Eine Ampulle des Sputnik-Impfstoffs wird in Moskau in die Luft gehalten (Symbolbild).
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Corona-Impfstoffe: Bayern hält an Sputnik-Option fest

Bis zu 2,5 Millionen Sputnik-Impfdosen für Bayern - damit sorgte die Staatsregierung im Frühjahr für Aufsehen. Inzwischen gibt es genug Impfstoff, aber das bayerische Gesundheitsministerium hält an der Sputnik-Option fest. Das wirft Fragen auf.

Eigentlich ist die Aufgabenverteilung bei den Corona-Impfstoffen klar: Die EU und der Bund kümmern sich um die Beschaffung, die Bundesländer übernehmen die genaue Verteilung bis zum Piks im Arm. Anfang April preschte Bayern allerdings vor - und kündigte an, im Fall einer europaweiten Zulassung bis zu 2,5 Millionen Dosen des russischen Vakzins "Sputnik V" kaufen zu wollen. "Wohl im Juni" rechnete Ministerpräsident Markus Söder (CSU) damals mit der Lieferung. "Wir wollen das so bald wie möglich", bekräftigte Gesundheitsminister und Parteikollege Klaus Holetschek.

Das war, im Nachhinein betrachtet, zu optimistisch. Und inzwischen, ein halbes Jahr nach der bayerischen Sputnik-Ankündigung, haben sich die Vorzeichen deutlich verändert. Im Frühjahr war Impfstoff noch Mangelware, mittlerweile gibt es zumindest in Deutschland genug davon. Die nur noch langsam steigende Impfquote liegt nicht am fehlenden Impfstoff, sondern an der ablehnenden Haltung mancher Menschen. Dazu kommt: Weiterhin ist der Sputnik-Impfstoff nicht europaweit zugelassen. In der EU gibt es nur nationale Zulassungen in Ungarn und der Slowakei, letztere impft aber auch wegen geringer Nachfrage nicht mehr mit dem Vakzin.

Sputnik: Preis und strategischer Nutzen bleibt unklar

Das bayerische Gesundheitsministerium will auf BR-Nachfrage trotzdem nicht abrücken von den Sputnik-Plänen des Freistaats. Eine Sprecherin teilt mit: Der am 7. April unterzeichnete "Letter of Intent" konkretisiere die Absicht, "bis zu 2,5 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V nach dessen arzneimittelrechtlicher Zulassung zu erwerben". Abzuwarten seien weiterhin die Bewertung und Empfehlung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA und die Zulassung des Impfstoffs durch die Europäische Kommission. Den genauen Zeitplan kennt das Ministerium offenbar nicht: "Wann die EMA beraten und die Europäische Kommission über die Zulassung entscheiden wird, ist derzeit noch unklar."

Die Nachfrage, welche Rolle Sputnik im Falle einer Zulassung in der bayerischen Impfstrategie noch spielen kann oder soll, beantwortet das Ministerium nicht. Wie viel der Sputnik-Impfstoff kosten soll, bleibt ebenfalls unklar - das Ministerium verweist auf laufende Verhandlungen. Verbindlich bestellt wurde demnach bisher nicht, auch Geld ist laut der Ministeriumssprecherin für die Sputnik-Option noch nicht geflossen: "Bislang wurde weder ein Kaufvertrag unterzeichnet noch wurden Kaufpreiszahlungen geleistet." Offen bleibt weiter, ob im Fall einer EU-weiten Zulassung die Sputnik-Lieferung für Bayern in Illertissen produziert oder aus Russland importiert werden soll.

Klar ist, dass die Initiative im Frühjahr vom russischen Pharmaunternehmen R-Pharm ausging. Die R-Pharm Germany GmbH habe "ein Angebot zur Beschaffung von Sputnik V unterbreitet", erklärte das Ministerium im Juli auf eine Anfrage der Landtags-Grünen. Weil der Impfstoff bald auch in einer schon bestehenden Fabrik von R-Pharm im schwäbischen Illertissen produziert werden soll, dürften langfristige wirtschaftspolitische Überlegungen beim Sputnik-Kurs der Staatsregierung eine Rolle spielen, womöglich die Hauptrolle. "Bei den Gesprächen geht es auch um die Schaffung von Produktionskapazitäten in der Region und damit um Impfstoffproduktion in Bayern, die gerade mit Blick auf eine künftige Versorgungssicherheit von Interesse sind", teilt das Gesundheitsministerium mit.

Schulze: "Mangelt nicht an vorhandenem Impfstoff"

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze versteht nicht, warum die Staatsregierung das Sputnik-Vorhaben nicht längst wieder kassiert hat. "Ich fände es sinnvoller, wenn Markus Söder seine ganze Energie auf die Steigerung der Impfquote in Bayern konzentrieren würde", sagt Schulze auf BR-Anfrage. "Es mangelt im Moment ja nicht am zugelassenen und vorhandenen Impfstoff - und trotzdem rangiert Bayern auf den hinteren Plätzen im Bundesvergleich."

Die Grünen-Fraktionschefin kritisiert auch die geopolitische Dimension der bayerischen Sputnik-Überlegungen. Auch wenn offiziell keine staatlichen Stellen Russlands bei der Produktion involviert gewesen seien, könne von einer engen Verbindung zwischen dem Kreml und dem russischen Pharmaunternehmen R-Pharm ausgegangen werden. "Sputnik ist kein unpolitischer Impfstoff, sondern ein Prestigeprojekt des Kremls", sagt Schulze. Schon im Juli hatte sie kritisiert: Söder sei mit seinem Alleingang seiner europapolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden.

Mecklenburg-Vorpommern: Sputnik "ruhend gestellt"

Die bayerischen Sputnik-Pläne waren im Frühjahr auch von mehreren anderen Bundesländern kritisiert worden. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern hatte ebenfalls eine Option auf eine Million Sputnik-Dosen vereinbart. In der Zwischenzeit wurden die Pläne dort aber laut einem Regierungsbeschluss "ruhend gestellt", also offenkundig fallen gelassen.

Weltweit hat Sputnik in rund 70 Ländern eine Zulassung. Zuletzt sorgte der russische Impfstoff hierzulande aus einem anderen Grund für Aufsehen: Der hessische Verwaltungsgerichtshof urteilte, dass Sputnik-Geimpfte keinen Anspruch auf einen deutschen Impfnachweis haben, weil der Impfstoff bisher in der Bundesrepublik nicht zugelassen ist.

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