Daniel Halemba (hinten Mitte), AfD-Politiker, nimmt am 12.12.2023 im bayerischen Landtag an einer Plenarsitzung teil.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Heute Abend berät der AfD-Landesvorstand über einen möglichen Parteiausschluss Halembas.

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Causa Halemba: Die schwere Entscheidung des Landesvorstands

Der AfD-Bundesvorstand hat den Landesvorstand Bayern dazu aufgerufen, den Landtagsabgeordneten Daniel Halemba aus der Partei auszuschließen. Heute Abend berät der Landesvorstand darüber. Ergebnis offen. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Als der Bundesvorstand der AfD am Montagabend einen Beschluss fasst, hat der es in sich. Etwa eine Stunde lang haben die Mitglieder noch spät am Abend diskutiert, aber dann ist klar: Der bayerische Landesvorstand soll sein jüngstes Mitglied im bayerischen Landtag, Daniel Halemba, aus der Partei ausschließen. Und damit nicht genug: Weil Ausschlussverfahren lange dauern, will der Bundesvorstand auch, dass Halemba mit sofortiger Wirkung alle seine Mitgliedsrechte entzogen werden. AfD-Chefin Alice Weidel sagt am Tag darauf: "Für uns im Bundesvorstand ist es gestern einhellig und völlig klar gewesen, dass Herr Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben kann." Klarer hätte der Auftrag an den bayerischen Landesvorstand nicht sein können. Härtere Sanktionen gibt es in einer Partei nicht.

Doch so klar der Auftrag auch ist, so offen sind auch viele Fragen. Heute Abend bespricht sich der bayerische Landesvorstand. Dabei will er auch Halemba anhören. Wird der Vorstand der Aufforderung des Bundes nachkommen? Warum kommt das Ganze jetzt hoch? Und: Welche Rolle spielen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft?

Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum geht es?

Der Bundesvorstand begründet die Aufforderung mit "Verstöße[n] gegen die Ordnung" der Partei. Diese seien durch "Mitwirkung an zwei Scheinwohnsitzmeldungen" entstanden, "die zu satzungswidrigen Mitgliederaufnahmen im Kreisverband Würzburg" geführt hätten.

Dabei geht es um Vorgänge, die vor gut einem Jahr begonnen haben. Am 26.11.2022 hat sich die AfD Unterfranken Nord getroffen, um ihre Kandidaten im Stimmkreis 604 zur Landtagswahl zu wählen. Freia Lippold-Eggen kandidierte gegen Daniel Halemba. Und der kam mit Unterstützung zu der Versammlung. Drei neue AfD-Mitglieder begleiteten ihn und stimmen für ihn. Halemba wird zum Kandidaten gewählt – mit den Stimmen der Neu-Mitglieder, auch, wenn sie nicht nötig gewesen wären.

Der Knackpunkt: Zwei der neuen Mitglieder wurden im Kreisverband Würzburg, in dem Halemba Vorsitzender ist, aufgenommen. Das wäre aber eigentlich nicht möglich gewesen. Denn Mitglieder werden in dem Verband aufgenommen, in dem sie ihren Hauptwohnsitz haben. Hier bestehen Zweifel.

Denn erst im Februar, also mehrere Monate später, wurden die neuen Mitglieder rückwirkend in Würzburg gemeldet – und zwar auf die Adresse der Burschenschaft "Teutonia Prag", in der auch Halemba Mitglied ist. Die Stadt Würzburg hatte Zweifel. Sie ging von "Scheinanmeldungen" aus und leitete ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Die Mitglieder zahlten ein Bußgeld. Die Ummeldung wurde rückgängig gemacht.

Für die Kritiker des Vorgangs ist damit klar: Die neuen AfD-Mitglieder wurden mit unrichtigen Angaben und im Hauruck-Verfahren in die AfD aufgenommen, um bei der Versammlung für Halemba zu stimmen. Halemba hat sich zu diesen Vorwürfen noch nicht öffentlich geäußert.

Wieso kommt das alles jetzt hoch?

Klar ist: Sowohl der bayerische Landesvorstand als auch die Bundesspitze wussten schon lange Bescheid. Dem Bayerischen Rundfunk liegen zahlreiche E-Mails vor, in denen der Bundes- und der Landesvorstand angerufen wurden, die Mitgliedschaft der neuen Mitglieder zu widerrufen. Sie stellten Anträge beim Landesschiedsgericht. Und überall im Anhang: Belege, Protokolle, eidesstattliche Versicherungen, Kontakte zu Zeugen bei der Stadt Würzburg. Konsequenzen hatte das nicht. Der Landesvorstand verwies stets darauf, eine Meldebescheinigung vorliegen zu haben – unabhängig davon, dass die Stadt Würzburg später von einer "Scheinanmeldungen" sprach.

Dass die Parteispitze jetzt reagiert, sehen einige in der AfD als Konsequenz von zu viel internem und öffentlichem Druck. In den letzten Wochen haben immer mehr Medien über die Vorgänge berichtet. Die Gegenkandidatin Halembas, Freia Lippold-Eggen, sagt im Interview mit BR24: Der Auftrag des Bundesvorstandes sei ein "widerliches Schauspiel zur Irreführung der Öffentlichkeit".

Der Bundesvorstand räumt auf BR24-Anfrage ein, dass er schon früher Hinweise auf "eventuell prüfenswerte Vorgänge" erhalten habe. Die Bundesgeschäftsstelle verfüge allerdings weder über personelle noch zeitliche Kapazitäten, jedem Hinweis nachzugehen. Die Klärung liege zuerst beim jeweiligen Landesvorstand, hier also in Bayern. "Der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland hat sich näher mit dieser Causa befasst, nachdem sich entsprechende Hinweise verdichtet haben."

Allerdings: Der Bundesvorstand hätte jetzt den Antrag auf Parteiausschluss auch selbst stellen können, hat das aber an den Landesvorstand abgegeben.

Könnten auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Halemba eine Rolle spielen?

Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen den 22-Jährigen wegen des "Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen". Offiziell geht es bei den aktuellen Vorgängen innerhalb der AfD nicht um das Ermittlungsverfahren. Allerdings ist es vor allem Gemäßigteren in der AfD ein Dorn im Auge.

Sie fürchten, Stimmen aus dem Mitte-Rechts-Lager der Gesellschaft zu verlieren, oder, dass man der Partei im Osten die Regierungsfähigkeit abspricht. Im kommenden Jahr sind Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Und die AfD will in die Regierung. Außerdem sorgen sich manche, dass Personen wie Halemba die AfD noch stärker in den Fokus des Verfassungsschutzes rücken oder zu einem Parteiverbot führen könnten.

Auf der anderen Seite verweisen einige darauf, dass Halemba nicht verurteilt sei und die Unschuldsvermutung gelte. Der Bundesvorstand schreibt auf BR24-Anfrage: "Die bekannt gewordenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Würzburg sind bei der Prüfung grundsätzlich berücksichtigt worden: Eine abschließende Einschätzung dazu kann aber nachvollziehbarerweise erst dann verlässlich gegeben werden, wenn daraus evtl. resultierende konkrete Ermittlungsergebnisse vor Gericht vorliegen."

Was wirft die Staatsanwaltschaft Halemba vor?

Mitte September hatten die Ermittler eine Razzia bei der Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag durchgeführt, die seit kurzem vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird und in der Halemba Mitglied ist. Dabei soll unter anderem bei einer Durchsuchung ein Gästebuch beschlagnahmt worden sein, in dem auf einer Seite sowohl der Ausspruch "Sieg Heil" als auch die Unterschrift Halembas zu sehen sein sollen. Außerdem soll in seinem Zimmer ein "Befehl des Reichsführers Himmler mit einer Doppelsigrune" gefunden worden sein. Halemba weist alle Vorwürfe zurück.

Seit Ende Oktober besteht ein Haftbefehl gegen Halemba, der allerdings gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt ist und mittlerweile in Teilen aufgehoben wurde. Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Würzburg sieht keine Fluchtgefahr mehr. Deswegen muss sich Halemba nicht mehr wöchentlich bei der Polizei melden. Wegen Verdunklungsgefahr hat er allerdings weiterhin ein Kontaktverbot zu Mitgliedern der "Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg" und darf das Verbindungshaus nicht betreten.

Kann Halemba einfach von der Partei ausgeschlossen werden?

Nein. Ein Parteiausschluss ist an klare Voraussetzungen geknüpft. Laut Bundessatzung der AfD ist er nur möglich, wenn ein Mitglied "vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei" verstoßen und der Partei dadurch einen schweren Schaden zugefügt hat. Ob das bei Halemba der Fall ist, etwa durch die Meldevorgänge in seinem AfD-Kreisverband Würzburg, durch kritische Medienberichte oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, müsste das Landesschiedsgericht der AfD klären – sofern es zu einem Antrag kommt. Dazu muss Halemba dann auch gehört werden.

Hinzu kommt: Der Antrag auf Parteiausschluss muss binnen sechs Monaten erfolgen, sobald der Vorstand von den maßgeblichen Umständen erfahren hat. Die Meldevorgänge in Würzburg, auf die der Bundesvorstand verweist, sind dem Vorstand schon länger bekannt.

Ähnlich ist die Lage, wenn einem Mitglied die Mitgliedsrechte sofort entzogen werden sollen. Das ist nur möglich, wenn "ein dringender und schwerwiegender Fall vor[liegt], der ein sofortiges Eingreifen erfordert". Diese Maßnahme ist sofort mit Bekanntgabe an den Betroffenen gültig. Das Landesschiedsgericht kann sie allerdings nach einer Stellungnahme des Betroffenen wieder einkassieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Entscheidung liegt jetzt erst einmal beim Landesvorstand. Heute Abend will er sich zu einem Routinetermin zusammenschalten, dabei aber auch über die Causa Daniel Halemba sprechen. BR-Informationen zufolge soll dann auch Halemba angehört werden.

Ob der Vorstand heute eine Entscheidung trifft, ist unklar. Möglich ist auch, dass er die Entscheidung vertagt und auf diese Weise Zeit gewinnt. Klar ist: Sowohl ein Antrag auf Parteiausschluss als auch der Antrag, Mitgliedsrechte sofort zu entziehen, muss mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Im Landesvorstand sitzen einige Unterstützer Halembas. Ob die erforderliche Mehrheit zusammenkommt, ist daher schwer vorherzusehen.

Zuletzt könnte auch der Bundesvorstand zu jedem Zeitpunkt noch eingreifen.

Welche Auswirkungen könnte ein Parteiausschluss für die AfD-Fraktion im Landtag haben?

Die AfD-Fraktion könnte im Fall eines Ausschlusses ihren Status als größte Oppositionsfraktion im bayerischen Landtag verlieren – und damit auch einige Privilegien, wie etwa als erstes auf Regierungserklärungen zu antworten. Denn: Derzeit hat die AfD gleich viele Abgeordnete wie die Grünen und ist nur wegen des etwas besseren Wahlergebnisses stärkste Oppositionsfraktion. Würde Halemba aus der Partei ausgeschlossen, könnte er nach der aktuellen Fraktionssatzung nicht mehr Teil der Fraktion sein. Die AfD hätte also einen Abgeordneten weniger. Allerdings könnte die Fraktion ihre Satzung mit einer Zweidrittelmehrheit anpassen.

Sollte Halemba sein Mandat freiwillig zurückgeben, dann würde ein AfD-Kandidat nachrücken und das Kräfteverhältnis im Landtag gleichbleiben.

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