Für viele ist sie ein Reizthema: die Blockabfertigung an der Grenze zu Tirol. Lastwagen und Autos stehen regelmäßig kilometerlang im Stau, weil Österreich nur eine bestimmte Zahl an Lkw durchlässt. Auch am Brenner, an der Grenze zu Italien, erlässt Österreich sogenannte "Anti-Transit-Maßnahmen", damit es in Tirol weniger Lkw-Verkehr gibt.
Den Nachbarn gefällt das nicht. Bayern hat schon mehrfach mit Konsequenzen gedroht, Italien macht jetzt Ernst. Die Regierung um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen und Österreich verklagen. Was würde ein Erfolg Italiens für Bayern bedeuten?
Verfahren könnte bis zu zwei Jahre dauern
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) teilt auf Anfrage des BR mit, er hoffe auf eine schnelle Lösung durch den EuGH. Grundsätzlich kann ein EU-Mitgliedsstaat bei vermuteten Vertragsverstößen gegen einen anderen Mitgliedsstaat Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen. Zunächst muss Italien aber die Kommission dazu auffordern, selbst aktiv zu werden. Erst wenn diese die Aufforderung ablehnt oder nicht reagiert, kann Italien selbst vor den EuGH ziehen. Erfahrungsgemäß kann ein Verfahren bis zu zwei Jahre dauern.
Erfolg Italiens würde auch für bayerische Grenze gelten
Wie hoch die Erfolgschancen Italiens im Falle eines Verfahrens vor dem EuGH sind, dazu möchte sich das bayerische Verkehrsministerium nicht äußern. Zum Verlauf der Klage könne man keine Aussage treffen, teilt ein Sprecher mit. Fest steht aber: Sollte der EuGH im Sinne Italiens entscheiden und feststellen, dass die österreichische Praxis rechtswidrig ist, dann gilt das gegenüber allen EU-Mitgliedsstaaten - also auch für die bayerisch-tirolerische Grenze. Deutschland müsste nicht selbst klagen oder sich der Klage anschließen.
Tiroler Landeshauptmann Mattle: Italien wird keinen Erfolg haben
Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) reagiert verärgert auf die Ankündigung Italiens. "Eine Klage gegen die Tiroler Notmaßnahmen bedeutet nichts weniger, als gegen die verkehrsgeplagten Menschen entlang des Brennerkorridors vor Gericht ziehen zu wollen", so Mattle auf Anfrage des BR. Der EuGH werde feststellen müssen, dass mehr Verkehr für Mensch, Natur und Infrastruktur nicht vertretbar sei.
Man werde sämtliche rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die Maßnahmen zu verteidigen, so Mattle. Italien werde mit seiner "Maximalforderung" keinen Erfolg haben, ist der Tiroler Landeshauptmann überzeugt und stützt sich dabei auf die Einschätzung des Europarecht-Professors Walter Obwexer, der auch Mitglied des EU-Beirates der österreichischen Bundesregierung ist.
Inntaler begrüßen Klage Italiens
Im oberbayerischen Inntal bekommt der Vorstoß Italiens durchaus Zuspruch. "Lange überfällig" sei der Schritt Italiens, sagt etwa der Bürgermeister von Oberaudorf, Matthias Bernhardt von der Freien Wählerschaft Oberaudorf. Die Italiener hätten zu Recht auf den freien Warenverkehr verwiesen, der in der EU vereinbart sei. Die Folgen der Blockabfertigung, sagt Bernhardt, seien für die Menschen im Inntal unerträglich. Eine europäische Lösung müsse her.
Georg Dettendorfer, Geschäftsführer einer Spedition in Nußdorf am Inn, sieht das ähnlich. Er hofft, dass die Klage endlich Klarheit schafft. Im bayerischen Verkehrsministerium hofft man nun auf weitere konstruktive Lösungsvorschläge, wie etwa ein Slot-System. Daran werde man weiter zusammen mit Tirol und Südtirol arbeiten, teilt Bernreiter mit.
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