Laster vor Maibaum und Rathaus in Brannenburg
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Das tägliche Bild: Laster vor Maibaum und Rathaus in Brannenburg

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Blockabfertigung für LKW: Anwohner im Inntal verzweifelt

Stau bis zurück zum Irschenberg, durch LKW-Kolonnen verstopfte Dörfer, verzweifelte Anwohner – das ist die Bilanz nach zwei Wochen ständiger Blockabfertigung. Viele Inntaler fordern schnelle Maßnahmen gegen das Chaos.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Die Meldungen der Verkehrspolizei Rosenheim hatten fast täglich den gleichen Wortlaut: Ab 5 Uhr Dosierungsmaßnahmen der Tiroler an der Grenze, zunächst mit 100 Lastern pro Stunde, später auf 350 erhöht. Gegen Mittag dann meist die Höchstlänge des Rückstaus, oft bis auf die A8 und über den Irschenberg zurück. Und immer wieder Unfälle, "die dem dosierungsbedingten Staugeschehen zuzuordnen sind".

Verkehrspolizei im Dauerstress

Bis zum Frühjahr hatten Verkehrspolizisten das Inntaldreieck immer freigehalten, die LKW schon auf der A8 gestoppt, wenn die A93 voll war. Bei dem Blockabfertigungs-Marathon kann die Polizeiinspektion nun nicht mehr mithalten, es fehlt das Personal, um das Chaos zu bekämpfen. So läuft auch das Inntaldreieck zu und es gibt weitere Staus für den Verkehr von Salzburg Richtung München.

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Stau bis hinauf auf den Irschenberg - der ganz normale Wahnsinn der letzten Wochen

Wand aus Stahl durch das Dorf

Staus auf der Autobahn bedeuten Ausweichverkehr. Die Fahrer riesiger Schwerlaster glauben, dass sie dann über die Landstraßen schneller sind. Die Folge: Eine stählerne Wand aus Diesel-Monstern quält sich durch Dörfer wie Neubeuern, Nußdorf und Brannenburg. Der Autor hat bei Dreharbeiten diese Woche in Brannenburg erlebt, wie innerhalb von Minuten die Hauptstraße durch das Dorf von LKWs tatsächlich dichtgemacht wurde. Offensichtlich Transit-Güterverkehr, wie die Nummernschilder zeigten. Ein Überqueren der Straße: schwierig, Kinder zum Sport bringen: sinnlos, Handwerker auf dem Weg zur Baustelle: ausgebremst. Das Leben kommt zum Erliegen. Der Besitzer eines Blumengeschäfts sagt, die Lage sei existenzgefährdend für ihn. "Die Kunden bleiben weg, es kommt ja keiner mehr durch zu meinem Geschäft", sagt er.

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Fritz Gurgiser aus Vomp hält die Blockabfertigung für ein absolut gerechtfertigtes Instrument.

Besuch beim "Vater der Blockabfertigung"

Wer ist schuld daran, was ist die Ursache? Viele böse Worte sind zu hören gegen die Tiroler, die mit ihrer sogenannten "Dosierung" das ganze Elend verursachten. Deswegen: Fahrt nach Süden, erst an der kilometerlangen Laster-Schlange auf bayerischer Seite vorbei, dann kurz hinter der Grenze an der Ampelanlage, die die LKW abbremst und abgezählt durchlässt – und danach: freie Fahrt, zwar nur mit Tempo 100, aber ohne Stau, durch das Tiroler Inntal.

Bis Vomp, nicht weit vor Innsbruck, weil hier der Mann lebt, der sich rühmt, der Vater der Blockabfertigung zu sein. Fritz Gurgiser hat mit seiner Bürgerinitiative "Transitforum Austria-Tirol" vor fünf Jahren dafür gesorgt, dass die Landesregierung den LKW-Transitverkehr drastisch eingebremst hat. "Die Blockabfertigung beruht auf der klaren, unmissverständlichen Vorgabe der Straßenverkehrsordnung", sagt Gurgiser. "Wenn die Beamtenschaft das nicht gemacht hätte, wäre das Amtsmissbrauch gewesen." Mit deutlichen Worten erklärt uns der bald 70-jährige Aktivist auf einer Brücke über die Inntalautobahn, wie er die Lage sieht.

Gurgiser: Tiroler stehen mit großer Mehrheit dahinter

Die Tiroler stünden mit riesiger Mehrheit hinter dieser Maßnahme, glaubt Gurgiser. Man solle nicht glauben, dass sich nach dem Rücktritt von Landeshauptmann Platter irgendetwas ändern werde. "Der Druck auf die Nachbarländer wird bleiben, dass sie unser Dosierungssystem übernehmen."

Die Frage sei nur, wie lange die Politiker in Bayern dem Leiden der eigenen Bevölkerung zuschauen könnten. So sieht Gurgiser das: "Bayern soll die gleichen Maßnahmen wie Nordtirol auf den eigenen Autobahnen verordnen." Das sei europarechtlich völlig in Ordnung. Der Schutz der Menschen gehe schließlich über alles andere, und stehe vor allem vor der "Freiheit des Güterverkehrs", die sei gesetzlich gar nicht vorgesehen.

Und das gibt er uns noch mit auf den Rückweg: Die Blockabfertigung sei nur ein erster Schritt. Es müsse ein digitales Dosiersystem von Rosenheim bis Verona installiert werden, nur so könne das gesamte Inntal wieder lebenswert gemacht werden.

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Helmut Enzinger vom "Bürgerforum Inntal" beim Spaziergang durch das verstopfte Brannenburg

Forderung nach ähnlichen Maßnahmen auf bayerischer Seite

Auf bayerischer Seite gibt es durchaus gewichtige Stimmen, die diese Position nicht in Bausch und Bogen verdammen. Eine von ihnen kommt von Helmut Enzinger, Sprecher des "Bürgerforums Inntal". Er könne die Maßnahme der Tiroler durchaus nachvollziehen, sagt er. "Sie schützen so ihre Bevölkerung. Wir fordern von unseren Politikern, dass sie dasselbe für uns auch machen."

Während des Interviews kommt der Strom der LKW durch Brannenburg zum Erliegen. Enzinger meint, ein Verbot der Ortsdurchfahrten für Schwerlastverkehr müsse schnell erlassen werden. Transitverkehr müsse auch bei Stau auf der Autobahn bleiben. Wie das BR-Studio Rosenheim erfahren hat, wird demnächst ein Gutachten veröffentlicht, das mehrere Inntal-Gemeinden in Auftrag gegeben haben. Demnach sei es rechtlich durchaus möglich, mit verschiedenen Maßnahmen LKW-Transitverkehr aus den Dörfern herauszuhalten.

Bernreiter setzt auf Druck aus Brüssel

Das sieht der bayerische Verkehrsminister anders: Christian Bernreiter (CSU) hält solch massive Einschränkungen für die Freiheit des Warenverkehrs für problematisch. "Das ist zigmal geprüft worden", sagt er. "Wir können hier nicht willkürlich tätig werden – Tirol scheinbar schon. Wir prüfen alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen."

Der Minister hat vor Wochen einen Brief an die Präsidentin der EU-Kommission geschrieben, mit der Forderung, die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich zu prüfen. Eine Antwort hat Bernreiter bislang nicht erhalten, das sei aber ein normaler Zeitablauf, sagt er. "Aber Sie können versichert sein, ich bin weiter an dem Thema dran und führe auch im Hintergrund viele Gespräche." Die Blockabfertigung hält er für ein "fatales und falsches Signal", ihm sei aber auch klar, dass die Geduld der Bevölkerung im bayerischen Inntal am Ende sei.

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