Biomethananlage Schwandorf
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Biogas statt Erdgas: Schwandorf will unabhängig werden

Die Abhängigkeit von fossilem Erdgas ist in Deutschland weiterhin hoch. Eine Ausnahme ist die Region rund um Schwandorf. Hier ist schon heute so viel Biogas im Netz, dass zumindest im Sommer kaum mehr fossiles Gas benötigt wird. Geht da noch mehr?

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

"Eigentlich hört man hier ein rauschendes Geräusch", sagt Christoph Radlbeck. Der Techniker vom Netzbetreiber Bayernwerk steht in einer kleinen unscheinbaren Anlage nahe Schwandorf, in der normalerweise fossiles Gas aus einer Überlandleitung ins lokale Gasnetz eingespeist wird. Doch im Moment ist es hier komplett still. Die Anlage steht. An einem sommerlichen Nachmittag sei das mittlerweile normal, sagt Radlbeck. Im lokalen Gasnetz ist im Moment so viel Biogas, dass der aktuelle Verbrauch damit komplett gedeckt wird. Für den Moment ist die Region Schwandorf also unabhängig vom fossilen Erdgas. "Die Bakterien machen ihre Arbeit", sagt Radlbeck.

Manchmal sogar zu viel Biogas im Netz

Klar, an einem Nachmittag im Sommer verbrauchen private Haushalte kaum Gas. Doch ans Schwandorfer Netz sind nicht nur rund 11.500 Privat-Kunden angeschlossen, sondern auch teils energieintensive Industrieunternehmen. Diese verbrauchen auch im Sommer gleichmäßig große Mengen Gas. Trotzdem reicht das Biomethan im Netz im Sommer aus, um den Bedarf weitgehend alleine zu decken. An manchen Tagen ist sogar so viel Biogas im Netz, dass es in die Überlandleitungen zurückgespeist werden muss.

Im Sommer nahezu unabhängig

Drei große Biogasanlagen produzieren in der Region Biomethan. Das Gas wird anders als in den meisten kleinen Anlagen nicht vor Ort verstromt, sondern direkt ins bestehende örtliche Gasnetz eingespeist. Zwei Anlagen nutzen nachwachsende Rohstoffe, die dritte verwendet die Abfälle einer Molkerei. Die stündliche Einspeiseleistung liegt insgesamt bei 35 Megawatt. Im Sommer macht das die Region nahezu unabhängig vom fossilen Erdgas, zum Beispiel aus Russland. Da hier so viel Biogas im Netz ist, spricht das Bayernwerk mittlerweile sogar schon vom "Schwandorfer Grüngasring".

Im Winter ist die Situation natürlich derzeit noch eine andere. Hier ist die Region noch weit davon entfernt unabhängig zu sein. Trotzdem: Die produzierte Menge an Biomethan im Netz würde rechnerisch reichen, um 85 Prozent der angeschlossenen Privathaushalte übers Jahr gesehen komplett zu versorgen. Nimmt man auch alle Kunden aus der Industrie dazu, decken die Biogasanlagen bereits heute 35 Prozent des Gesamtverbrauchs.

Lieber einspeisen statt verstromen

Doris Schmack von der Firma Hitachi Zosen Inova Schmack steht in einer der Anlagen. Das mittlerweile übernommene Unternehmen, das Schmack mit aufgebaut hat, ist seit Jahrzehnten im Biogas-Geschäft. Auch die große Anlage in Schwandorf hat die Firma gebaut. "Ich finde Biogas faszinierend, weil es so einfach ist", sagt die Chemikerin. "Wir kippen die Biomasse in den Fermenter, schließen luftdicht ab, machen ein bisschen warm und dann entsteht das gleiche wie Erdgas." Das Biomethan muss nur leicht aufbereitet werden und kann dann direkt ins Erdgas-Netz.

Laut Schmack ist das sinnvoller, als das Gas gleich direkt zu verstromen. "Wir müssen die speicherbare Energie wie Biogas nutzen, wenn wir keine andere Energie zur Verfügung haben – also dann, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht", sagt die Biogas-Pionierin. Dazu sei es am sinnvollsten das Gas einzuspeisen und damit zu speichern.

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Ans Schwandorfer Netz sind nicht nur rund 11.500 Privat-Kunden angeschlossen, sondern auch teils energieintensive Industrieunternehmen.

Weitere Steigerungen möglich

Biomethan hat außerdem den Vorteil, dass das Netz bereits vorhanden ist und dadurch auch ältere Häuser mit Gasheizungen umweltfreundlich geheizt werden könnten, sagt Alexander Radlbeck von Bayernwerk Netz. Um auch im Winter die Versorgung abzudecken, müsste der Biomethan-Anteil im Netz aber noch weiter steigen. Alles andere als unmöglich, findet der Leiter der Gasnetz-Sparte. So könne einerseits der Gasbedarf gesenkt werden, zum Beispiel durch energetische Sanierungen oder einen teilweisen Umstieg der Industrie auf andere Energieträger. Andererseits würde bei vielen kleineren, meist landwirtschaftlich betriebenen Biogasanlagen die EEG-Förderung in den nächsten Jahren auslaufen. Für sie könnte es Sinn machen, das Biogas künftig nicht mehr direkt zu verstromen, sondern ins Gasnetz einzuspeisen.

Die dafür notwenigen Aufbereitungsanlagen sollten gezielt gefördert werden, fordert Radlbeck, der hier deutliche Parallelen zur Wind- und Sonnenkraft sieht. Dort sei es gelungen mit Hilfe staatlicher Förderungen eine dezentrale Versorgung aufzubauen, das könne auch beim Biogas funktionieren, glaubt er. "Wir sind beim Thema dezentraler Gasversorgung heute da, wo die dezentrale Stromerzeugung vor 25 Jahren war.“

Abfälle statt Ackerland nutzen

Weiteres Potenzial sieht der Netzbetreiber vor allem für die Biogasgewinnung aus Abfällen. In vielen Regionen gebe es Betriebe, die in die Technik einsteigen könnten: Lebensmittelbetriebe, wie das Beispiel der neuen Anlage an einer Molkerei im Landkreis Schwandorf zeigt, aber auch Schlachtabfälle oder Klärschlamm könnten zur Biogasgewinnung genutzt werden. Durch den Fokus auf Abfälle, die Biogase derzeit oft einfach ungenutzt in die Atmosphäre abgeben, müssten auch nicht zwangsläufig zusätzliche Ackerflächen genutzt werden.

Potenzial überall vorhanden

Radlbeck gibt deshalb das ehrgeizige Ziel aus, den Bedarf der Region nahezu komplett mit Biomethan zu decken. Die Region könnte so auch ein Vorbild für andere Regionen im Land werden. "Es wäre mein größter Wunsch, wenn es Regionen wie Schwandorf zukünftig öfter geben würde", sagt Radlbeck. Das Potenzial sei im ländlichen Raum überall vorhanden.

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