, dass hier hochrangige Gäste, also Fürsten, Grafen und Bischöfe residierten. Hier soll dann auch letztendlich wieder eine Hotelsuite eingerichtet werde.

Weitere Besonderheit: "liegender" Dachstuhl

Zu den Besonderheiten des Gebäudes zählt auch der Dachstuhl: Etwa 1425 erbaut ist er einer der ersten "liegenden" Dachstühle. Das heißt, die Sparren sind nicht senkrecht angebracht, sondern schräg, so kann der Dachstuhl mehr Gewicht tragen. Der Dachstuhl der Oettinger "Krone" ist einer der ältesten erhaltenen Dachstühle dieser Art in Süddeutschland. Dass dieser Dachstuhl eine solche Bedeutung hat, ist schon lange bekannt. So war auch klar, dass das Gebäude nicht abgerissen werden darf, als 2017 bekannt wurde, dass es einsturzgefährdet ist.

2017 wurde bekannt: Das Gebäude ist einsturzgefährdet

Für den damaligen Besitzer, aber auch für die Stadt und viele in Oettingen war es ein Schock: Vor etwa vier Jahren war es, da hatten Untersuchungen ergeben: Das beliebte Hotel und Tanzlokal ist einsturzgefährdet. Von heute auf morgen musste die Krone geschlossen werden. Der damalige Besitzer war verzweifelt - das Geld für die Renovierung des denkmalgeschützten Gebäudes konnte er nicht aufbringen, allein die Notsicherung des Giebels ging schon in die Zehntausende. Monatelang war das Gebäude dann durch einen Bauzaun von Gehweg und Straße getrennt - kein schöner Anblick, mitten in Oettingen, direkt am Rathaus. Letztendlich hat die Stadt das Gebäude gekauft und begonnen, die Sanierung zu planen. Der Bauzaun ist inzwischen weg, das Gebäude soweit stabilisiert, dass mit der Sanierung begonnen werden kann.

Ziel: Projekt soll 2024 fertig sein

Geplant ist, die Renovierungsarbeiten bis zum Jahr 2024 abzuschließen. Außerdem soll der neuere, aber zum Gesamtensemble gehörige Müllerstadel abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Zum Gesamtprojekt zählt auch der Kronensaal aus den 1920er Jahren, auch er soll renoviert werden. Dann ist geplant, hier wieder ein Hotel einzurichten und es zu verpachten. Hier erhofft sich die Stadt auch Einnahmen. Außerdem, so Bürgermeister Thomas Heydecker, könne man mit so einem weithin einzigartigen Einzeldenkmal hoffentlich Touristen anlocken.

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