"Bevor ich sterbe möchte ich…". Dieser Satz will ergänzt werden auf dem neuen Marktplatz von Ergolding. Auf großen schwarzen Tafeln, daneben liegt Kreide. Die Aktion irritiert, interessiert, bringt die Passanten zum Innehalten. Und zum Schreiben.
Lebensziele ganz unterschiedlich
Einer schreibt, bevor ich sterbe, möchte ich "nach Kanada", eine andere "die wahre Liebe finden". Helga Huber nimmt vor unseren Augen ein Stück Kreide in die Hand und schreibt "mit allen Menschen in Frieden leben". Sie erklärt: "Weil ich halt oft gemerkt habe, dass die Menschen zum Schluss noch ein Problem haben und deshalb nicht sterben können. Weil sie mit manchen Angehörigen nicht in Frieden abgeschlossen haben."
Für viele ein unangenehmes Thema
Bevor ich sterbe - ein Thema, über das wir alle nicht so gerne reden, sagt ein Mann um die 60 Jahre und stoppt mit seinem Fahrrad vor den Tafeln: "Ich bin in dieser Sache gerade unterwegs mit Notar, Testament und so weiter. Mich betrifft das. Ich habe eine Mutter mit 89 Jahren."
Eine Amerikanerin hatte die Idee
Die Idee zu dieser Aktion stammt von der US-amerikanischen Künstlerin Candy Chang. Weil nach dem Tod eines ihr wichtigen Menschen Fragen offen geblieben sind, suchte sie nach Antworten auf einer Tafel. Die Idee mit den Tafeln verbreitete sich um die ganze Welt. Lisa Friedel, Studentin im Fach "Soziale Arbeit", die gerade ein Praktikum am Landratsamt Landshut macht, hat die Aktion jetzt nach Ergolding gebracht: "Damit sich mehr Menschen einfach mit dem Thema befassen. Und einen anderen Blickwinkel auf das Thema Tod und Sterben bekommen. Und gleichzeitig auch auf das Leben."
"Zeit" als wiederkehrendes Thema
Schnell sind die ersten Tafeln vollgeschrieben. Dabei ist etwas auffällig, sagt Kunibert Herzing vom Hospizverein Landshut beim Durchlesen der Vorsätze: "Was immer wieder heraussticht, ist das Thema Zeit. Das ist ganz erstaunlich. Wir haben so viele technische Hilfsmittel, so viel Schnickschnack, dass man eigentlich denkt, wir haben viel Zeit. Aber offensichtlich verbringen wir die Zeit mit falschen Dingen."
Details rechtzeitig klären
Tatsächlich kann eine Beschäftigung mit dem Tod auch das Leben besser machen, sagt Gerhard Hug, der als ehrenamtlicher Hospizbegleiter seit Jahren Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. "Die meisten Menschen bereuen am Schluss nicht, was sie gemacht haben. Sondern was sie nicht gemacht haben." Leichter macht das Sterben aber auch, wenn Dinge frühzeitig klar geregelt sind, so seine Erfahrung. Das bestätigt auch Kunibert Herzing vom Hospizverein Landshut, der dabei auch Unterstützung anbietet. Ganz wichtig seien beispielsweise auch Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, das sollte man zeitig regeln, solange man noch die Kraft hat.
Die Aktion "Bevor ich sterbe möchte ich…" soll in diesem Jahr auf weitere Kommunen im Landkreis Landshut ausgedehnt werden.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!