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CSU-Spitzenpolitiker

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High Noon im CSU-Machtkampf

Machtwechsel in der CSU waren selten geordnet, aber so erbittert gekämpft wie diesmal wurde wohl noch nie. Auch wenn vieles auf Markus Söder als neuen bayerischen Ministerpräsidenten zuzulaufen scheint – er wird es schwer haben. Von Sebastian Kraft

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Das Jahr 1978 wird dieser Tage gerne genannt. Fast 40 Jahre ist es her, dass ein Machtwechsel in der CSU geordnet verlief, wobei es auch hier Überlieferungen gibt, dass Franz Josef Strauß den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel mit Nachdruck zum Aufgeben bewegen musste. Alle Wechsel danach verliefen mehr oder weniger chaotisch.

Als Strauß 1988 starb, gingen seine Vertrauten leer aus, sein Nachfolger Max Streibl wurde 1993 vom Hof gejagt. Danach übernahm Stoiber, der 2007 in Wildbad Kreuth gestürzt wurde. Sein Nachfolger Günther Beckstein musste 2008 nach der verheerenden Wahlniederlage gehen – zum Zug kam dann Horst Seehofer, der ein Jahr zuvor noch leer ausging. Seehofer hatte es sich zur öffentlichen Aufgabe gemacht den Übergang "geordnet" zu organisieren. Mittlerweile, so wird überliefert, kann er seine eigene Wortschöpfung "geordneter Übergang" selbst nicht mehr hören.

CSU-Fraktion darf Spitzenkandidat vorschlagen

Heftig wie noch nie ist diesmal vor allem die Tonalität, mit der sich sogenannte Parteifreunde behacken: "Leichtmatrosentum" oder "nicht irgendwelche Möchtegerns können Ministerpräsident werden". Dabei schien sich die CSU nach Seehofers mahnenden Worten ("Geschlossenheit und Kameradschaft") Anfang der Woche wieder auf den Friedenskurs zu bewegen. In einer durchweg harmonischen Sitzung hatten sich der CSU-Fraktionsvorstand am Dienstagabend mit Teilen des Kabinetts (darunter auch Joachim Herrmann und Markus Söder) im Bayerischen Landtag auf einen Fahrplan geeinigt, den Horst Seehofer gebilligt haben soll: Am darauf folgenden Montag darf den Fraktion ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl vorschlagen, nachdem sich Seehofer selbst erklärt hat. Da niemand ernsthaft erwartet, dass Seehofer 2018 noch einmal als Bayerischer Ministerpräsident antritt, schien der Weg für Markus Söder frei, da er in der Fraktion viele Unterstützer hat.

"Durchbruch" titelte schon die erste Zeitung. Die Fraktion selbst war hochzufrieden, sie hat ihren Machtanspruch als "Herzkammer" untermauert und ein Mitbestimmungsrecht erfolgreich eingefordert. Seehofer könne wegen der schwierigen Lage in Berlin Parteichef bleiben, so der Konsens von vielen. Der Weg schien geebnet und der einhellige Wunsch umgesetzt: Die beiden "stärksten" Seehofer und Söder sollen endlich ihre persönlichen Animositäten beenden und an einem Strang ziehen. Allgemeines Aufatmen – aber nur kurz.

Kandidiert Herrmann gegen Söder?

Während der Plenarsitzung am Mittwoch im Bayerischen Landtag versuchten alle potenziellen Kandidaten – Markus Söder, Joachim Herrmann, Ilse Aigner – mit blumigen Worten möglichst wenig zu sagen und keinerlei öffentliche Kandidatur zu erklären. Derweil wurden hinter den Kulissen schon die Szenarien gesponnen: Kein Zweifel bestand daran, dass Markus Söder öffentlich antritt. Bis etwa 17 Uhr wurde auch übereinstimmend berichtet, dass niemand mit einer Gegenkandidatur rechnet. Dann platzte die Bombe – und neues Gift wurde versprüht.

"Süddeutsche Zeitung" und "Münchner Merkur" berichteten, dass Joachim Herrmann mit einer Kandidatur gegen Söder liebäugelt. So sei es in einem Geheimtreffen am Montag in der Staatskanzlei vereinbart worden. Teilnehmer: Horst Seehofer, Joachim Herrmann, Manfred Weber, Alexander Dobrindt, Ilse Aigner – kurzum: das Anti-Söder-Lager. Joachim Herrmann war erkennbar schockiert von dieser Meldung, wollte nichts bestätigen – aber auch nichts dementieren.

Da die Nachricht mitten in eine Plenarsitzung platzte, wurde der bayerische Innenminister vor aller Augen (aber nicht Ohren) von Söder-Anhängern beackert und soll nach übereinstimmenden Aussagen gesagt haben, dass er nichts zugesagt habe. Das Problem war damit aber trotzdem nicht aus der Welt.

Die CSU taumelt immer tiefer ins Chaos

Denn die Tatsache, dass überhaupt ein derartiges Geheimtreffen stattfand, wertet das Söder-Lager schon als Affront – und manövriert sich damit geschickt in die Opferrolle, um die eigenen Reihen zu schließen. Dazu gibt es höchst widersprüchliche Aussagen, was wirklich passiert war. Als die wahrscheinlichste Variante gilt mittlerweile, dass eine mögliche Kandidatur Herrmanns nicht in der Fünferrunde, sondern in Einzelgesprächen danach angedeutet wurde.

Am Donnerstagabend dann der nächste Aufreger: In dieser Fünferrunde, so berichtet der "Münchner Merkur", habe Manfred Weber seine Ambitionen unterstrichen, CSU-Parteichef zu werden, was wiederum Alexander Dobrindt nicht gefallen haben soll – der CSU-Landesgruppenchef will, dass Seehofer an der Spitze der CSU bleibt. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks soll Weber sein Interesse allerdings nur signalisiert haben für den Fall, dass Seehofer diesen Posten irgendwann abgibt. Auch hier lässt sich die Wahrheit wohl nie ganz herausfinden, der Eindruck aber verfestigt sich: Die CSU taumelt immer tiefer ins Chaos. Der sonst so integere Sachpolitiker Joachim Herrmann steckt nun ebenfalls mittendrin – auch wenn er (was durchaus wahrscheinlich ist) selbst gar nichts dafür kann. "Langsam kommt da niemand mehr unbeschädigt raus", resümiert jemand, der schon sehr lange dabei ist.

CSU will am Montag entscheiden

Nun steuert die CSU also auf das große Finale zu: Heute treffen sich ab 14 Uhr in der Münchner Landesleitung die einflussreichen Bezirkschefs (darunter auch Söder, Herrmann, Aigner) mit Seehofer, danach folgen weitere Gespräche und um 18 Uhr trifft sich Seehofer dann mit seinen Parteivizes (u.a. Manfred Weber und Barbara Stamm). Ob am Abend schon etwas nach draußen dringt, ist ungewiss, da nur Seehofer an allen Gesprächen teilnimmt und seinen Gesprächspartner erfahrungsgemäß nicht alle Karten auf den Tisch legt.

Am Montag geht es dann um 8.30 Uhr in der CSU-Landtagsfraktion um den zukünftigen Bayerischen Ministerpräsidenten, ab 11 Uhr im CSU-Vorstand um den Parteivorsitz. Als wahrscheinlichste Variante gilt zwar weiterhin, dass Markus Söder von der Fraktion aufs Schild gehoben wird und Horst Seehofer sich am 16. Dezember am Parteitag als CSU-Chef bestätigen lassen will – auch weil sich am Samstag der mächtigste Bezirksverband Oberbayern hinter ihn stellte. Doch wie die "Augsburger Allgemeine Zeitung" vor einigen Tagen treffend titelte: "Alles ist möglich. Auch das Gegenteil."